Gerade noch um die Meisterschaft gekämpft, jetzt droht die völlige Versenkung: Die DTM-Saison 2025 könnte ohne einen einzigen Audi-Rennwagen im Starterfeld über die Bühne zu gehen. Nach dem bevorstehenden Wechsel von Abt Sportsline zu Lamborghini ist kein Team in Sicht, das einen Audi R8 LMS GT3 in der deutschen Traditionsserie einsetzen könnte.
Für die vielen Audi-Fans in Deutschland und rund um den Globus wäre das jammerschade - und in der 40-jährigen DTM-Geschichte eine echte Seltenheit: Seit 1984 gab es nur acht Saisons ohne einen Audi in der Startaufstellung. In den Jahren 1985, von 1987 bis 1989 sowie zwischen 1993 und 1996 musste die DTM auf die Marke mit den vier Ringen verzichten.
Audi in der DTM 2025? "Wahrscheinlichkeit sehr gering"
"Stand heute ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass Audi-Kundenteams 2025 in der DTM antreten werden", sagt Audi-Sport-Kundenleiter Chris Reinke zu Motorsport-Magazin.com. "Um auf diesem Niveau mitzufahren, wäre man jetzt schon relativ spät dran mit den Planungen. Es könnte aber auch attraktiv für einen Investor sein, mit einer etablierten Marke, die Stand heute nicht in der DTM vertreten sein wird, an den Start zu gehen."
Uns ist derzeit kein Kundenteam bekannt, dass sein Glück in der DTM mit Audi R8 versuchen möchte. Dem ADAC als Promoter der Traditionsserie geht es ähnlich. ADAC-Motorsportchef Thomas Voss zu Motorsport-Magazin.com: "Ich habe von Gerüchten gehört, dass es Rennteams gibt, die darüber nachdenken, mit Audi in der DTM zu fahren. Auf uns als Promoter ist aber noch niemand zugekommen."
Audi "in den richtigen Händen ein siegfähiges Produkt"
Im November beginnen die Einschreibungen für die DTM-Saison 2025 und theoretisch wäre bis Ende April nächsten Jahres zum Auftakt in Oschersleben Zeit, eine Nennung abzugeben. Die Chancen für einen Audi-Entry schwinden aber mit jedem verstrichenen Tag, weil die Privatteams ihre Planungen für die vergleichsweise teure DTM vorantreiben müssen.
ADAC-Leiter Voss hofft natürlich, dass sich ein Team dem Audi R8 annehmen wird, um für weitere Markenvielfalt in der DTM zu sorgen: "Audi ist nach wie vor ein toller Hersteller und hat in den richtigen Händen ein siegfähiges Produkt. Ich kann Teams nur ermutigen, sich das Thema anzuschauen." Immerhin positiv aus ADAC-Sicht: Mit dem bevorstehenden Einstieg von Ford steht mindestens ein neuer Hersteller in den Startlöchern.
Audi-Ende in der DTM nach 142 Siegen?
Dass man mit einem Audi die DTM-Meisterschaft gewinnen kann, hätten die Äbte dieses Jahr beinahe bewiesen. Kelvin van der Linde schrammte nur knapp am Titelgewinn vorbei und hätte seinem Team sowie womöglich Audi damit ein höchst emotionales Abschiedsgeschenk bereitet. Beim Saisonfinale in Hockenheim hatte der Deutsch-Südafrikaner mit seinem Sieg am Samstag noch einmal die Gesamtführung vom späteren Meister Mirko Bortolotti übernommen - es war der 142. Rennsieg eines Audi in der DTM-Geschichte.
Bis zuletzt hielt Abt Sportsline dem Autobauer aus Ingolstadt die Treue, obwohl die bisherige Werksunterstützung im Kundensport eingestellt worden ist. Der Vorstand um den damaligen CEO Markus Duesmann hatte alle Motorsport-Aktivitäten zu Gunsten des geplanten Formel-1-Einstieges gekappt und damit eine Welle der Empörung losgetreten. Auch für die Äbte ist nun nach 25 Jahren DTM mit Audi Feierabend.
"Wir haben verlängert in der Hoffnung, dass der Kundensport bei Audi weitergeführt wird", sagt Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk zu Motorsport-Magazin.com. "Das war im Nachgang leider nicht der Fall. Wir haben die Saison mit großem Stolz und zusammen mit Audi beendet. Aber irgendwann kommt die Zeit, ein Kapitel zu schließen und ein neues zu öffnen."
GT3-Audi nicht mehr im Vertrieb, aber weiter konkurrenzfähig
Mit dem in die Jahre gekommenen Audi R8 LMS GT3 Evo2 hätten die Äbte in Eigenregie größtenteils "am Limit" operiert, doch das Auto erwies sich im Zusammenspiel mit der Balance of Performance als sieg- und meisterschaftsfähig. Interessierte Teams können nach dem Vorstandsbeschluss keine neuen GT3-Audi mehr bestellen, rund um die Welt sind aber hunderte Fahrzeuge im Einsatz. So gewann unter anderem das Team Scherer Sport PHX dieses Jahr das 24h-Rennen Nürburgring mit einem Privat-Audi.
"Durch die Balance of Performance wird das Feld einbalanciert", erklärt Audi-Kundensport-Leiter Reinke. "Wir müssen aber auch ehrlich sein: Irgendwann wird die Produktsubstanz des Autos ein Alter erreicht haben, wo andere Technologien den aktuellen Stand der Technik abbilden. Aber aktuell haben wir ein Fahrzeug, was zwar nicht mehr im Vertrieb erhältlich, aber durchaus noch konkurrenzfähig ist."
In der GT World Challenge erfreuen sich die 'alten' Audi weiterhin großer Beliebtheit. Vor einer Woche in Barcelona mischten sich sogar acht R8 LMS GT3 ins Feld der rund 30 GT3-Fahrzeuge. Teams wie Sainteloc, Attempto oder Eastalent Racing setzen den V10-Sportwagen weiterhin ein. Kunden erhalten mit dem Audi nicht nur ein komplett ausentwickeltes Auto, sondern auch eines, das bei den laufenden Kosten zur absoluten Spitze zählt.
"Sie kriegen auch einen weltweiten Teileservice und Engineering Support", ergänzt Reinke. "Was wir im nächsten Jahr nicht mehr bedienen, ist die Unterstützung der Teams mit Profi-Rennfahrern. Das ist eine Veränderung zur Vergangenheit, öffnet aber auch die Chance, dort selbst mitzugestalten. Gleichzeitig haben wir sehr überschaubare operative Kosten. Ich glaube, dass man für sehr moderate Kosten meisterschaftsfähig ist mit einem Audi R8 LMS GT3."
Traut sich ein Audi-Team doch noch den DTM-Einstieg?
In Top-Rennserien wie der DTM könnte es für private Teams jedoch schwierig werden, ohne erweiterte Unterstützung konkurrenzfähig zu sein. Rennställe wie SSR-Lamborghini oder Manthey-Porsche arbeiten eng mit den Werken zusammen und erhalten unter anderem eine finanzielle Unterstützung, kostenlose Ersatzteile oder abgestellte Werksfahrer. Audi-Teams wären hier komplett auf sich alleine gestellt und müssten die gesamten Kosten selbst stemmen.
Audi Sport Customer Racing ist unterdessen weiterhin bestrebt, seine Kunden im Rahmen der Möglichkeiten zu unterstützen. Ein Testfahrzeug befindet sich im Bestand, um etwa auf Homologationsanpassungen reagieren zu können. Ebenso werden damit die neuen Pirelli-Slickreifen getestet, die 2025 unter anderem in der DTM zum Einsatz kommen. Ob sich davon ein professionelles Team überzeugen lässt?
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