Bei herrlichem Sonnenschein und damit besten äußeren Bedingungen haben sich bis auf die Teams Abt (Audi) und Schubert (BMW) alle anderen DTM-Mannschaften und 23 der insgesamt 28 Fahrer auf der 3,629 km langen Kurzanbindung der Grand-Prix-Strecke auf die zweite Saisonhälfte der DTM vorbereitet.

Schubert Motorsport fehlte wegen seines zeitgleichen Engagements beim ADAC GT Masters auf dem Lausitzring. Die Mannschaft aus Oschersleben hätte gut und gerne auf den dortigen Start verzichten können, weil für sie schon vor dem ersten Qualifying feststand, dass der BMW M4 GT3 wegen einer erneuten BoP-Änderung und damit noch weiter verschlechterter Performance nicht konkurrenzfähig sein würde. Teamchef Torsten Schubert und seine Fahrer übten deshalb harte Kritik an Verantwortlichen und wurden dabei auch durch die schlechten Resultate bestätigt.

Die Junioren Ben Green und Niklas Krütten standen in der drittletzten Startreihe des ersten Rennens und die beiden BMW-Werksfahrer Nick Catsburg und Jesse Krohn sogar in der letzten. Interessant ist dabei der Hintergrund, dass die Schubert-Truppe beim DTM-Event vor drei Monaten an gleicher Stelle mit BMW-Werksfahrer Sheldon van der Linde einen Doppelsieg gefeiert hatte - allerdings auf einer anderen Streckenvariante, die für den M4, vor allem wegen der Hochgeschwindigkeits-Ovalkurve eins, wie maßgeschneidert war.

Foto: DTM
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Warum fehlte Abt beim Nürburgring-Test?

Das für viele überraschende Fehlen der Äbte kommentierte Teamchef Thomas Biermaier mit einem Schmunzeln, bevor er ernsthaft versicherte, man hätte genügend Daten für den Nürburgring-Event vorliegen, um ruhigen Gewissens auf diesen Test verzichten zu können. Auf die Frage, wann das Team Abt Sportsline das letzte Mal auf der 3,629 km langen Kurzanbindung der Grand-Prix-Strecke getestet hätte, betonte Biermaier ohne zu zögern: "Daran kann ich mich ehrlich gesagt, gar nicht erinnern!"

Diese mögliche Tatsache zeugt von einer großen Portion Selbstvertrauen, das auch dem punktbesten Abt-Piloten Rene Rast geschuldet ist, der sich zuletzt und - wieder einmal - zur rechten Zeit auf einem Höhenflug befindet und der sich nach der für ihn feststehenden Zukunft jetzt voll auf seinen Job konzentrieren kann.

Versteckspiel in der Eifel

Von Höhenflügen bezüglich gefahrener Rundenzeiten konnte am Nürburgring dagegen nicht die Rede sein. Es wurden - wie üblich - nicht alle Karten aufgedeckt, was auch an der absoluten Tagesbestzeit von Maro Engel im GruppeM-Mercedes-AMG GT3 abzulesen war. Dem Wahl-Monegassen fehlten auf die letztjährige Qualifying-Bestzeit (1:26.052 Minuten) von Abt-Fahrer Kelvin van der Linde rund sechs Zehntelsekunden - eine DTM-Welt. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass einige Fahrer augenscheinlich ohne Transponder unterwegs waren und deshalb gar keine Zeiten erfasst wurden. Solche Spielereien gehören in der DTM dazu.

Das man durchaus Topzeiten hätte erzielen können, lag auch an der Tatsache, dass allen Teams neue Reifensätze zur Verfügung standen. Dabei gab es allerdings unterschiedliche Aussagen: Die einen sprachen von zwei Sätzen pro Auto, andere sogar von drei, die die DTM-Dachorganisation ITR aus einem Michelin-Kontingent zu einem günstigeren Preis (2.000 Euro pro Satz) angeboten hatte.

Dazu muss man wissen, dass seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine das schwarze Gold sprichwörtlich viel Wert ist, denn wichtige Rohstoffe kommen beispielsweise aus Russland. Die ITR hat bestätigt, dass bei allen noch kommenden vier Events die vom Reglement vorgesehenen Reifensätze gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt werden. Insofern gibt es also im Gegensatz zu den Testfahrten wohl keine Probleme.

Foto: DTM
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Sorgen um die Reifen-Kontingente

Das wurde auch durch unseren Blick in alle Boxen bestätigt. Im Gegenteil: Wir sind bei unserer "Entdeckungsreise" auf erstaunlich viele neue Reifensätze gestoßen, die nicht nur in den Boxen, sondern auch dahinter in LKWs lagerten. Dieser Fakt bedeutet zum einen, dass nicht nur genügend Reifen, sondern damit verbunden auch offenbar noch prall gefüllte Kassen vorhanden sind. Auf unsere Nachfrage bei Teams vor Ort, woher all die Reifen denn kommen, haben wir interessante und unterschiedliche Antworten erhalten.

Dabei spielen weniger die ITR und Michelin eine Rolle, sondern vielmehr gute Beziehungen, ein perfektes Netzwerk, persönliche Kontakte, andere Rennserien und noch weitere Details, die man nicht an die Öffentlichkeit bringen wollte, eine Rolle.

Allerdings, und jetzt wird es interessant, machen sich viele Verantwortliche bei den Teams Sorgen, wie lange es den jetzigen Nachschub an Reifen noch gibt. An ein kurzfristiges Ende der Problematik glauben nur die Allerwenigsten, weil momentan niemand sagen kann, wann der Krieg endet. Davon ist im Übrigen nicht nur der Rennsport weltweit, sondern vor allem auch die Industrie bezüglich der Produktion von Serienreifen betroffen.

Die Reifenknappheit ist in der Tat allgegenwärtig. So versuchen die Teams mit gebrauchten Reifen möglichst viele Runden abzuspulen, wie sie noch zu verantworten ist. Dabei fiel uns auf, dass bei einigen Slicks schon der Draht auf der Reifenflanke das Licht der Welt erblickte. Klar sind sich aber alle Beteiligten, dass man gleich zu Hause bleiben kann, wenn ausschließlich nur gebrauchte Reifen zur Verfügung stehen.

Foto: LAT Images
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Reuter: Meisterschaft wird an schlechten Wochenenden entschieden

Wie ernsthaft sich alle Teams auf die zweite Saisonhälfte, die am kommenden Wochenende an gleicher Stelle über die Bühne geht, vorbereitet haben, wird durch etliche Testfahrten auf den Rennstrecken in Spa, Spielberg und Hockenheim, die noch auf die DTM-Protagonisten warten, bewiesen. Die achtwöchige Sommerpause konnte dazu perfekt genutzt werden.

Im Gegensatz zu den Äbten war deren nach Meinung von Radio Fahrerlager größter Konkurrent, das Grasser Racing Team (GRT) mit voller "Kapelle", also allen vier Lamborghini Huracan GT3 und einem Testteam vor Ort. Die engagierten Italiener wollen das österreichische Team mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, was u. a. auch das Lambo-Team T3 Motorsport, das sich aus der DTM verabschiedet hat, nach eigenen Aussagen zu spüren bekommen hat.

GRT-Teamdirektor Manuel Reuter sieht im zu erwartenden, spannenden Zwei- oder Mehrkampf nicht unbedingt die BoP-Einstufungen als den Schlüssel zum Erfolg. "Der Lambo funktioniert eigentlich überall. Ich glaube, die Meisterschaft wird an den schlechten Wochenenden entschieden", meint der gebürtige Mainzer.

Will heißen: Dass diejenigen, die nach Fehlern von Fahrern und Teams immer noch in der Lage sind, einige wenige Punkte mitzunehmen, im Vorteil sein könnten. Dass nicht geplante Fehler passieren, haben ausgerechnet Bortolotti und das GRT-Team - unfreiwillig natürlich - schon dreimal bei nur vier Events 2022 bewiesen. Trotzdem führt der Lamborghini-Werksfahrer die Tabelle bei Halbzeit mit 89 Punkten an und liegt damit immer noch neun Punkte vor Sheldon van der Linde (Schubert-BMW/80) und zehn vor Rene Rast (Abt-Audi/79).

Nach DTM-Sieg: Porsche hat Blut geleckt

Bei Porsche hat man nach dem historischen ersten DTM-Triumph auf dem Norisring Blut geleckt. Thomas Preining hat die 42 Punkte im KÜS-Bernhard-911er in den letzten vier Rennen nicht nur dem verdienten Sieg in Nürnberg zu verdanken, sondern zuvor auch schon in Imola gepunktet. Nur Rast hat in diesem Zeitraum noch mehr Zähler (58) gesammelt.

Auch das zweite Porsche-Team SSR, das beim letztjährigen Gaststart auf dem Nürburgring mit einem zweiten und vierten Platz von Michael Ammermüller im Freien Training sowie Rang vier im zweiten Qualifying glänzte, könnte durchaus in der Lage sein, das Zünglein an der Waage im Titelkampf zu spielen...

Teamchef Timo Bernhard dämpft ein wenig die Erwartungen: "Von den jetzt kommenden Strecken sind Spa und Spielberg für unseren 911 eher schwierig. Trotzdem hoffen wir, den seit Imola anhaltenden, positiven Trend fortsetzen zu können.

17-Jähriger vor DTM-Debüt im Walkenhorst-BMW

Mit Spannung wird auch die DTM-Premiere des erst 17-jährigen Theo Oeverhaus erwartet. Der jüngste Starter aller Zeiten in der Traditions-Rennserie durfte bei den Testfahrten einen dritten Walkenhorst-BMW in den Traditionsfarben blau-weiß und einem bekannten, früheren F1-Sponsor (Allianz) des Autobauers aus München pilotieren und man merkte ihm beim Fachsimpeln in der Box förmlich die jetzt schon große Vorfreude auf sein Debüt an.

"In der DTM zu fahren, davon habe ich schon mit zehn Jahren geträumt, jetzt ist dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung gegangen", sagte der gebürtige Osnabrücker im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Ich werde mich nicht unter Druck setzen und hoffe, ein fehlerfreies Rennen zu fahren und ins Ziel zu kommen."

Walkenhorst-Teammanager Niclas Königbauer betont, dass ihm sein Schützling sehr am Herzen liegt. "Wir wollen mit dem Start von Theo zeigen, dass es auf der DTM-Plattform nach guten Leistungen in der Trophy weiter nach oben gehen kann. Bei der eigenen Initiative hat uns auch die ITR unterstützt." Theo Oeverhaus sei ein begnadeter Rennfahrer, "der DTM-Luft schnuppern und lernen soll. Dabei versuchen wir, ihn bestmöglich zu unterstützen."