Thomas, auf dem Norisring hast du den ersten Porsche-Sieg in der über 30-jährigen Geschichte der DTM erzielt. Ist dir dieses historische Ereignis eigentlich bewusst?
Thomas Preining: Ja, auf jeden Fall. Der Weg bis zum ersten DTM-Sieg war alles andere als einfach, das hat den Erfolg zusätzlich versüßt. Der motorsportliche Erfolg spielt für Porsche als Unternehmen ohnehin eine sehr wichtige Rolle - ein Sieg in der DTM stand aber noch auf der To-Do-Liste. Im Rennen selbst hat mich das nicht gestresst. Druck war aber schon da, weil ich gemerkt habe, dass ich wirklich was reißen kann, und weil sich die Situation bei all den Re-Starts immer wieder zugespitzt hat. Die Erwartungshaltung der Fans ist sicherlich auch groß, weil Porsche in all seinen Motorsport-Engagements erfolgreich ist. Dass jetzt geschafft und ein kleines Stück Geschichte geschrieben zu haben, macht mich stolz und sorgt für Hunger auf mehr.
Hast du das Gefühl, dass die DTM trotz des 2021 eingeführten GT3-Reglements, auf das schier unzählige weitere Rennserien weltweit setzen, einen besonderen Stellenwert hat?
Thomas Preining: Bekanntermaßen fährt die DTM inzwischen mit GT3-Autos, aber die Serie hat überhaupt nichts von ihrem Stellenwert verloren. Das war nicht irgendein GT3-Rennen. Meiner Meinung nach ist die DTM in Europa nach der Formel 1 eine der absoluten Top-Rennserien. Das ist schon etwas wert, wenn du hier einen Erfolg erzielen kannst. Die Resonanz auf meinen Sieg war brutal! Am Samstag ging es los und dann bestimmt noch eine Woche weiter mit vielen Anrufen und Nachrichten. Das war echt viel, aber ich habe das sehr genossen.
Auf deiner Instagram-Seite hast du ein gemeinsames Foto mit dem im Dezember 2020 verstorbenen Teamchef Walter Lechner veröffentlicht und geschrieben, dass du den Sieg gerne zusammen mit ihm gefeiert hättest. Warum?
Thomas Preining: Ich kann heute verraten, dass wir für das DTM-Rennwochenende in Spielberg dazu etwas Besonderes geplant haben. Ich denke, dann wird noch ein bisschen deutlicher, wie eng Walter und ich waren und was er mir bedeutet. Natürlich hätte ich den DTM-Sieg gerne mit ihm geteilt, er war nicht nur mein Teamchef, sondern wie Familie für mich. Das gilt auch für seine Söhne. Wir konnten über 'Gott und die Welt' sprechen, ich habe ihn häufig zuhause besucht und wir hatten einfach eine tolle Zeit zusammen.
Dein Start in die DTM-Saison 2022 war schwierig, da kam der Sieg am Norisring eher überraschend. Hattest du damit gerechnet?
Thomas Preining: Wir hatten uns für den Saisonstart sicherlich etwas mehr erwartet. Gleichzeitig waren wir sicher, dass wir konkurrenzfähig sind und vorne mitfahren können. Um Rennen zu gewinnen, muss alles passen, vor allem in einer so hochkarätigen Serie wie der DTM. Die Konkurrenz ist brutal stark, da darf dir kein Fehler unterlaufen. Da muss von morgens bis abends alles stimmen. In Imola lief es bereits gut, da sind wir knapp am Podium vorbeigeschrammt.
Dein letzter Sieg davor lag eine ganze Weile zurück, 2019 im ADAC GT Masters...
Thomas Preining: Ja, das war eine lange Durststrecke. Die vergangenen beiden Jahre waren sicherlich die schwierigsten meiner bisherigen Karriere. 2020 mussten wegen Corona viele Programme gestrichen werden. Und wenn du wenig fährst, hast du wenig Chancen, etwas zu reißen. 2021 waren wir im ADAC GT Masters in der zweiten Saisonhälfte einige Mal dran, mit einem Sieg hat es aber nicht geklappt. Ich persönlich habe sicherlich einen Sprung über den Winter gemacht und mich weiterentwickelt. Jetzt arbeite ich daran, dieses Level zu halten und bei Punkten, in denen mich noch verbessern kann, weitere Fortschritte zu machen. Dass das DTM-Projekt sehr früh feststand, war ein Vorteil, weil wir frühzeitig mit der Vorbereitung beginnen konnten. Es gab einige neue Gesichter im Team und es war wichtig, sie schnell und effizient zu integrieren. Als einziger Fahrer im Team habe ich mir vorgenommen, eine Führungsrolle zu übernehmen und in gewissen Bereichen eine Richtung vorzugeben. Aus unterschiedlichen Gründen hat das anfangs noch nicht so ganz geklappt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Mittlerweile sind wir aber auf einem guten Weg und wissen, wie es geht. Das müssen wir jetzt immer wieder umsetzen.
Wie gehst du persönlich mit Rückschlägen im Motorsport um?
Thomas Preining: Nach einem schwierigen Rennen habe ich es immer als einfacher gefunden, direkt am nächsten Tag weiterzumachen mit Simulator-Arbeit oder Training. Je schneller man damit loslegt, desto weniger Zeit hat man, auf negative Gedanken zu kommen. Sonst ist das wie ein Strudel, man zieht sich selbst immer weiter runter. Das ist extrem kontraproduktiv. Klar, vielleicht ist die Motivation nach einem vermasselten Rennwochenende nicht immer direkt da und mit einem Sieg trainiert es sich deutlich leichter. Ich habe natürlich Freunde und Familie, die mir durch schwierige Phasen hindurchhelfen. Wenn du aber viel reist und dann mal auf dich allein gestellt bist, brauchst du Methoden, um schnell wieder das richtige Mindset zu finden.
Beim KÜS Team Bernhard startest du als einziger Fahrer. Ist das ein Vor- oder eher Nachteil?
Thomas Preining: Ich hatte nie zuvor die Situation, der einzige Fahrer im Team zu sein. Vor dem Saisonstart dachte ich, dass das ein Vorteil sein könnte, weil der ganze Fokus des Teams auf meinem Auto liegt und keine Ressourcen geteilt werden müssen. Das stimmt auch, außerdem gibt es einen begrenzten Datenaustausch mit SSR, dem anderen Porsche-Team in der DTM. Schwierig finde ich ehrlich gesagt die Wartezeit zwischen den Sessions, wenn gerade keine Datenanalyse oder ein Austausch mit den Ingenieuren ansteht. Wenn du dann einen Teamkollegen hast, ist die Stimmung entspannter und lockerer. Wenn du alleine im Team bist, konzentrierst du dich ausschließlich auf die Arbeit und es fehlt einfach ein gewisser Ausgleich. Dann kannst du mental schon mal platt sein, bevor es überhaupt losgeht. Das war zu Saisonbeginn extrem schwierig für mich. Ich hatte gar nicht erwartet, dass ich mir damit schwertun würde. Wir haben aber daran gearbeitet und einige Dinge umgestellt. Ganz generell ist es sicherlich einfacher mit zwei Autos im Team.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit deinem Teamchef und gleichzeitig einem der erfolgreichsten Porsche-Fahrer aller Zeiten, Timo Bernhard?
Thomas Preining: Timo ist natürlich bei allen Meetings dabei. Ich sehe ihn vor allem in einer beratenden Funktion, weil er sich nicht bei jedem Kram einmischt, um es mal so auszudrücken. Er könnte mit seiner riesigen Erfahrung bestimmt bei jedem noch so kleinen Aspekt seinen Input geben, aber meist lässt er uns machen und wir ziehen das Programm durch, wie der Ingenieur und ich das uns vorstellen. Oft gehen wir auf Timo zu und sein Input ist ausschließlich positiv, weil er gefühlt 100 Mal so viel Erfahrung hat wie ich. Er weiß sehr genau, was ein Fahrer braucht, bevor es losgeht. Wenn du dir das Auto nicht mit einem anderen Fahrer teilen musst, haben wir Rennfahrer nun mal Eigenheiten und Sonderwünsche, ob beim Setup oder in der Teamstruktur. Timo versteht das komplett und macht einen tollen Job.
Auf dem Norisring hast du das Samstagsrennen gewonnen, am Sonntag wartete direkt der nächste Renntag. Hattet ihr im Team eigentlich Zeit, den Sieg zu feiern?
Thomas Preining: Ich hatte nicht mal Zeit, den Sieg selbst richtig zu feiern! Ich kam erst einige Stunden nach der Siegerehrung zurück in die Teamgarage, weil ich davor wie ein 'Wanderpokal' herumgereicht wurde. Das ist einerseits sehr schön, denn wenn du Zehnter wirst, interessiert sich niemand für dich. Andererseits hätte ich auch gerne sofort mit dem Team und Timo gefeiert. Wir haben natürlich gesprochen und uns gefreut, aber kurz danach ging es direkt weiter mit der Vorbereitung auf den Rennsonntag. Selbst wenn du gewinnst, gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Und das haben wir mit Platz neun im zweiten Rennen trotz Erfolgsballast ganz gut umgesetzt.
Du bist Porsche-Werksfahrer, hast 2018 den Carrera Cup Deutschland gewonnen, bist in Le Mans, auf dem Nürburgring, in Spa und Bathurst gestartet. In Deutschland hatten dich viele Motorsport-Fans bislang aber eher weniger auf dem Radar. Wie siehst du das?
Thomas Preining: Das kann ich schwer einschätzen. Sicherlich waren die letzten beiden Jahre schwierig, davor war ich mehr auf dem Radar der Öffentlichkeit. Grundsätzlich hoffe ich, dass ich das jetzt ändert und ich an die guten Leistungen vom Norisring anknüpfen kann. Dann sollten mich schon einige auf dem Schirm haben.
Ist das Interesse an Rennfahrern in der DTM größer, weil sie sich das Auto nicht mit Teamkollegen teilen müssen?
Thomas Preining: Mit Sicherheit ist das Interesse groß. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob das daran liegt, dass du alleine im Auto sitzt, oder daran, weil es einfach die DTM ist. Die DTM ist mit Blick auf die Plattform schon eine andere Größenordnung als die meisten anderen Rennserien. Das gesteigerte Interesse lenkt mich aber überhaupt nicht von meiner Arbeit ab. Es ist immer eine Art der Wertschätzung, wenn sich jemand für dich persönlich oder für deine Leistungen interessiert.
GT3-Autos wurden einst vor allem für den Amateur-Rennsport entwickelt. Kann man als Profi angesichts von Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle überhaupt noch einen Unterschied machen?
Thomas Preining: Auf jeden Fall kannst du als Fahrer einen Unterschied ausmachen. Sowohl auf einer schnellen Runde im Qualifying als auch im Rennen, wo es vor allem um die Konstanz auf dem höchstmöglichen Niveau geht. Das ist der Schlüssel. Das ist schwieriger als je zuvor, weil es eben so eng ist. Aber nicht, weil die Autos einfach zu fahren sind, sondern, weil nur Top-Profis am Start stehen. Wenn in der Formel 1 die acht, neun besten Fahrer alle mit dem gleichen Auto fahren würden, ging es da auch ultra-eng zu Gange. Kein Rennfahrer lobt gerne andere Fahrer von der Konkurrenz, aber bei Rene Rast sieht man einfach, wie gut der ist. Der ist immer vorne dabei und nimmt das Maximum mit. Bei ihm siehst du keinen Fehler, kein verhauenes Qualifying oder einen schlechten Start. Der macht jedes Wochenende seinen Job. So kannst du den Unterschied machen und darauf arbeite ich hin.
Wo siehst du noch Luft nach oben in deiner fahrerischen Entwicklung?
Thomas Preining: Viel schneller werde ich mit Blick auf meinen Grundspeed wahrscheinlich nicht mehr. Es sind aber viele andere Dinge, vieles kommt einfach mit der wachsenden Erfahrung. Oder auch haargenauen Datenanalysen, vor allem in der Winter- oder Sommerpause, aus denen man lernen kann. Arbeiten kann ich noch an meiner Konstanz. Damit meine ich aber nicht, in jeder Runde die gleichen Zeiten zu fahren, das gelingt mir meist sehr gut. Ich meine eher, an jedem einzelnen Rennwochenende abzuliefern und konstant das Maximum aus dem verfügbaren Paket herauszuholen.
Porsche kehrt 2023 mit einem LMDh-Auto in die gesamtsiegfähigen Klassen von Le Mans und Daytona zurück. Du stehst aktuell nicht im Aufgebot für dieses Projekt. Wäre das in Zukunft interessant für dich?
Thomas Preining: Über meine Zukunft kann ich noch nichts sagen. Mein Fokus liegt komplett auf dem aktuellen DTM-Programm. Ich wollte schon immer in der DTM fahren und endlich ist auch Porsche dabei. Ich genieße das Sprint-Format sehr, aber bei Langstreckenrennen wie Le Mans oder Daytona mit Porsche um Gesamtsiege kämpfen zu können, wäre auch ein Traum.
diese DTM Interview