In einem Interview, das Motorsport-Magazin.com am Dienstag (Ortszeit) mit Mike Rockenfeller in Concord (US-Bundesstatt North Carolina) geführt hat, verrät der in Landschlacht lebende Wahl-Schweizer die Hintergründe zu dem überraschenden NASCAR-Coup.

"Ich kenne die France-Familie und insbesondere Jim France (CEO der NASCAR-Rennserien), dem auch das Team Action Express Racing (AXR), für das ich in diesem Jahr in der US-IMSA-Serie die Langstreckenrennen bestreite, schon länger. Zudem sind in meinem IMSA-Team AXR auch Chad Knaus (CEO bei Hendrick Motorsports und der einzige NASCAR-Teamchef, der fünf aufeinanderfolgende Meisterschaften gewonnen hat, d. Red.) und sein früherer Fahrer Jimmie Johnson involviert." So schloss sich der Kreis zudem auch Hendrick- und Spire Motorsports gehören, die in der NASCAR zusammenarbeiten.

"Obwohl es zuvor lockere Gespräche gab, kam der Deal für mich völlig überraschend vor zehn Tagen zustande. Gestern habe ich einen Drogentest gemacht und am Freitag dieser Woche findet ein Geheimtest statt." Dabei kann sich der DTM-Champion von 2013 auf sein NASCAR-Abenteuer vorbereiten.

"Ich freue mich sehr und bin glücklich, dass ich vom Team Spire Motorsports die Chance erhalte, in der höchsten amerikanischen NASCAR-Serie mit einem Chevrolet Camaro an den Start gehen zu können. Damit geht für mich ein wirklicher Traum in Erfüllung. Schon als Kind und Jugendlicher haben mir diese Rennen in Nordamerika gefallen und als ich zu Beginn des Jahrtausends selbst Profi-Rennfahrer geworden bin, hatte ich stets einen Blick auf die NASCAR. 2003 habe ich mit dem berühmten Daytona 500 mein erstes NASCAR-Rennen live vor Ort erlebt. Seither habe ich die NASCAR-Szene intensiv verfolgt." Durch den Kontakt zu seinem AXR-Teamkollegen, dem NASCAR-Rekordchampion Jimmie Johnson, wurden die Eindrücke noch vertieft.

Foto: Spire Motorsports
Foto: Spire Motorsports

"Jimmie (Johnson) ist einer der großen Stars und Helden in der NASCAR. Seit er bei den IMSA-Langstreckenrennen mein AER-Teamkollege ist, wuchsen mein Respekt und die Achtung für die NASCAR noch mehr. Ich finde die Rennen einfach gut und spektakulär. Das fahrerische Niveau ist extrem hoch - die Leistungsdichte ebenso. In der höchsten NASCAR-Liga treten die erfolgreichsten und schnellsten Fahrer aus Nord- und Südamerika gegeneinander an und kämpfen Rad an Rad, Spiegel gegen Spiegel, um jeden Zentimeter auf der Rennstrecke."

In keiner anderen Rennserie auf der Welt wird bei einem Topspeed von mehr als 300 km/h so intensiv und im Millimeterabstand um Plätze und Punkte gerungen. Das ist es, was vor allem zehntausende US-Fans lieben, spektakuläres Racing, in dem oftmals Massenunfälle an der Tagesordnung sind.

"Ganz ehrlich, auch wenn die beiden Rennen nicht auf Oval-Kursen, sondern auf Rundstrecken ausgetragen werden, bin ich bei der Herangehensweise ganz demütig. Mein Wunsch ist, ins Ziel zu kommen und mich dabei bestmöglich zu verkaufen." Ob sein erst 2018 gegründetes NASCAR-Team Spire Motorsports dazu in der Lage ist, wird sich noch zeigen.

Foto: LAT Images
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"Der Rundstreckenkurs in Watkins Glen ist keine einfache Rennstrecke. Mir ist bewusst, was mich dort erwartet, weil ich ein Rookie bin. Ich habe Respekt und weiß um die große Herausforderung." Beim 6h-Rennen der IMSA-Serie hat Rocky am 26.06. dieses Jahres auf der 5,552 km langen Naturrennstrecke gemeinsam mit seinen Teamkollegen Jimmie Johnson und Kamui Kobayashi im AXR-Cadillac DPi Platz sechs belegt.

"Natürlich muss ich ganz schnell viel lernen, denn Erfahrung ist in der NASCAR sehr wichtig, hilfreich und mitentscheidend für einen möglichen Erfolg. Ich habe die DTM im Tourenwagen gewonnen, war siegreich bei den Langstreckenklassikern in Le Mans, Daytona und Sebring mit den schnellen Sport-Prototypen. Nun bin ich bereit, gegen die Besten der amerikanischen NASCAR-Serien anzutreten."

Mit den deutschsprachigen Fahrern Mattias Ekström und Klaus Graf, die in der Vergangenheit in der NASCAR schon an den Start gegangen sind und dabei erlebt haben, wie schwer diese Aufgabe ist, hatte der 38 Jahre alte Rockenfeller noch keinen Kontakt.

Foto: Getty Images / NASCAR
Foto: Getty Images / NASCAR

Die 36 Saisonrennen der höchsten NASCAR-Liga finden vornehmlich auf Oval-Kursen, aber auch auf herkömmlichen klassischen Rundstrecken wie wir sie hierzulande kennen, statt. In Nordamerika gehören neben Watkins Glen und Charlotte noch Austin, Sonoma, Road America und Indianapolis dazu. Charlotte am 09.10. ist übrigens der einzige Rundkurs, der in den zehn Playoff-Rennen der Topliga, die ab 04.09. dieses Jahres über die Bühne gehen, im Rennkalender 2022 berücksichtigt wurde.

Rockenfeller betont abschließend, dass die beiden NASCAR-Rennen keinen Bezug nehmen auf ein mögliches Engagement im kommenden Jahr. "Das ist aktuell kein Thema, aber kategorisch ausschließen will ich es auch nicht - man sollte schließlich niemals nie sagen."

Das Besondere an dem Event in Watkins Glen ist die Tatsache, dass NASCAR-Neuling Rockenfeller bei seiner Rennpremiere in der populärsten Tourenwagenserie der Welt auch auf den früheren Formel-1-Weltmeister Kimi Raikkönen aus Finnland trifft, der in einem Trackhouse-Chevrolet ebenfalls sein erstes Rennen in der höchsten der drei NASCAR-Topligen bestreitet. In der 38-köpfigen Teilnehmerliste steht u. a. noch der ehemalige russische Formel-1-Fahrer Daniil Kwiat, der im Toyota des Hezeberg-Teams an den Start geht.