Es wird immer voller im bunten GT3-Zoo: Zu den Stieren aus Sant'Agata, dem Stuttgarter Rössle oder dem aus Maranello stammendem Cavallino Rampante gesellt sich in diesem Jahr auch noch ein wilder Mustang aus Dearborn, Michigan. Mit dem brandneuen Ford Mustang GT3 will der US-Autobauer jetzt die etablierte Kundensportwagen-Szene bestehend aus 14 weltweit engagierten Marken aufmischen. "Das ist ein echter Mustang!", machte Larry Holt, der legendäre Motorsportchef von Ford-Partner Multimatic, am Rande der Rennpremiere bei den 24 Stunden von Daytona deutlich.
Mister Holt, der mit seinen grauen Rasta-Locken einen ähnlich ungezähmten Eindruck macht wie die dem Fahrzeug namensgebenden Wildpferde aus Nordamerika, weiß, wovon der spricht. Zwischen 2016 und 2019 setzte unter seiner Leitung der Großzulieferer Multimatic den Ford GT unter anderem bei den 24 Stunden von Le Mans ein und feierte nicht zuletzt dank einer großzügigen Balance of Performance auf Anhieb einen fulminanten Dreifachklassensieg beim französischen Langstreckenklassiker - exakt 50 Jahre nach dem letzten Ford-Triumph in Le Mans.
"Der Mustang ist mehr als ein American Car!"
Die Flachflunder Ford GT aus der GTE-Klasse ist inzwischen genauso Geschichte die wie Sportwagen-Kategorie selbst in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC. An ihre Stelle rückt dieses Jahr erstmals die kostengünstigere GT3-Kategorie, und mit ihr mehr als ein Dutzend Hersteller jeglicher Couleur. "Der Mustang ist mehr als ein American Car! Wir treten damit weltweit gegen die Big Guys an", kündigte Fords Programm-Chefingenieur Greg Goodall den globalen Angriff auf europäische Nobel-Konkurrenten wie Mercedes-AMG, Aston Martin oder Lexus an.
Beim ersten GT3-Mustang handelt es sich tatsächlich um mehr als ein Pony Car aus den Staaten: Für die Entwicklung zeichnete wie erwähnt der langjährige Partner Multimatic aus Kanada verantwortlich, der unter anderem auch Porsche mit LMDh-Chassis beliefert und für Mercedes-AMG die Motorsport-Teileversorgung in den USA stellt. Der Rennmotor stammt unterdessen aus der bekannten britischen Motorenschmiede von M-Sport. Und mit Mike Rockenfeller, Christopher Mies sowie Dirk Müller zählen gleich drei prominente und erfolgreiche Fahrer aus Deutschland zum hauseigen Werksfahrerkader.
Ford Mustang GT3: V8-Saugmotor aufgebohrt
Sehr amerikanisch geht es aber unter der Motorhaube mit ihren voluminösen Lufteinlässen zu. Während sich immer mehr Hersteller mit Turbo-befeuerten GT3-Fahrzeugen nicht zuletzt einen Vorteil bei der schwierig auszubalancierenden BoP erhoffen, kommt bei Ford natürlich keine Zwangsbeatmung in die Tüte. Der Mustang rennt stilecht mit reiner Sauger-Power aus dem V8-Aggregat. This is America, alles andere wäre wohl auch Frevel.
Um aber ein breiteres Performance-Fenster für die Balance of Performance erreichen zu können, bohrte M-Sport den 5,0-Liter-Motor aus der Serie auf ein Rennaggregat mit 5,4 Litern Volumen auf. Ähnlich hielten es auch Porsche mit dem 4,2-Liter-Sechszylinder im aktuellen 911 GT3 R oder Lexus mit seinem 5,4-Liter-Motor anstelle der 5,0-Liter-V8-Straßenversion im RC F.
Mike Rockenfeller: "Fans in Europa werden den Mustang lieben"
Die Abgase werden im Ford Mustang GT3 stilecht durch Sidepipes an den unteren, ausladenden Schürzen abgeführt, ähnlich wie beim Mercedes-AMG GT3. Dabei bewahrt der Mustang seinen sonor brummenden 8-Zylinder-Sound als Alleinstellungsmerkmal, wie beim Renndebüt auf dem Ovalkurs von Daytona von der gigantischen Haupttribüne nicht zu überhören war.
"Das Auto hat hier in den USA ohnehin eine riesengroße Fanbase, und auch in Europa werden die Fans den Mustang lieben", war der frühere DTM-Champion, Le-Mans- und Daytona-Sieger von Audi sowie frischgebackene Ford-Werkspilot, Mike Rockenfeller, überzeugt. Bei der Premiere auf dem Daytona International Speedway belegte der bestplatzierte der beiden Multimatic-Mustang den sechsten Platz in der 13 Fahrzeuge umfassenden GTD-Pro-Kategorie.
"Das wird bestimmt ein Fan-Liebling, weil das Auto groß ist und anders aussieht", erklärte Deutschlands letzter Daytona-Sieger, der mit auffälligen Boliden spätestens seit dem spektakulären Garage-56-Gaststart eines NASCAR-Camaro in Le Mans bestens vertraut ist.
US-Klassiker: Mehr als zehn Millionen Ford Mustang verkauft
Während der Mustang auf europäischen Straßen zu den Exoten zählt, bleibt der V8-Dampfhammer in den Staaten ein Hit: Im Jahr 2018 lief der zehnmillionste Mustang vom Band des zweitgrößten Autoherstellers in den USA nach General Motors. Was einst 1964 mit dem Ur-Mustang seinen Lauf genommen hatte, befindet sich aktuell in seiner siebten Modellgeneration. Die GT3-Variante ist abgeleitet vom sogenannten Mustang Dark Horse, der es in der Serie auf eine Leistung von 500 PS bringt und ab 60.000 Dollar zu haben ist.
Der Rennwagen bewegt sich je nach BoP-Einstufung im GT3-üblichen Leistungsfenster zwischen 550 und 600 Pferdestärken. Die Planungen für den erstmaligen Werkseinstieg in die boomende Kundensportkategorie begannen im Jahr 2021, wie Ford-Motorsportchef Mark Rushbrook dem Motorsport-Magazin in Daytona erklärte: "Mit dem GTE-Projekt waren wir auf die IMSA und WEC eingeschränkt. Durch das Kundenprogramm können unsere Autos jetzt in so viel mehr Rennen und Rennserien fahren. Der Mustang ist ein globaler Sportwagen, und deshalb wollen wir auch überall auf der Welt fahren."
Im ersten Schritt beschränkt sich das Programm auf werksunterstützte Einsätze in der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA, in der Langstrecken-WM WEC sowie in der GT World Challenge Europe mit den Kundenteams Proton Competition aus Deutschland sowie Dinamic GT. Testfahrten auf der Nürburgring-Nordschleife sind geplant, um 2025 im zweiten Einsatzjahr unter anderem beim 24h-Rennen Nürburgring oder auch in der DTM an den Start gehen zu können. "Wir produzieren derzeit rund zwei Autos pro Monat", rechnete Rushbrook vor. "Wegen der späten Homologation waren wir eingeschränkt. 2025 werden wir noch deutlich mehr GT3-Autos in Rennen sehen."
Irrer Heckflügel-Anbau am neuen GT3-Mustang
Ein Hingucker ist der Ford Mustang GT3 schon jetzt, wenn er voluminös im Rückspiegel des Vordermannes auftaucht. Die schmalen Frontscheinwerfer eingerahmt in ein ausladendes Chassis mit breiten Backen verleihen dem 'Stang den allseits beliebten Look eines echten All American Muscle Car. Auffällig ist die Lösung zur Anbringung des mächtigen Heckflügels, dessen Aufhängung bereits an der Mitte des Fließhecks ansetzt und dessen Flügelblatt formatfüllend über dem Heck samt ausladendem Diffusor thront.
"Das Konzept ist ganz anders als beim Audi", schilderte der zweimalige Nürburgring-Gesamtsieger und Ford-Neuzugang Christopher Mies seine Eindrücke. "Es ähnelt mehr dem BMW und Mercedes. Der Audi ist sehr agil und in engen Ecken deutlich wendiger. Der Ford mit seinem Frontmotor ist in Kurven nicht langsamer, aber du kannst nicht mehr so reinattackieren. Dafür verfügt das Auto über eine wahnsinnig gute Traktion und fährt sich sehr gutmütig. Ich finde das gut, denn du musst nicht immer überlegen, ob dich gleich die Hinterachse überholt. Mit zehn Schlägen weniger Puls kommst du genauso ins Ziel."
Moderne Technik im Ford Mustang GT3
Waren Serien-Mustangs in vergangenen Zeiten eher dafür bekannt, den Geradeaus-Highway unsicher zu machen statt auf kurvigen Landstraßen zu glänzen, nimmt das Handling gerade beim GT3-Boliden nun eine wesentliche Rolle ein. Die Gewichtsverteilung bezifferte Entwickler Holt trotz des Coyote-Motors an der Frontachse auf eine 50/50-Lösung. Das Sechsganggetriebe von Xtrac rückte für eine ausgewogenere Balance in Transaxle-Bauweise an die Hinterachse. Eine Doppelquerlenker-Aufhängung vorne und hinten sowie von Multimatic entwickelte, fünffach verstellbare DSSV-Dämpfer sollen den Mustang souverän auf der Fahrbahn halten.
"Die Gewichtsbalance ist sehr gut verteilt", stellte Rockenfeller fest. "Die engeren Ecken gehören wegen des größeren Radstands nicht unbedingt zur Spezialität des Autos. Dafür wird das Auto sehr stark sein in langen, schnellen Kurven, weil es sich gutmütig fährt. Deshalb ist der Mustang meiner Meinung nach auch ein gutes Auto für die Nordschleife."
Apropos Nordschleife: Welchen Stellenwert die 'Green Hell' beim US-Autogiganten genießt, zeigt sich auch bei einem anderen Projekt, ebenfalls unter der Federführung von Multimatic: Der Ford Mustang GTD, eine streng limitierte Straßenversion des GT3-Pendants mit gleicher Unterbodenstruktur, über 800 PS Power und DRS-Klappflügel, soll die magische 7-Minuten-Marke auf dem Nürburgring knacken. Das rund 300.000 Euro teure Auto soll Ende 2024 an gut betuchte Kunden ausgeliefert werden.
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Ford Mustang GT3 2024: Technische Spezifikationen
MOTOR | 5,4-Liter Coyote V8-Saugmotor |
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Bosch Motorsport MS6.4 Steuergerät | |
Trockensumpfschmiersystem | |
Kardanwelle aus Karbon | |
Vier-Scheiben AP Racing Kupplung | |
Sechsgang-Xtrac-Renngetriebe mit ESA-Schaltung | |
MEGA-line E-Clutch-Betätigung | |
CHASSIS | Vollständig abnehmbare vordere und hintere Hilfsrahmen |
Doppelquerlenker-Aufhängung vorne und hinten | |
Fünffach einstellbare Multimatic DSSV-Dämpfer | |
Alcon-Bremsscheiben, Bremssättel und einstellbare Pedalbox | |
Bosch Motorsport M5 ABS | |
18-Zoll American Racing Aluminiumfelgen | |
EXTERIEUR | Hochentwickeltes Aerodynamikpaket gemäß GT3-Reglement |
Schnellwechsel-Karosserieteile aus Karbonfaser | |
INTERIEUR | Maßgefertigter Recaro-Rennsitz, FIA-konform |
Integrierter, FIA-konformer Überrollkäfig | |
MoTeC C187 Armaturenbrett-Datenlogger | |
Bosch Motorsport CAS-M Kollisionsvermeidungssystem |
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