Rocky, seit dem DTM-Titelsieg stehst du medial verstärkt im Fokus. Wie gehst du damit um?
Mike Rockenfeller: Natürlich ist es nicht so schön, wenn es in Richtung Weihnachten geht, ich in meinen Kalender schaue und da nicht allzu viele freie Tage vorfinde. Aber das gehört dazu und für den Meistertitel nehme ich das auch gern in Kauf. Mir persönlich ist es aber nicht wichtig, ständig Interviews zu geben und im Fernsehen zu sein. Das ist ehrlich gesagt nicht der Teil des Motorsports, der mir Spaß macht.

Du giltst als Mensch, der Privatsphäre sehr schätzt. Das beißt sich doch mit den vielen Terminen und dem großen Interesse an deiner Person, oder?
Mike Rockenfeller: Das stimmt, aber es ist alles noch relativ entspannt. Es ist nicht so, dass mir die Leute auf der Straße hinterherrennen. In diesem Punkt hat sich nicht viel verändert. Ich bin jetzt mehr unterwegs, aber damit komme ich gut klar. Immerhin kann ich ein Wörtchen bei dem mitreden, was ich mache und was nicht. Zum Glück habe ich so viel Entscheidungsgewalt, dass ich Angebote aussortieren kann, je nachdem, ob ich es mit mir vereinbaren kann oder nicht. Alles easy. Der Hype ist eine gewisse Zeit lang und dann flacht es auch wieder ab.

Gab es einen bestimmten Moment, in dem du erstmals an den Titelgewinn gedacht hast?
Mike Rockenfeller: Ja, nach meinem fünften Platz am Norisring - einer Strecke, auf der ich mir traditionell schwer tue, auch wenn ich den Grund dafür nicht kenne. Im Qualifying standen wir hinten, mussten sogar das Getriebe wechseln - was den Bock auch nicht mehr fett gemacht hat - doch das Rennen verlief für mich super. Ich konnte sogar meine Führung in der Meisterschaft ausbauen. Da wusste ich, dass ich in diesem Jahr wirklich den Titel holen kann. Das ist vor jeder Saison mein Ziel. Wobei ich nach dem Vorjahr, als das Auto einfach nicht gut genug war für den Titelgewinn, meine Ziele ein wenig tiefer gesteckt hatte. Wir wussten ja nicht, wie nah wir an Mercedes und BMW dran sein würden. Mit den Regeländerungen, allen voran dem Option-Reifen, waren neue Karten im Spiel, die wir zum Glück bestens genutzt haben.

'Konstanz' und 'Mike Rockenfeller' waren 2013 zwei untrennbare Begriffe. Warum warst du in diesem Jahr so konstant, warum gelang dir das nicht schon zuvor?
Mike Rockenfeller: Das Auto war für uns viel berechenbarer. Wir wussten, an welchen Schrauben wir drehen mussten, damit es nach Problemen im Training, Qualifying und Rennen besser lief. Das war im Vorjahr nicht der Fall. 2011 war für uns ein sehr schwieriges Jahr und die vier Jahre zuvor sind wir im besten Fall um Platz sieben oder acht gefahren. Deswegen kann man die Jahre nicht miteinander vergleichen. Wenn ich 2012 und 2013 miteinander vergleiche, dann war der Unterschied ganz klar, dass wir vom Auto her besser aussortiert waren. Wir haben das Setup bereits im Winter verstanden und wussten den Option-Reifen zu nutzen. Ich wusste, wie ich den Reifen lange am Leben erhalte und darauf haben wir unsere Strategie ausgelegt.

Foto: Audi
Foto: Audi

Hast du auch als Fahrer einen Schritt nach vorn gemacht?
Mike Rockenfeller: Fahrerisch habe ich mich in den vergangenen sieben DTM-Jahren und fast 70 Rennen kaum verändert. Ohne überheblich klingen zu wollen, war mir immer klar, dass ich um den Titel fahren kann - wenn ich das richtige Auto dafür habe. Dieses Jahr hatte ich endlich alles, was ich brauchte. Es ist also nicht so, dass es erst nach sieben Anläufen in der DTM geklappt hat. Ich hatte in all dieser Zeit nie die Chance auf den Titelgewinn. Wenn ich in einem Auto gesessen wäre, mit dem mein Teamkollege den Titel gewonnen hat, dann hätte ich mir Sorgen gemacht. Aber das war nie der Fall und somit wusste ich, dass mein Tag irgendwann kommen wird.

Also du hast dich immer auf einem Level mit den Top-Fahrern gesehen?
Mike Rockenfeller: Ja. Ich glaube, dass ich immer in der Lage war, um den Titel zu kämpfen - auch vor vier Jahren schon. Immerhin habe ich schon vor der DTM andere Rennen und Meisterschaften gewonnen. Aber als Fahrer im Motorsport - und das sagt ja auch schon der Name - braucht man einen guten Motor beziehungsweise ein gutes Paket. In der heutigen DTM kannst du den Titel nicht holen, wenn du immer zwei, drei Zehntel zu langsam bist - den Unterschied kannst du als Fahrer nicht wettmachen. Das geht vielleicht mal in einem Rennen, aber nicht über das gesamte Jahr. Wenn das Material stimmt, dann kommt eins zum anderen. Wobei ich nicht sagen will, dass ich der Tollste bin und wir dieses Jahr alles richtig gemacht haben. Wir hatten manchmal auch das nötige Quäntchen Glück. Für den Titel braucht es eben alles. Wir haben auch innerhalb des Teams die Strukturen geändert, längere Meetings gehalten und uns besser vorbereitet - all diese Kleinigkeiten bringen da und dort ein Prozent und am Ende kommt dieses Ergebnis dabei heraus.

Wärest du dieses Jahr enttäuscht gewesen, wenn es mit der Meisterschaft nicht geklappt hätte?
Mike Rockenfeller: Auch wenn ich Vizemeister oder Dritter geworden wären, wäre das für mich eine tolle Leistung gewesen. Oftmals wird der Fehler gemacht, dass man sagt, der Zweite oder Dritte zählt nicht. Das ist im Prinzip auch so, im Motorsport zählt oft nur der Sieger beziehungsweise der Meister - aber die DTM ist dahingehend schon etwas verwöhnt. Wenn es in der Formel 1 keinen Schumacher oder Vettel geben würde, dann wäre jeder aus dem Häuschen, wenn ein Deutscher Vize-Weltmeister wird, aber in der DTM ist das nichts wert. Die Ansprüche an uns Deutsche sind derart hoch, da wird man als 15. sehr schnell abgestempelt. Man muss sich aber vorstellen, worüber wir hier reden: Dass drei Hersteller auf so einem hohen Niveau kämpfen, dass ein Fahrer mit zwei Zehntelsekunden Rückstand schon ganz weit hinten steht, gibt es in keiner anderen Rennserie auf der Welt. Ich behaupte einmal, dass es in der DTM keinen schlechten Fahrer gibt. Das macht es so schwierig, aber auch so besonders, hier zu gewinnen.

Auch, weil es in der DTM keine Bezahlfahrer gibt wie in der Formel 1?
Mike Rockenfeller: Definitiv. In der DTM gibt es keine Paydriver und das ist auch gut so. In anderen Rennserien ist das nicht der Fall, da ist auch das Material anders. Wenn du in der Formel 1 nicht in einem Red Bull sitzt, dann wirst du auch nicht Weltmeister. Bei uns sind die drei Hersteller wegen der vielen Einheitsteile und des engen Technischen Reglements auf dem gleichen Niveau. Die Formel 1 ist auch nicht einfach, aber wenn du beispielsweise in einem Red Bull sitzt, dann wirst du immer - wenn du ein guter Fahrer bist - vorne reinfahren. Ich sage nicht, dass du im Red Bull gleich Weltmeister wirst wie Sebastian Vettel. Vettel ist einfach herausragend. Du wirst aber vorne mitfahren und musst dich nicht ständig für 18. Plätze rechtfertigen. Das passiert hier in der DTM sehr schnell und deshalb sollten Journalisten uns DTM-Fahrer nicht so schnell abstempeln. Sie würden sich wundern, wie schwer sich aktuelle Formel-1-Fahrer in der DTM tun würden.

Foto: RACE-PRESS
Foto: RACE-PRESS

Also muss man als DTM-Fahrer ein besonders dickes Fell haben?
Mike Rockenfeller: Das lernt man mit der Zeit. Als junger Fahrer macht man oft den Fehler, die DTM zu unterschätzen, weil man von außen nicht sieht wie schwierig es ist. Viele kommen aus einer anderen Rennserie und glauben, sie könnten es besser als all die anderen. Das mag bei einem Rennen zutreffen, beim darauffolgen Rennen jedoch schon nicht mehr. In der DTM sind nur Top-Fahrer unterwegs. An einem guten Tag kann hier jeder Fahrer gewinnen. Wenn du das weißt, dann kannst du auch mit einem schlechten Ergebnis umgehen. Aber das kommt mit der Erfahrung.

Phoenix-Teamchef Ernst Moser sagte, dass dein Hang zum Perfektionismus deine Schwäche ist...
Mike Rockenfeller: Das kann beides sein. Wenn es um das Rennfahren geht, versuche ich schon perfekt zu sein. Da kann es dann schon einmal vorkommen wie in Moskau, als ich im Training vorne dabei war und im Meeting trotzdem ein langes Gesicht zog, weil ich nicht zufrieden war. Wobei Ernst in punkto Perfektion nicht weit von mir entfernt ist. Er pusht kontinuierlich, damit alles noch besser wird. Bei dem einen oder anderen Meeting gab es sicherlich schon hitzige Diskussionen zwischen uns, aber das ist auch gut so. Jeder hat seine Meinung und ich habe in dieser Hinsicht auch einen starken Charakter. Wenn ich mich in ein Thema verbeiße, dann kann das den Kollegen schon einmal auf die Nerven gehen. Aber jeder ist wie er ist. Natürlich habe ich meine Schwächen, die hat jeder Mensch. So lange aber das Positive überwiegt, passt alles.

Phoenix Racing stellte in den vergangenen drei Saisons zweimal den Meister. Wie groß ist der Anteil der Mannschaft am Erfolg?
Mike Rockenfeller: Der Anteil ist so groß wie bei den anderen Teams auch. Du brauchst als Fahrer ein Team, das motiviert ist, das Auto sauber vorbereitet, die Strategie richtig plant und wo die Boxenstopps passen. Das ganze Umfeld muss passen. Dass das bei Phoenix sehr gut funktioniert, haben die vergangenen drei Jahre bewiesen. Ich kann sagen, dass alle Leute im Team bodenständig und rennverrückt sind, da ist jeder motiviert. Meinen Hut ziehe ich vor allem vor unseren jungen Mechanikern, die mit dem Druck super zurechtgekommen sind. Es macht Spaß, ein Teil dieser Mannschaft zu sein.