An diesem Wochenende startet die Langstrecken-WM WEC in ihre zwölfte Saison - und das mit einem echten Hersteller-Andrang. In der Top-Klasse der Hypercars werden ganze neun Hersteller um die Gesamtsiege bei den acht Saisonrennen, inklusive der 24 Stunden von Le Mans, kämpfen. Mit dabei im Langstreckensport sind traditionell Fahrer mit Formel-1-Vergangenheit. Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf die Ex-F1-Fahrer im WEC-Starterfeld für den Saisonauftakt in Katar (Samstag, 02. März).

15 ehemalige GP-Starter werden das 10-Stunden-Rennen auf dem Losail International Circuit ausschließlich in der obersten Hypercar-Klasse bestreiten. In der neuen GT3-Kategorie ist kein Ex-Formel-1-Pilot vertreten. Das entspricht mehr als einem Viertel aller 57 Fahrer in der Hypercar-Kategorie.

Der Toyota GR010 Hybrid für die WEC und Le Mans 2024 von Toyota Gazoo Racing präsentiert
Toyota hat 2024 die meisten Piloten mit Formel-1-Erfahrung im Fahrer-Aufgebot, Foto: Toyota Gazoo Racing

Toyota mit größtem F1-Aufgebot

Die großen Dominatoren der vergangenen WEC-Saisons von Toyota verfügen 2024 über das größte Aufgebot an Ex-F1-Fahrern. Mit Neuzugang Nyck de Vries, Kamui Kobayashi, Brendon Hartley und Sebastien Buemi werden vier Piloten mit GP-Erfahrung in einem der beiden Toyota GR010 sitzen. Zusammen kommt das Quartett des japanischen Autobauers auf 168 GP-Starts. Lediglich Mike Conway und Ryo Hirakawa sind Toyota-Fahrer ohne Formel-1-Erfahrung.

Von großem Erfolg war jedoch keine ihrer Formel-1-Karrieren gekrönt. Kobayashi gelang als Einzigem ein Podestplatz beim Japan-Heimspiel 2012 im Sauber. Der heutige Toyota-Fahrer und Teamchef in Personalunion ging zwischen 2009 und 2014 bei 75 Rennen an den Start und wurde dreimal WM-Zwölfter. De Vries, Hartley und Buemi schafften hingegen alle mit Hilfe des Red-Bull-Konzerns den Sprung in die sogenannte Königsklasse des Motorsports.

Musste AlphaTauri 2023 nach nur zehn Rennen verlassen: Nyck de Vries, Foto: LAT Images
Musste AlphaTauri 2023 nach nur zehn Rennen verlassen: Nyck de Vries, Foto: LAT Images

Doch über das Junior-Team Toro Rosso/Alpha Tauri kam keiner von ihnen hinaus. De Vries verlor 2023 noch während der laufenden Saison sein Cockpit, auch Hartley musste nach etwas mehr als einem Jahr gehen. Buemi wiederum waren zwischen 2009 und 2011 drei Jahre vergönnt, danach war auch für den Schweizer Schluss. Bei einem anderen Team in der Formel 1 kam danach keiner von ihnen unter.

Dafür feierten Buemi, Hartley und Kobayashi mit Toyota große Erfolge in der WEC-Top-Klasse. Zusammen kommen die drei Fahrer auf acht Gesamtsiege bei den 24 Stunden von Le Mans und zehn Weltmeistertitel. De Vries wiederum ersetzt 2024 Jose Maria Lopez und wird sein Debüt in der Hypercar-Klasse geben.

Porsche mit einzigem F1-Weltmeister

Auch Porsche verfügt in der Hypercar-Kategorie 2024 über Formel-1-Prominenz, jedoch vermehrt beim Kundenteam Jota. Der Weltmeister von 2009, Jenson Button, wird die WEC-Saison 2024 mit dem britischen Team bestreiten. Button kommt auf 306 GP-Starts zwischen 2000 und 2017 sowie auf 15 Siege, acht Pole Positions und 50 Podestplätze. Auch im Jota-Schwerauto mit der #12 sitzt ein Fahrer mit Formel-1-Vergangenheit. Will Stevens bestritt 18 Formel-1-Einsätze mit Caterham und Manor Marussia, blieb dabei aber punktlos.

Wurde 2009 im Brawn F1-Weltmeister: Jenson Button, Foto: Sutton
Wurde 2009 im Brawn F1-Weltmeister: Jenson Button, Foto: Sutton

Auch im Porsche-Penske-Werksteam gibt es einen Ex-F1-Starter: Andre Lotterer ging 2014 bei einem Rennen für das Hinterbänkler-Team Caterham an den Start, wobei das Rennen für den dreifachen Le-Mans-Gesamtsieger bereits nach nur einer Runde mit einem Motorschaden beendet war.

Peugeot: Wenig F1-Erfolg, aber Titel in DTM und Formel E

Der Peugeot 9X8 wird genau wie der Porsche 963 2024 von drei Ex-F1-Piloten um die Strecke bewegt werden. Jean-Eric Vergne wird im #93-Peugeot Platz nehmen, während im #94-Auto Paul Di Resta und Stoffel Vandoorne für den Formel-1-Flair sorgen.

Ähnlich wie bei Toyota, war auch beim Peugeot-Trio die Formel-1-Karriere nicht von Dauer. Sowohl der Brite Di Resta (2011-2013) als auch der Franzose Vergne (2012-2014) mussten ihre Stamm-Cockpits nach jeweils drei Jahren mit Force India, respektive Toro Rosso, räumen.

Sah gegen Fernando Alonso kein Land: Stoffel Vandoorne, Foto: Sutton
Sah gegen Fernando Alonso kein Land: Stoffel Vandoorne, Foto: Sutton

Auch Stoffel Vandoorne wurde im Formel-1-Paddock nicht glücklich. Mit großen Vorschusslorbeeren gestartet, ging er 2017 und 2018 an der Seite des zweimaligen Weltmeisters Fernando Alonso sang- und klaglos unter und wurde 2019 durch Lando Norris ersetzt.

Von gescheiterten Karrieren kann jedoch beim Peugeot-Trio nicht die Rede sein: Di Resta wurde schon vor seiner Formel-1-Zeit im Jahr 2010 DTM-Champion mit Mercedes, 2020 gewann er zudem die 24 Stunden von Le Mans in der LMP2-Klasse. Vergne und Vandoorne fanden nach dem F1-Rauswurf in der Formel E ihr Glück. Vergne wurde 2018 und 2019 als bislang einzelner Fahrer zweimal Champion, Vandoorne errang 2022 den Titel. Heute sind beide parallel zum Langstreckenprogramm Formel-E-Teamkollegen bei DS Penske.

Ferrari mit F1-Rennsieger und Giovinazzi

Ferrari konnte 2023 nach dem Einstieg mit dem 499 P bereits ein Ausrufezeichen setzen: Im Juni wurde den Italienern der Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans beschert. Zum Siegertrio gehörte mit Antonio Giovinazzi auch ein Ex-Formel-1-Pilot. Der Italiener ging zwischen 2017 und 2021 bei 62 Grands Prix für Sauber/Alfa Romeo an den Start, Platz fünf beim Brasilien GP 2019 blieb jedoch das Höchste der Gefühle.

Robert Kubica gewann 2008 im BMW-Sauber den Kanada-GP, Foto: Sutton
Robert Kubica gewann 2008 im BMW-Sauber den Kanada-GP, Foto: Sutton

Im Kunden-Ferrari von AF Corse, das zugleich auch das Einsatzteam für den Ferrari Werks-Einsatz ist, sitzt hingegen ein Formel-1-Rennsieger: Robert Kubica. Der Pole galt bis zu seinem Rallye-Unfall 2011 als zukünftiger Ferrari-Fahrer und gewann in Montreal 2008 im BMW-Sauber den bis heute einzigen Grand Prix für das Team aus Hinwil.

2019 kehrte der Pole sensationell in den GP-Paddock zurück, im unterlegenen Williams gelang ihm jedoch nur eine Punkteplatzierung. Sein Gastspiel 2021, als Ersatz für den Corona-erkrankten Kimi Räikkönen, blieb gänzlich punktlos. Auf der Langstrecke konnte Kubica einige Erfolge feiern: 2023 gewann er mit seinen Teamkollegen Rui Andrade und Louis Deletraz den Titel in der LMP2-Klasse. 2021 verpasste Kubica den LMP2-Klassensieg in Le Mans nur knapp, als sein #41-WRT mit Yifei Ye am Steuer in der vorletzten Runde in Führung liegend den Vortrieb verlor. Schlussendlich gelangte das Auto nicht ins Ziel und wurde somit nicht einmal klassifiziert.

Und was ist mit den anderen Herstellern?

Lediglich BMW und Isotta Fraschini haben 2024 keinen Ex-GP-Piloten im Fahrer-Aufgebot. Cadillac, Lamborghini und Alpine verfügen jeweils über einen Fahrer mit Formel-1-Erfahrung. Der bekannteste Name des Trios ist WEC-Rookie Mick Schumacher beim Neueinsteiger Alpine. Der Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher fuhr 2021 und 2022 für Haas und ist aktuell Reservefahrer bei Mercedes. Mit guten Leistungen in der WEC will sich der 24-Jährige für eine Rückkehr in die Formel 1 empfehlen.

Fatale Fehler: Daniil Kvyat verlor 2016 nach mehreren Berührungen mit dem Ferrari von Sebastian beim Russland-GP sein Red-Bull-Cockpit, Foto: Sutton
Fatale Fehler: Daniil Kvyat verlor 2016 nach mehreren Berührungen mit dem Ferrari von Sebastian beim Russland-GP sein Red-Bull-Cockpit, Foto: Sutton

Mit 110 Starts in der Formel 1 ist auch Lamborghini-Werksfahrer Daniil Kvyat ein erfahrener GP-Fahrer. Der Russe bestritt Rennen für das Red-Bull-Junior-Team Toro Rosso/AlphaTauri und für Red Bull selbst. In Erinnerung bleibt die Formel-1-Karriere des dreimaligen Podestplatzierten vor allem aufgrund der Saison 2016, in der er bereits nach vier Saisonrennen zugunsten des heute dreimaligen Weltmeisters Max Verstappen von Red Bull zu Toro Rosso zurückbeordert wurde.

Ein vielen jüngeren Formel-1-Fans wohl eher unbekannter Name ist Sebastien Bourdais. Der Franzose bestritt 2008 und 2009 27 Grands Prix für Toro Rosso. Die hohen Erwartungen des Red-Bull-Konzerns konnte der Cadillac-Fahrer, der 2016 einen Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans in der GTE-Pro-Klasse erklomm, nicht erfüllen. Schon nach der Hälfte der Saison 2009 wurde er durch Jaime Alguersuari ersetzt. 2024 wird Bourdais wohl nicht die volle WEC-Saison bestreiten. Cadillac hat angekündigt, die fünf 6-Stunden-Rennen im Kalender aus Performance-Gründen nur mit den beiden Stammfahrern Earl Bamber und Alex Lynn bestreiten zu wollen.

Die Bilanz der Ex-GP-Piloten

Insgesamt kommen die ehemaligen Formel-1-Starter beim WEC-Auftakt 2024 in Katar auf 990 Grands-Prix-Starts, 66 Podestplätze, 16 GP-Siege und einen WM-Titel. Auch auf der Langstrecke kann sich die Bilanz sehen lassen: Die Piloten vereint elf Titelgewinne in der Top-Kategorie der WEC, zwei LMP2-Titel, zwölf Gesamtsiege in Le Mans sowie vier weitere Klassensiege beim französischen Langstreckenklassiker.

Alle Ex-F1-Fahrer der WEC in der Übersicht

FahrerF1-StartsWEC-Team 2024
Jenson Button306Jota-Porsche
Daniil Kvyat110Lamborghini-Iron-Lynx
Robert Kubica99AF Corse-Ferrari
Kamui Kobayashi75Toyota
Antonio Giovinazzi62Ferrari
Paul Di Resta59Peugeot
Jean-Eric Vergne58Peugeot
Sebastien Buemi55Toyota
Mick Schumacher43Alpine
Stoffel Vandoorne41Peugeot
Sebastien Bourdais27Cadillac
Brendon Hartley25Toyota
Will Stevens18Jota-Porsche
Nyck de Vries11Toyota
Andre Lotterer1Porsche-Penske