Der Langstrecken-Motorsport befindet sich auf dem besten Wege, eine neue Goldene Ära einzuleiten. 14 Autohersteller gehen 2024 bei den 24 Stunden von Le Mans und in der WEC an den Start, darunter weltberühmte Marken wie BMW, Porsche, Ferrari, Toyota oder Peugeot. Prominente Fahrer wie Mick Schumacher, Valentino Rossi, Robert Kubica oder mehrfache Le-Mans-Sieger a la Andre Lotterer und Sebastien Buemi runden das Weltklasse-Starterfeld ab.
Immer mehr Motorsport-Fans kommen auf den Geschmack, doch der Endurance-Sport (steht für Langstrecke) kann für Neueinsteiger zuweilen verwirrend klingen. Rennwagen mit unterschiedlichen Reglements starten in der gleichen Klasse und obendrein sowohl in der WEC als auch in der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA. Dass die Top-Kategorien in den beiden Rennserien auch noch unterschiedliche Namen haben, setzt dem Ganzen die Krone auf. Dass in den USA baugleiche GT3-Autos in unterschiedlichen Klassen um Siege kämpfen, dürfte den einen oder anderen Fan zusätzlich irritieren.
Angesichts des spürbar steigenden Interesses an dieser Art von Rennsport bietet Motorsport-Magazin.com einen Überblick zu den wichtigsten Begriffen. Mit unserem ausführlichen 'Langstrecken-ABC' können die Motorsport-Highlights von Daytona über Sebring bis hin zu den 24 Stunden von Le Mans kommen!
WEC
Das Kürzel steht für FIA World Endurance Championship, oder auch: Langstrecken-Weltmeisterschaft. Veranstalter ist der französische Automobile Club de l'Ouest (ACO). Die WEC war ab 2012 der Nachfolger des Intercontinental Le Mans Cup und besitzt wie die Formel 1 einen WM-Status, wodurch am Saisonende offizielle Weltmeister gekürt werden. Prototoyen und GT3-Autos kämpfen bei gemeinsamen Rennen in einem gemischten Feld um Klassensiege. 2024 gehen bei acht Rennen 19 Autos der Klasse 'Hypercar' sowie 18 GT3-Fahrzeuge (LMGT3) an den Start. Die Rennen werden über eine Distanz von 6, 8 oder 24 Stunden ausgetragen.
24 Stunden von Le Mans
Die 24 Stunden von Le Mans (15.-16. Juni 2024) bilden das Highlight des jährlichen WEC-Rennkalenders. Der Langstrecken-Klassiker wird seit 1923 ausgetragen, feierte 2023 seinen 100. Geburtstag und gilt allgemein als das wichtigste Autorennen der Welt. Von 1953 bis 1992 war Le Mans ein Teil der World Sportscar Championship, 2011 gehörte es zum Intercontinental Le Mans Cup und seit 2012 zur WEC. Das 24h-Rennen wird üblicherweise im Juni eines Jahres ausgetragen und beginnt um 16:00 Uhr. 2024 gehen 62 Autos der Kategorien Hypercar, LMGT3 sowie LMP2 an den Start und machen die Klassensiege unter sich aus. Porsche ist Rekordgewinner mit 19 Gesamtsiegen. Der Däne Tom Kristensen errang mit neun die meisten Gesamtsiege aller Fahrer.
Circuit des 24 Heures
Auch als Circuit de la Sarthe bezeichnet, Austragungsort für die 24 Stunden von Le Mans in der gleichnamigen Stadt mit rund 145.000 Einwohnern. Die 13,626 Kilometer lange Rennstrecke besteht zum größten Teil (9,207 km) aus öffentlichen Landstraßen und zusätzlichen 4,419 Kilometern permanenter Rennstrecke. Der Kurs ist nach dem nahegelegenen Fluss Sarthe benannt. Die Strecke wird im Uhrzeigersinn befahren und bietet einen Vollgasanteil von rund 85 Prozent. Zu den berühmtesten Bereichen zählen die Hunaudieres-Gerade (seit 1990 mit zwei Schikanen), die Porsche-Kurven, Mulsanne und Tertre Rouge.
IMSA
Abkürzung für International Motor Sports Association. Die IMSA-Organisation ist der Veranstalter der bekanntesten US-Sportwagenmeisterschaft namens WeatherTech SportsCar Championship, häufig nur als 'IMSA' bezeichnet. 2014 wurde die Serie aus der Grand-Am Road Racing und der American Le Mans Series zusammengeführt. Bei Rennen in Nordamerika starten Autos der Klassen GTP (ausschließlich mit LMDh-Autos), LMP2, LMP3 (bis 2023), GTD-Pro sowie GTD (beide mit GT3-Autos). Den Saisonauftakt und das gleichzeitige Highlight im Rennkalender bilden die 24 Stunden von Daytona im Januar jedes Jahres.
24 Stunden von Daytona
Neben Le Mans und dem 24h-Rennen Nürburgring das prestigeträchtigste 24-Stunden-Rennen der Welt. Wird seit 1966 auf dem Daytona International Speedway im US-Bundesstaat Florida ausgetragen und seit 1992 auch als 'Rolex 24 At Daytona' bezeichnet. Die Sieger aller Klassen - 2024 mit GTP (ausschließlich LMDh-Autos), LMP2, GTD-Pro und GTD (beide mit GT3-Autos) - erhalten einzigartige Rolex-Daytona-Uhren. Daytona bildet im Januar eines Jahres den Auftakt sowie das gleichzeitige Saisonhighlight des IMSA-Rennkalenders. Die Strecke ist 5,73 Kilometer lang und verbindet ein Tri-Oval (bis zu 31 Grad Neigungswinkel) mit einem kurvigen Infield-Abschnitt. Porsche ist mit 18 Gesamtsiegen der erfolgreichste Hersteller bei den 24h Daytona.
Hypercar-Autos (LMH)
Als Hypercars werden die gesamtsiegfähigen Prototypen-Rennwagen in der WEC bezeichnet, die nach dem WEC-Reglement aufgebaut sind. Sie folgten zur Saison 2021 auf die vorigen LMP1-Autos. Die offizielle Bezeichnung lautet LMH, was für Le Mans Hypercar steht. Hersteller genießen große technische Freiheiten bei der Entwicklung von Motor und Chassis. Die Wahl zwischen eigenentwickeltem Hybridantrieb samt temporären Allrad und reinem Verbrennungsmotor steht frei. Die maximale Systemleistung darf 680 PS (500 kW) zu keinem Zeitpunkt überschreiten. Das Mindestgewicht beträgt 1.030 Kilogramm.
Alle LMH-Hypercars im Überblick
Hersteller | Fahrzeugname | Motor | Zusatz-Info |
---|---|---|---|
Ferrari | Ferrari 499 P | 3,0-Liter V6-Twinturbo-Motor mit Eigen-Hybrid | seit 2023 |
Toyota | Toyota GR010 Hybrid | 3,5-Liter V6-Twinturbo-Motor mit Eigen-Hybrid | seit 2021 |
Peugeot | Peugeot 9X8 | 2,6-Liter V6-Twinturbo-Motor mit Eigen-Hybrid | seit 2022 |
Isotta Fraschini | Isotta Fraschini Tipo 6 | 3,0 Liter V6-Turbomotor mit Eigenhybrid | ab 2024 |
Aston Martin | Aston Martin Valkyrie | 6,5-Liter V12-Saugmotor ohne Hybrid | ab 2025 |
Glickenhaus | Glickenhaus 007 | 3,5-Liter V8-Twinturbo-Motor ohne Hybrid | 2021 bis 2023 |
Vanwall/ByKolles | Vanwall Vanderwell 680 | 4,5-Liter V8-Saugmotor ohne Hybrid | 2023 |
LMDh-Autos
Offiziell als Le Mans Daytona hybrid bezeichnet. LMDh-Autos sind nach dem IMSA-Reglement aufgebaut und können in der WEC zusammen mit den LMH-Rennwagen in der Hypercar-Klasse antreten. LMDh-Autos verfügen über einen einheitlichen Bosch-Hybridantrieb an der Hinterachse und Einheits-Chassis der vorgegebenen Zulieferer Dallara, Oreca, Ligier und Multimatic. Ihre maximale Systemleistung ist wie bei den LMH-Boliden auf 680 PS (500 kW) beschränkt. Das Mindestgewicht liegt bei 1.030 Kilogramm. LMDh-Autos gaben 2023 ihr Renndebüt als Nachfolger der US-amerikanischen DPi-Prototypen.
Alle LMDh-Autos im Überblick
Hersteller | Fahrzeugname | Motor | Chassis | Zusatz-Info |
---|---|---|---|---|
BMW | BMW M Hybrid V8 | 4,0 Liter V8-Twinturbo-Motor mit Einheitshybrid | Dallara | seit 2023 |
Porsche | Porsche 963 | 4,6-Liter V8-Biturbo-Motor mit Einheitshybrid | Multimatic | seit 2023 |
Cadillac | Cadillac V-Series.R | 5,5-Liter V8-Saug-Motor mit Einheitshybrid | Dallara | seit 2023 |
Acura | Acura ARX-06 | 2,4 Liter V6-Twinturbo-Motor mit Einheitshybrid | Oreca | seit 2023 |
Lamborghini | Lamborghini SC63 | 3,8 Liter V8-Twinturbo-Motor mit Einheitshybrid | Ligier | ab 2024 |
Alpine | Alpine A424 | 3,4 Liter V6-Turbo-Motor mit Einheitshybrid | Oreca | ab 2024 |
Hypercar-Klasse
Die Topklasse in der WEC und bei den 24 Stunden von Le Mans. In dieser Kategorie kämpfen LMH-Hypercars und LMDh-Autos gemeinsam um den Gesamtsieg, Einzelwertungen gibt es nicht. Eine BoP (siehe Abschnitt Balance of Performance) soll trotz unterschiedlicher Fahrzeugkonzepte für einen vergleichbaren Wettbewerb sorgen. Die Hypercar-Klasse folgte im Jahr 2021 auf die LMP1-Klasse in der Langstrecken-Weltmeisterschaft.
GTP-Klasse
Steht für 'Grand Touring Prototypes'. Seit 2023 die Topklasse der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA und Nachfolger der DPi-Kategorie. In dieser gesamtsiegfähigen Kategorie treten ausschließlich LMDh-Autos gegeneinander an. LMH-Hypercars aus der WEC sind theoretisch ebenfalls startberechtigt, verzichteten bislang jedoch auf eine Teilnahme. Aston Martin hat für 2025 mit seinem künftigen LMH-Hypercar einen Start in beiden Rennserien zumindest angekündigt. Der Name 'GTP' führt zurück die goldene IMSA-Ära von 1981 bis 1993, in der technologisch hochentwickelte Rennwagen nahe der Gruppe-C an den Start gingen mit Innovationen wie Traktionskontrolle oder aktiver Radaufhängung.
LMGT3-Autos
Zur Saison 2024 halten erstmals Autos nach dem internationalen GT3-Reglement ihren Einzug in die WEC. Diese einst für den Amateursport entwickelten Rennwagen mit Traktionskontrolle und ABS folgen in der Langstrecken-WM auf die deutlich teureren GTE-Fahrzeuge (siehe Abschnitt 'LMGTE-Autos'). Das Kürzel 'LM' steht für 'Le Mans'. In der WEC fahren die gleichen GT3-Autos wie auch in der DTM oder der GT World Challenge. Ein zunächst speziell für die Serie angedachtes Aerodynamik-Kit fiel dem Kostenaufwand zum Opfer. In der LMGT3-Debütsaison gehen 18 Autos von neun unterschiedlichen Herstellern an den Start. Verpflichtend sind mindestens ein Bronze- sowie ein Silber-Fahrer, womit es sich um eine Am-Klasse handelt. Priorität hatten Marken, die parallel ein Hypercar in der WEC einsetzen, womit Audi und Mercedes durch den Rost fielen.
GT3-Autos und Teams in der WEC 2024
Hersteller | Fahrzeugname | WEC-Einsatzteam |
---|---|---|
Aston Martin | Aston Martin Vantage GT3 Evo | Heart of Racing / D-Station Racing |
BMW | BMW M4 GT3 | WRT |
Cadillac | Corvette Z06 GT3.R | TF Sport |
Ferrari | Ferrari 296 GT3 | AF Corse |
Ford | Ford Mustang GT3 | Proton Competition |
Lamborghini | Lamborghini Huracan GT3 Evo2 | Iron Lynx / Irdon Dames |
Lexus | Lexus RC F GT3 | Akkodis ASP |
McLaren | McLaren 720 S GT3 Evo | United Autosports |
Porsche | Porsche 911 GT3 R | Manthey |
LMGTE-Autos
Ehemalige Silhouetten-Prototypen auf Basis von Serienfahrzeugen, die 2023 letztmalig im Motorsport antraten. Die GTE-Klasse erwuchs 2011 aus der GT2-Kategorie (seit 1999) und kam vorrangig in der WEC und IMSA zum Einsatz. In Le Mans starteten GTE-Autos von acht unterschiedlichen Herstellern in den Einzelklassen LMGTE-Pro (bis 2022) und LMGTE-Am (bis 2023), wobei nur Porsche und Ferrari in jedem Jahr dabei waren. GTE-Fahrzeuge waren wesentlich performanter als GT3-Boliden, in der Entwicklung und beim Einsatz wegen der geringen Auflage, teuren Materialien und benötigtem Expertenwissen aber auch deutlich kostenintensiver.
GTD/GTD-Pro-Klasse
Während die GT3-Autos in der WEC unter dem Namen LMGT3 in einer einzelnen Klasse antreten, wird diese Kategorie in der IMSA in die Einzelwertungen GTD-Pro und GTD aufgeteilt. Die Autos und auch die Balance of Performance sind in beiden Klassen identisch. Der einzige Unterschied besteht in den Fahrerpaarungen: Bei den 24 Stunden von Daytona müssen sich mindestens drei Fahrer ein GTD-Pro-Auto teilen, während in der GTD-Klasse vier Piloten vorgeschrieben sind. In der GTD-Pro-Kategorie ist die Fahrerwahl freigestellt und besteht meist aus reinen Profis, während in der GTD maximal ein Platin- und ein Gold-Fahrer oder zwei Gold-Fahrer antreten dürfen. Bei allen weiteren IMSA-Rennen mit kürzeren Renndistanzen und drei Fahrern ist nur ein Platin- oder ein Gold-Fahrer erlaubt.
LMP2-Autos
Die zweithöchste Kategorie im Langstrecken-Sport und die zweite Prototypen-Kategorie hinter den Hypercars. Hervorgegangen im Jahr 2003 aus der ehemals gesamtsiegfähigen Klasse LMP 675, richtet sich diese Kategorie seit jeher an Privatteams. Eine Unterstützung durch Hersteller ist verboten. 2017 erhielt die LMP2 vom ACO ein umfassendes Update, das den Einsatz eines 4,2-Liter-V8-Einheitsmotors von Gibson und einheitliche, geschlossene Chassis der Hersteller Oreca, Dallara, Ligier oder Multimatic vorschrieb. Mit der Einführung der Hypercars 2021 wurde die Leistung der LMP2-Autos künstlich auf 540 PS beschränkt und das Gewicht um 20 Kilogramm auf 950 Kilo angehoben. Dadurch soll ein deutlicher Performance-Unterschied zu den Hypercars entstehen. In der WEC muss jedes LMP2-Team mit mindestens einem Bronze- oder Silber-Fahrer antreten, in der IMSA ist mindestens ein Bronze-Fahrer bzw. maximal ein Platin- oder Gold-Fahrer vorgeschrieben.
Garage 56
Seit 2012 ist nur bei den 24 Stunden von Le Mans ein Startplatz für ein sogenanntes Garage-56-Auto reserviert. Dabei handelt es sich um ein technologisch innovatives Fahrzeug, dessen Auswahl dem ACO obliegt. Der Garage-56-Entry nimmt nicht an der offiziellen Wertung teil und unterliegt nicht dem Technischen Reglement. Das erste Garage-56-Auto war 2012 der keilförmige, 500 Kilogramm leichte DeltaWing von Nissan. 2023 trat ein umgebauter NASCAR-Camaro in dieser Klasse an. Garage-56-Autos kamen nicht in jedem Jahr in Le Mans zum Einsatz.
Balance of Performance (BoP)
Sowohl in der IMSA als auch der WEC soll eine jeweils vom Veranstalter erstellte Balance of Performance für einen ausgeglichenen Wettbewerb innerhalb der einzelnen Klassen sorgen. Ein kniffliges Unterfangen vor allem für die WEC-Hypercar-Kategorie, wo unterschiedliche Fahrzeugkonzepte (LMH mit temporärem Allradantrieb und LMDh mit reinem Heckantrieb) aufeinandertreffen. 2023 sorgte eine nachträgliche Bop-Anpassung kurz vor den 24 Stunden von Le Mans (37 Kilo mehr für Toyota) für großen Aufruhr. Für die Ermittlung der BoP werden unterschiedliche Leistungsfaktoren herangezogen: Mindestgewicht, maximale Systemleistung, Mindestgeschwindigkeit für das Zuschalten des Hybrid-Allradantriebes bei trockenen und nassen Bedingungen, maximale Energie pro Stint sowie zusätzliche Standzeit beim Nachtanken in der Boxengasse. In der IMSA, wo in der Topklasse GTP ausschließlich LMDh-Autos fahren, unterschied sich die BoP 2023 wegen der unterschiedlichen Motorenkonzepte zunächst nur in der maximal erlaubten Drehzahl.
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