KTM war 2023 der einzige MotoGP-Hersteller, der Ducati konstant in fast jedem Rennen fordern konnte. Daher machte man sich in Mattighofen großen Hoffnungen, mit einem weiteren Entwicklungssprung über den Winter 2024 ernsthaft mit den Roten um die drei WM-Titel kämpfen zu können. Und der Shakedown in Sepang verlief zunächst auch vielversprechend, alle drei Tagesbestzeiten gingen an KTM-Piloten. In den ersten offiziellen MotoGP-Testfahrten des Jahres in Sepang konnte daran jedoch nicht angeknüpft werden. Wo steht KTM vor dem finalen Test in Katar (19. bis 20.02.) also?
Ein Blick auf die nackten Zahlen dürfte KTM-Fans eher enttäuschen: Alle drei Bestzeiten wanderten ins Ducati-Lager, am Donnerstag unterboten die Italiener den bisherigen Rundenrekord aus dem Malaysia-Qualifying 2023 sogar mit vier Fahrern. Brad Binder landete als Speerspitze der Österreicher nur auf Platz sieben - mit ganzen 0,625 Sekunden Rückstand und hinter Aprilia-Pilot Aleix Espargaro. KTM-Teamkollege Jack Miller wurde lediglich 14., GasGas-Rookie Pedro Acosta immerhin Neunter und Augusto Fernandez abgeschlagener 21.
KTM: Zahlreiche neue Teile erschweren Testprogramm in Sepang
KTM scheint es über den Winter auf eine Runde gesehen also kaum näher an Ducati herangeschafft zu haben. Im Gegenteil: Im Qualifying im vergangenen Herbst verlor Binder als beste KTM noch 'nur' 0,559 Sekunden auf die Bestmarke von Francesco Bagnaia und auch Miller war seinerzeit knapp zwei Zehntel näher dran als im Sepang-Test 2024. Die zahlreichen Upgrades an der KTM RC16 haben also (noch) nicht den erhofften Fortschritt gebracht.
Doch genau darin liegt möglicherweise auch das Problem: Während Ducati nur wenige Neuerungen brachte und sein Paket für 2024 schnell ausgetestet hatte, wurde bei KTM kaum eine Ausfahrt mit dem identischen Setup als im Run zuvor gestartet. "Um ehrlich zu sein hätten wir noch ein oder zwei zusätzliche Testtage gebrauchen können, um die Dinge einzugrenzen", stellte auch Brad Binder selbst am Donnerstagabend vielsagend fest. Dennoch wollte der Südafrikaner von missglückten Testfahrten nichts wissen: "Es war ein guter Test. Wir haben viele Teile ausprobiert und letztlich gelernt, was uns weiterbringt und was nicht. Wir haben unsere Richtung für die Zukunft gefunden. So weit so gut."
Die Basis scheint bei KTM nun also zu stehen, im zweitägigen Katar-Test (19. bis 20.02.) kann es nun an die Feinabstimmung gehen. Und dann soll auch die tatsächliche Leistungsfähigkeit der RC16 entfaltet werden. "Die Dinge sind deutlich besser, als sie im Zeitentableaut aussehen. Wir haben viel Potenzial", meint Binder. Eine Aussage, die er auf Punkten stützt. KTM sei trotz der zahlreichen Funktionstests mit sechseinhalb Zehnteln nämlich "gar nicht so weit von Ducati entfernt", zumal der zweimalige MotoGP-Rennsieger seine schnellste Rundenzeit bereits in den Morgenstunden mit niedrigen Temperaturen und geringem Grip gefahren sei. Zur Wahrheit gehört hier aber auch, das letzteres auch für die Rundenzeiten von Bagnaia, Jorge Martin und Co. gilt.
KTM mit guter Sprint-Simulation: Brad Binder und Acosta stark
Während sich die fehlende KTM-Pace auf eine Runde - ohnehin ein wiederkehrendes Problem der letzten Jahre - also nur bedingt schönreden lässt, gibt es dazu im Longrun gar keinen Grund. Denn in der Sprint-Simulation, die am Donnerstag fast jeder Pilot absolvierte, war die RC16 schon deutlich konkurrenzfähiger. Binder verlor hier im Schnitt nur 0,402 Sekunden pro Runde auf den Bestwert von Fabio Di Giannantonio und Acosta bestätigte diesen Wert mit 0,407 Sekunden Rückstand. Das beachtliche: Beide waren damit wenige Tausendstel schneller als Titelverteidiger Bagnaia.
Ebendas macht Binder Hoffnung, zumal er auch den Quervergleich zum letztjährigen Sepang-Test zieht. Damals lag KTM eine knappe Sekunde hinter Ducati zurück, konnte dann aber trotzdem ab dem ersten Saisonrennen in Portimao mit den Roten mitmischen. "Ich war 14. oder 15. Und bin eine 1:58.9 gefahren. Wir haben innerhalb eines Jahres also einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wenn wir das aufrechthalten können, werden wir uns ganz gut schlagen", scherzt der Südafrikaner.
Jack Miller hinkt hinterher: Dennoch in guter Position!
Ob das gleiche auch für Teamkollege Jack Miller gilt? Der Australier kam finalen Klassement in Sepang nicht über Platz 14 hinaus und lag ganze 1,169 Sekunden zurück, verlor also mehr als fünf Zehntel auf Binder. Zudem ist er einer der wenigen Fahrer, die am Donnerstag keine Sprint-Simulation absolvierten. Miller verfügt also über keinerlei Richtwerte, wie sich das neue Motorrad über einen längeren Run hinweg verhält oder wie sich die Reifen entwickeln. All das muss im Katar-Test noch nachgeholt werden.
Keine leichte Situation für den vierfachen MotoGP-Sieger, dessen Vertrag am Jahresende ausläuft. Schließlich drängt sich der potenzielle Nachfolger in Pedro Acosta bereits auf. Doch Miller will sich nicht beunruhigen lassen: "Ich bin zufrieden mit unserem Fortschritt. Auch wenn wir zurückliegen und uns noch etwas fehlt, sind wir in keiner schlechten Position. Wir konnten unser Programm durchziehen und wissen jetzt, wo wir das Paket verbessern müssen." Auch beim Australier geht es in Katar also an die Feinarbeit. Dort wird sich zeigen, wo die KTM-Piloten tatsächlich stehen: "Wir haben alles da, jetzt müssen wir nur noch die eine Sekunde zu Ducati gutmachen."
Wenn ihr nun wissen wollt, wo sich KTM zahlenmäßig im aktuellen MotoGP-Kräfteverhältnis nach dem Sepang-Test einfügt, findet ihr hier die passende Analyse:
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