Die Saison 2023 begann so schön für LCR-Honda-Pilot Alex Rins. Der Spanier holte bereits im dritten Rennen in Austin einen sensationellen Sieg und beendete damit Hondas Durststrecke, die seit 2021 bestand hatte. Damit war das Glück aber vorbei. Rins erlebte danach eine unglaubliche Leidenszeit. Die Schilderungen des nächstjährigen Yamaha-Werkspiloten im MotoGP-Podcast 'Last on the Brakes' und in einer Youtube-Doku des LCR-Teams über seine Genesung, mit dem Titel 'Unstoppable', werfen einen Blick auf eine grauenhafte Zeit der Schmerzen und der Rückschläge von Mitte Juni bis Ende November.
Rins im Krankenhaus gefangen: Wollte nur raus!
"Es ging mehr als nur ein paar Monate. Es war die härteste Verletzung in meiner Karriere", konstatierte Rins. "Ich hatte Aleix [Espargaro] vor mir. In der Kurve nahm ich mehr Speed als in der Runde zuvor mit. Ich öffnete das Gas früher und flog ab. Ich hatte wirklich Pech an diesem Tag, dass ich auf meinen Knien landete", schilderte der Spanier jenen Schicksalhaften Moment im Sprint von Mugello, der seine Saison prägen sollte. Danach fuhr er nurmehr bei 2 von 14 Rennen mit.
Der LCR-Pilot wurde sofort ins Krankenhaus nach Madrid geflogen und operiert. Es folgten große Qualen: "Der schlimmste Moment des Schmerzes kam drei Stunden nach der Operation. Das lädierte Bein wachte [nach der Narkose, Anm.] wieder auf. Das gute Bein war eingeschlafen, und ich spürte nur den Schmerz. Ich habe den ganzen Tag geweint, so schlimm waren die Schmerzen." Das rechte Unterbein war im Prinzip komplett zerstört. Waden- und Scheinbeine wurden zerfetzt. Es stand eine lange Genesungszeit bevor. Seinen Freunden und Verwandten musste er dies erst erklären: "Als ich den Leuten die [Röntgen-]Bilder zeigte, da verstanden sie. Das war nicht einfach eine simple Fraktur."
Die Zeit im Hospital entmutigte zunächst: "Ich blieb viele Tage im Krankenhaus. Ich lag im Bett und konnte nichts tun. Sie sagten mir, dass ich einen Rollstuhl benutzen soll, um eine Entzündung zu vermeiden." Der 27-Jährige wollte seinem 'Gefängnis' nurmehr entkommen: "In der letzten Nacht in Madrid [im Krankenhaus, Anm. d. Red.] habe ich nicht geschlafen. Ich wollte einfach raus." Erst dann kam so etwas wie Hoffnung auf: "Der Moment, an dem du das Licht am Ende des Tunnels siehst, ist, wenn du nach Hause kommst. Wenn du deine Liebsten siehst und anfängst, deine Tagesroutinen zu haben."
Zuhause, aber mehr vegetieren als Leben
Doch diese Routinen waren erst einmal sehr eingeschränkt. Jeden Tag Reha, jeden Tag Training, aber alles im Sitzen. MotoGP-Kollege und Freund Jorge Martin besuchte ihn. "Hast du schon deinen Fuß auf den Boden gesetzt?", fragte der Pramac-Pilot. "Nein, das erlauben sie [die Ärzte, Anm. d. Red.] mir nicht. Nicht einmal im Pool", musste Rins antworten. Auch nach den ersten Fortschritten wurde Rins immer wieder an seine Lage erinnert: "Im Sommer gingen wir zum Strand. Es war schwierig für mich, mich überhaupt in den Wellen stabil zu halten. Das bereitete mir beispielsweise große Schmerzen."
Selbst Spazierengehen war schwierig: "Ich nahm meinen Sohn Lucas im Buggy in die Hügel. Ich fühlte dabei jeden Stein, wenn es nicht eben war." Für einen Sportler, der auch seine Freizeit dementsprechend gestaltet, war es das komplette Kontrastprogramm zum eigentlichen Leben: "Das Wort 'Sommer' existierte nicht für mich. Sommer heißt für mich Strand, Abschalten, Trial-Bike und Buggy fahren. Mit meinem Bein hatte ich keinen Sommer." Doch nicht nur mit seinem Bein hatte er zu kämpfen. Der ganze Körper rebellierte teilweise: "Mir wurde oft schwindelig, ich wollte mich übergeben. Teilweise hatte ich seit 12 Uhr am Vortag nichts gegessen."
Rins zum Zuschauen verdammt
Und dann gab es da einen Faktor, der alles nur noch schlimmer machte. "Ich habe eine Menge Rennen verpasst. Dann deine Kollegen auf den Bikes beim Rennfahren zu sehen, das machte mich nervös. Ich saß zuhause, hatte meinen Fuß hochgelegt und ruhte mich aus. Das war schon hart", schilderte Rins. Frust und Verzweiflung waren groß: "Es gab Momente, da habe ich den Fernseher abgeschaltet. Ich dachte mir: Ich liege hier auf dem Sofa mit Eis auf meinem Fuß. Was mache ich hier?"
Motorradfahren erstmal nicht. Das dauerte noch bis in den September hinein. Erst ging es auf eine kleine Ausfahrt auf einem Mini-Bike. In die Lederkombi musste ihm sein Phyiso dabei hineinhelfen. Dann kam eine deutlich größere Maschine. Auf einem Honda-Superbike in Aragon folgte aber die nächste Ernüchterung. "Ehrlicherweise lief es nicht so, wie ich wollte. Es war kaum ein Tag und ich fühlte große Schmerzen", musste Rins die Realität akzeptieren.
Zweites Mal im Krankenhaus bringt die Erlösung
Einen ersten Comeback-Versuch in Japan Anfang Oktober musste Rins nach dem Freitag bereits wieder abbrechen. Ein Rennen später in Indonesien zog Rins dann durch und holte als Neunter im Rennen gleich ein gutes Ergebnis. Es war aber ein trügerisches Ergebnis. Nur wenige Tage später auf Phillip Island war der Spanier dann wieder zum Rückzug gezwungen. Tatsächlich handelte es sich langfristig gesehen aber nicht um einen Misserfolg: "Wir hatten es in Mandalika und auf Phillip Island probiert. Diese eineinhalb Rennen waren gut für uns, denn wir erkannten, dass ich einen kleinen Bruch am Wadenbein hatte."
"Also bin ich nach Phillip Island zurück nach Madrid für einen kleinen Eingriff am Bein geflogen. Danach habe ich mich ehrlicherweise viel bessert gefühlt. Ich konnte das Krankenhaus auf eigenen Beinen laufend verlassen. Das waren wirklich gute Neuigkeiten für mich", schilderte er seine Erleichterung. Das zweite Mal im Krankenhaus war also keine Qual, sondern vielmehr eine Erlösung. Sie bewirkte, dass er doch noch zum letzten Saisonrennen in Valencia antreten und den nachfolgenden Test für seinen neuen Arbeitgeber Yamaha bestreiten konnte. Vom 10. Juni in Mugello bis zum 26. November in Valencia hatte er 169 Tage Leidenszeit durchstehen müssen. Ein Schicksal, das selbst im Rekordjahr der MotoGP-Verletzungen seinesgleichen sucht.
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