Aleix Espargaro bestreitet 2024 bereits seine 14. Saison in der Königsklasse, kein anderer MotoGP-Pilot ist ähnlich lange dabei. Die große Frage lautet nur: Wie lange wird der Aprilia-Star noch auf der großen Bühne zu sehen sein? Der Vertrag des 34-jährigen Routiniers aus Katalonien läuft Ende 2024 aus, eine Verlängerung wurde bislang nicht kommuniziert. Und lange Zeit galt es im MotoGP-Paddock tatsächlich als nicht unwahrscheinlich, dass Espargaro seinen Motorradhelm nach Ablauf der kommenden Saison an den Nagel hängen könnte.

Schließlich ist der einzige MotoGP-Pilot, der noch vor dem Jahr 1990 geboren wurde, mittlerweile ein glücklicher Familienvater. Seit 2018 zieht er gemeinsam mit Ehefrau Laura Montero die Zwillinge Max und Mia groß, in den vergangenen Jahren begleiteten sie ihn immer häufiger auf den Reisen um den MotoGP-Globus. Mit dem Rennradfahren verfolgt Espargaro zudem noch über eine zweite große Leidenschaft, die er nach Möglichkeit gerne einmal professionell ausüben wolle. Mit Blick auf den immer weiter anwachsenden MotoGP-Kalender lässt sich all das aber nur schwer kombinieren. 2024 will die Königsklasse eine Rekordsaison mit 22 Rennwochenenden und 44 Rennen absolvieren.

Daher rechneten viele Experten mit einem zeitnahen Karriereende Espargaros, zumal dieser in den vergangenen Jahren viele seiner gesetzten Ziele erreicht hat. Nach zahlreichen schweren Saisons am Ende des MotoGP-Feldes ist der Katalane gemeinsam mit Aprilia mittlerweile an der Spitze angekommen. 2021 stand das Duo in Silverstone erstmals zusammen auf dem Podest, 2022 folgten in Argentinien die erste Pole Position und ein emotionaler Premieren-Sieg in der Königsklasse. Langezeit kämpfte Espargaro sogar um den WM-Titel, musste sich erst beim vorletzten Saisonrennen in Malaysia geschlagen geben. In diesem Jahr konnte der Aprilia-Pilot in Barcelona auch seinen Heim-Grand-Prix gewinnen. Damit fehlt nur noch der WM-Titel, welcher in absehbarer Zeit aber nicht wahrscheinlich erscheint.

Aleix Espargaro: Lifestyle-Wandel dank Jorge Martin und Fermin Aldeguer

Somit könnte 2024 ein passender Zeitpunkt sein, um die MotoGP-Karriere zu beenden und sich anderen Dingen zu widmen. Espargaro bestätigte diese Überlegungen erst Mitte Mai dieses Jahres am Rande des Frankreich Grand Prix. Allerdings war es nun auch der Aprilia-Pilot selbst, der kürzlich verriet, eventuell doch noch länger in der Königklasse mitzumischen. Der Hauptgrund: Seine enge Freundschaft mit MotoGP-Vizeweltmeister Jorge Martin und Moto2-Shootingstar Fermin Aldeguer. "Ich genieße dieses Jahr deutlich mehr, mehr als jemals zuvor. Eng mit jungen Fahrern wie Jorge oder Fermin befreundet zu sein, gab mir etwas Vitalität [Lebenskraft, Anm.]", erklärte der 34-Jährige vor wenigen Wochen in Katar.

Speziell während der Übersee-Tournee der MotoGP im Herbst, als binnen weniger Wochen in Indien, Japan, Indonesien, Australien, Thailand, Malaysia und Katar gefahren wurde, verbrachte Espargaro viel Zeit mit den beiden Jungspunden. Auf Social Media dokumentierte er sämtliche 'Ausflüge' abseits der MotoGP-Wochenenden, bei denen auch seine Ehefrau und die Zwilinge am Start waren. In der Vergangenheit war dem nicht so. "Ich erinnere mich an das letzte Jahr hier in Katar. Ich verbrachte die ganze Zeit im Fitnessraum und beim Radfahren. Dieses Jahr war ich mit Fermin und Jorge auf dem Jetski. Wir waren auch ein paar Mal zum Essen aus", beschreibt der Aprilia-Pilot.

Die enge Freundschaft mit Martin und Aldeguer und dem damit verbundenen Lifestyle-Wandel hat Espargaro neue Energie verschafft. "Zuvor war es für mich sehr schwierig, nach einem Rennen abzuschalten. Alles hing vom Resultat am Tag davor ab. Jetzt ist das nicht mehr der Fall", meint Espargaro. "Ich gebe immer noch 100 Prozent. Aber wenn ich jetzt in Malaysia Elfter werde, weil die Aprilia einfach nicht mehr hergibt und keiner der anderen [Aprilia-Fahrer, Anm.] vor mir war, dann bin ich am Sonntagabend damit zufrieden. Ich gehe dann zum Abendessen mit meiner Familie und trenne das. Ich bin während des Wochenendes super professionell, danach schalte ich aber ab. Es war gut, eine bessere Balance zu finden. Es fühlt sich so deutlich besser an."

Aleix Espargaro kann mit schweren Momenten auf der Strecke nun besser umgehen, Foto: LAT Images
Aleix Espargaro kann mit schweren Momenten auf der Strecke nun besser umgehen, Foto: LAT Images

Der Vorteil dieses neuen Lebensstils: Der MotoGP-Rennkalender mit mehr als 20 Rennwochenenden und zahlreichen Sessions auf der Strecke lassen sich so leichter aushalten. "Es fühlt sich für mich nicht wie ein harter Rennkalender an, obwohl ich sicher bin, dass es das für mein Team und meine Mechaniker ist. Ich reise viel mit meiner Familie, mir gefällt dieses Jahr sehr", bestätigt der Katalane, der sind daher eine weitere Vertragsverlängerung vorstellen kann: "Das gibt mir das Gefühl, dass ich vielleicht noch ein bisschen länger fahren kann. Wenn ich diesen Zugang zu den Rennwochenenden aufrechterhalten kann und sich Aprilia weiter verbessert, fühle ich weniger Druck als jemals zuvor. Diese letzten zwei, drei Monate haben mir sehr gefallen. Also kann ich vielleicht noch ein oder zwei Jahre länger fahren."

Aleix Espargaro: Noch immer bester Aprilia-Pilot?

Doch will Arbeitgeber Aprilia überhaupt verlängern? Das ist bislang nichts bekannt, Alternativen gebe es jedenfalls genug. Mit Ende der kommenden Saison laufen fast alle MotoGP-Verträge aus, nur Brad Binder, Johann Zarco und Luca Marini haben ihre Zukunft bereits über 2024 hinaus fixiert. Damit wären theoretisch auch Topfahrer wie Jorge Martin, Enea Bastianini, Marco Bezzecchi oder Fabio Quartararo zu haben. Speziell Letzterer wurde bereits mit dem Hersteller aus Noale in Verbindung gebracht, ein Abgang von Yamaha wirkt nicht unwahrscheinlich. Darüber hinaus besitzt Aprilia eine Option, Miguel Oliveira vom Kundenrennstall in das Werksteam zu befördern.

"Vor zwei Jahren wurde ich Siebter [in der Fahrer-WM, Anm.], letztes Jahr war ich Vierter und dieses Jahr kämpfe ich um Rang fünf. Es kommen jedes Jahr mehr und mehr starke Fahrer zu Aprilia und ich bin trotzdem noch der Schnellste", übt sich Espargaro in Eigenwerbung. Tatsächlich hat der 34-jährige Routinier ein starkes Argument auf seiner Seite: Er gewann 2023 als einziger Aprilia-Pilot einen Sprint und zwei Grand Prix. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sein teaminterner Vorsprung gegenüber Maverick Vinales in der abgelaufenen Saison sichtlich geschmolzen ist. In der Fahrer-WM landeten die beiden Spanier direkt hintereinander auf den Plätzen sechs und sieben, Vinales sammelte nur zwei Punkte weniger (206 zu 204).

Maverick Vinales befindet sich immer mehr auf Augenhöhe mit Aleix Espargaro, Foto: LAT Images
Maverick Vinales befindet sich immer mehr auf Augenhöhe mit Aleix Espargaro, Foto: LAT Images

Speziell in den vergangenen Monaten fiel das Pendel dabei immer häufiger in Richtung des ehemaligen Yamaha-Piloten aus. Seit dem Barcelona-Wochenende Anfang September holte Vinales 91 Punkte, Espargaro nur 52 und damit fast nur halb so viele wie sein Stallgefährte. Beim letzten Rennwochenende in Valencia erzielte Vinales außerdem seine erste Pole Position für Aprilia, Espargaro hatte zuletzt in Thailand im Qualifying die Nase vorne. "Wenn ich hier bin, dann um Rennen zu fahren", unterstreicht der 34-Jährige seine Ambitionen. Er will also nicht um jeden Preis weitermachen, kann sich einen Verbleib momentan aber gut vorstellen: " Ich habe Spaß, mit meiner Familie zu reisen. Ich habe alles, was könnte ich also mehr wollen? Und solange das so ist, kann ich auch weiterfahren."