"Es fühlt sich an, als hätte man mir den WM-Titel gestohlen", sagte Jorge Martin am Sonntagabend in Katar. Sein Hinterreifen funktionierte im vorangegangenen MotoGP-Rennen nicht wie gewünscht, Martin wurde nur Zehnter, verlor 14 Punkte auf WM-Rivale Francesco Bagnaia und ging anschließend dementsprechend hart mit Reifenlieferant Michelin ins Gericht.

Das französische Unternehmen leitete sofort eine Analyse ein. Deren Ergebnis präsentierte man am Donnerstagabend Martins Pramac Team und Ducati, am Freitag wurde auch die Öffentlichkeit in die ersten Erkenntnisse eingeweiht, als sich Motorsportchef Piero Taramasso in Valencia der MotoGP-Presse stellte.

"Jorge ist in seinen Ausführungen hart mit Michelin ins Gericht gegangen. Wir nehmen solche Vorwürfe natürlich sehr ernst", sagte Taramasso. "Wir haben sofort in unserer Fabrik in Frankreich alle Parameter des Produktionsprozesses gecheckt. Dabei haben wir gesehen, dass alles in Ordnung war. Diesbezüglich gab es also kein Problem mit Jorges Hinterreifen. Der zweite Schritt war dann, die Daten von der Strecke zu analysieren, die wir von Pramac und Ducati bekommen haben. Das sind eine Menge Daten und wir konnten sie noch nicht alle analysieren, aber wir haben unseren bisherigen Stand mit Pramac und Ducati geteilt. Wir haben einige Dinge gesehen, aber aktuell gibt es noch keine klare Antwort, wieso Jorges Performance nicht den Erwartungen entsprochen hat. Wir werden weitere Analysen durchführen."

Diese weiteren Analysen umfassen laut Taramasso nach dem Datenstudium eine physische Prüfung: "Wir schneiden den Reifen auf und überprüfen dann alle Materialien und Komponenten. Das dauert aber. Wir rechnen mit einem oder anderthalb Monaten."

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Unterdessen stellt Taramasso auch einen Anwendungsfehler durch Martin in den Raum: "Wir haben diesen harten Hinterreifen nach Katar gebracht, weil es dort einen neuen Asphalt gab und wir keine Testfahrten hatten. Dieser Reifen ist sehr widerstandsfähig, sein Arbeitsfenster aber sehr klein. Je nachdem wie man ihn nutzt bietet er eine bessere oder schlechtere Performance. In den Daten haben wir gesehen, dass der Druck und die Temperatur in der Sichtungsrunde korrekt waren. In den ersten sechs oder sieben Runden war die Performance in Ordnung, dann sehen wir aber einen starken Abbau. Jorges Reifenverschleiß war sehr hoch und Druck sowie Temperatur am Ende höher als bei allen anderen Fahrern."