75 Jahre musste die Motorrad-Weltmeisterschaft alt werden, um erstmals ein Rennwochenende in Indien auszutragen. Der Subkontinent galt seit langer Zeit als Sehnsuchtsort für die MotoGP. Schließlich ist Indien mit über 1,4 Milliarden Einwohnern nicht nur das seit kurzem bevölkerungsreichste Land, sondern auch der größte Markt für motorisierte Zweiräder auf der Welt.
Dass sich die MotoGP die Gelegenheit, hier ein Rennen auszutragen, nicht länger entgehen lassen wollte, ist daher verständlich. Die Premiere 2023 kam aber vielleicht ein Jahr zu früh. Mit viel Mühe brachte man das Event noch im Kalender unter, doch es begann ein Wettlauf gegen die Zeit. Wenige Monate vor dem Grand Prix war die Strecke nicht fertig, Tickets nicht verfügbar und Steuerbestimmungen nicht geregelt.
Schließlich wurden all diese Probleme gelöst, aber nicht vollständig. Umbauten an der Strecke wurden durchgeführt, in einigen Passagen sind die Auslaufzonen aber nach wie vor extrem knapp bemessen. Die MotoGP hatte Glück, alle ihre geplanten Sessions an diesem Wochenende auf trockener Strecke abspulen zu können. Denn die Fahrer der Königsklasse liebäugelten nach heftigen Regenfällen am Samstagmorgen mit einem Streik, wenn sie ihr Sprintrennen auf nasser Fahrbahn bestreiten hätten müssen. Promoter Dorna entging hier also nur ganz knapp einer gewaltigen Blamage.
Diese drohte bereits vor dem Rennwochenende, als große Teile des MotoGP-Fahrerlagers nicht rechtzeitig ihre für die Einreise nach Indien notwendigen Visa erhielten. Flüge mussten storniert und neu gebucht werden, selbst Superstars wie Marc Marquez waren betroffen. Der Honda-Pilot kam erst Donnerstagmittag in Delhi an. Eine ideale Vorbereitung auf ein Rennwochenende sieht definitiv anders aus, die von der Dorna engagierte Agentur zur Bearbeitung der Visaanträge verlangte für ihre Arbeit zwar eine Menge Geld, lieferte aber nicht die versprochenen Ergebnisse. Hier muss für zukünftige Events nachgebessert werden.
Mehr erwartet hatte man sich wohl auch in puncto Zuschauerinteresse. Gerade einmal 111.762 Fans kamen an den drei Tagen an die Rennstrecke - der schlechteste Wert der bisherigen Saison. Und das bei einer Veranstaltung vor den Toren der Metropole Delhi, in deren Großraum fast 33 Millionen Menschen leben. Für den bescheidenen Fan-Zustrom dürfte die lange Ungewissheit rund um das Event verantwortlich sein. Das sollte sich bei weiteren Ausgaben bessern.
Fortschritte braucht es definitiv in der Begleitung des Rennbetriebs durch die freiwilligen Marshals. Sie leisteten sich über das Wochenende hinweg einige Fehler, gingen bei der Bergung gestürzter Fahrer und ihrer Maschinen behäbig zu Werke und sorgten am Freitag sogar für eine Verzögerung im Zeitplan, als viele von ihnen nicht rechtzeitig zu den Nachmittagstrainings auf ihren Posten erschienen. Derartige Missstände sind einer Weltmeisterschaft unwürdig. Die Verantwortlichen des Buddh International Circuit müssen in bessere Schulung und Ausbildung ihrer Marshals investieren.
Dann könnte die einst für die Formel 1 designte Strecke zu einem uneingeschränkten Liebling von Fahrern und Fans werden. Denn mit seinem abwechslungsreichen Layout, das schnelle Kurven mit technischen Passagen und langen Geraden kombiniert, ist der Buddh International Circuit definitiv eine Bereicherung für den MotoGP-Kalender.
Der Indien-Grand-Prix hat definitiv viel Potenzial. Die Premiere verlief holprig, aber - mit etwas Glück - im Endeffekt doch zufriedenstellend. Nun gilt aus den Fehler zu lernen und 2024 ein Event auf die Beine zu stellen, dass dem Land und seiner MotoGP-Begeisterung gerecht wird.
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