Die MotoGP-Fans bekamen bereits im Auftaktrennen in Katar die erste emotionale "David gegen Golaith"-Geschichte geboten. Underdog Enea Bastianini setzte sich am Sonntag gegen die großen Favoriten durch und holte seinen ersten Sieg in der Königsklasse.

Dieser Erfolg war in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes: Bastianini ist einer von nur vier Fahrern im 24 Piloten starken Feld, der mit Material aus dem Vorjahr Vorlieb nehmen muss. Zudem war es das erste Rennen, das Gresini Racing wieder als eigenständiges Team bestritt, nachdem man zuletzt sieben Jahre lediglich als Einsatzmannschaft für Aprilias Werkseinsatz tätig war.

In Gedanken bei Fausto Gresini

Entsprechend groß waren die Emotionen, die mit der Zieldurchfahrt durch die Gresini-Box fegten. Nadia Padovani, die seit dem Tod ihres Mannes Fausto Gresini vor rund einem Jahr die Geschicke des Teams lenkt, verdrückte bereits in den letzten Runden des Katar-GP Tränen. Nach dem Fallen der karierten Flagge wurde auch Bastianini von seinen Emotionen übermannt.

"Ich möchte diesen Sieg Fausto widmen. Er hat mich heute aus dem Himmel unterstützt. Das ist fantastisch für das Team. Ich glaube, heute mussten wir alle weinen", gab der Sieger wenig später beim Interview im Parc ferme zu Protokoll. Fausto Gresini hatte im Herbst vor eineinhalb Jahren seinen Rennstall noch selbst zurück in die Unabhängigkeit von Aprilia geführt und erste Weichen für den Ducati-Deal gelegt, ehe ihn im Winter 2020/21 das Coronavirus ereilte, an dessen Folgen er schließlich verstarb.

Nach dem tragischen Tod hing die MotoGP-Zukunft seines Lebenswerks am seidenen Faden. Doch Padovani konnte gemeinsam mit ihren Söhnen und langjährigen Wegbegleitern die nötigen Gelder sichern und alle Verträge ins Trockene bringen. Bastianini war von Beginn an als Herzstück des neuen Projektes gedacht. Denn der Moto2-Champion von 2020 hatte bereits in der Moto3 drei Jahre für Gresini Racing gedient.

Großen Worten folgten nun Taten

Im Rahmen der Team-Präsentation im Januar hatten sowohl Padovani als auch Bastianini mit großen Ambitionen aufhorchen lassen. Dass es sich dabei nicht nur um heiße Luft handelte, bewies der Italiener am Sonntag in Katar. "Ich war bereits vor dem Rennen zuversichtlich, aber man weiß ja nie", gestand er in der Pressekonferenz nach seinem Sieg.

"Die letzte Runde war eine der längsten meines Lebens", so Bastianini. "Es ist nicht leicht, wenn du merkst, dass hinter dir jemand näherkommt. Ich konnte nicht mehr zu stark pushen und ich wollte auf keinen Fall zu viel Risiko eingehen. Aber es war fantastisch, schon während der Fahrt zu wissen, was mich nach der Zieldurchfahrt erwartet."

Jubelstürme brachen zunächst im Parc ferme und später in der Box über den siegreichen Underdog herein. "Dieser Sieg war unerwartet. Es war schön, dass ich mit Nadia bei der Siegerehrung dort oben stehen konnte und wir all die glücklichen Gesichter unseres Teams sehen konnten." Für das Gresini-Team war es der erste Sieg in der MotoGP seit Toni Elias im Oktober 2006 in Estoril Valentino Rossi um zwei Tausendstelsekunden bezwungen hatte.

Ehrenrettung für Ducati

Bastianini ließ am Sonntag aber nicht nur seine eigene Mannschaft jubeln, sondern rettet für Ducati auch ein völlig verpatztes Wochenende. Der Konstrukteurs-Weltmeister verlor in Katar nicht nur Jack Miller durch einen Defekt, sondern musste auch eine Kollision zwischen Francesco Bagnaia und Jorge Martin mitansehen, die beide Ducatisti aus dem Rennen riss. Johann Zarco (8.) kam ebenso wenig in Fahrt wie Luca Marini (13.). So waren es nicht die fünf Desmosedici der aktuellsten Generation, die für die Italiener in der Hersteller-WM punkteten, sondern Bastianinis GP21 - jenes Bike, auf dem Bagnaia im letzten Saisondrittel zu stärksten MotoGP-Fahrer aufstieg.

Darf sich Bastianini auf diesem Motorrad womöglich sogar Chancen auf den Titel ausrechnen? "Ich weiß noch nicht, ob wir auf allen Strecken schnell sein können", gab sich der Katar-Sieger bedeckt. "Im Moment haben wir ein gutes Motorrad mit großem Potenzial, mit dem wir schon bei den Testfahrten überall schnell waren. Ich würde sehr gerne in jedem Rennen auf dem Podest stehen, aber das wird wohl schwierig."

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