Das vergangene Rennwochenende der Superbike-WM wurde vom tödlichen Unfall von Dean Berta Vinales überschattet. Michel Fabrizio schwang sich in den tragischen Stunden zu einem der Rädelsführer der Fahrer auf und hielt mit Kritik am Weltverband FIM, Promoter Dorna und selbst an Marc Marquez nicht hinter dem Berg.

In einem Posting auf Social Media nahm der 37-jährige Italiener den achtfachen Motorrad-Weltmeister ins Kreuzfeuer: "Valentino Rossi wurde vor Jahren, als Marquez in die MotoGP kam, kritisiert, weil er sich über Marquez' 'unfaire' Manöver beschwerte. Man muss ihm aber zustimmen. Marc ist zu einem Bezugspunkt geworden: Diese jungen Fahrer ahmen seinen Leistungen nach, überholen zu viel am Limit, lehnen sich an ihre Gegner an und riskieren jeden Zentimeter."

Damit gab Fabrizio indirekt Marquez eine Mitschuld an der aggressiven Fahrweise, die bereits in den Nachwuchsklassen an den Tag gelegt wird und die für den Italiener einer der Gründe sei, warum es 2021 in von der Dorna geführten Rennklassen bereits drei tödliche Unfälle von Teenagern gab. Am Donnerstag wurde Marquez in der offiziellen MotoGP-Pressekonferenz auf diese Vorwürfe angesprochen.

Kein Verständnis für Fabrizios Kritik

"Als ich die Kommentare dieser Person gesehen habe, konnte ich kaum fassen, wie ein Rennfahrer so etwas sagen könne", holte Marquez aus. "Mit solchen Aussagen möchte ich erst gar nicht meine Zeit verschwenden. Als ich das gelesen habe, habe ich direkt weitergescrollt." Unterstützung bekam Marquez indes von den beiden WM-Rivalen. So meinte Fabio Quartararo dazu: "Manche Leute reden manchmal einfach zu viel. Sich mit solchen Aussagen auseinanderzusetzen, ist reine Zeitverschwendung." Bagnaia fügte hinzu: "Er (Fabrizio; Anm.) hatte nicht einmal den nötigen Respekt, in diesen schwierigen Zeiten einfach still zu sein."

Wenige Stunden zuvor war Fabrizio bereits ein wenig zurückgerudert. In einem Video-Interview mit den italienischen Kollegen von "GPone" relativierte er seine Kritik: "Ich wollte Marc mit meiner Aussage vom Samstag überhaupt nicht attackieren. Ich wollte nur sagen, dass er das Idol der heutigen Kids ist, so wie das einst ein Doohan für mich war. Alle wollen ihn nachahmen, ohne das nötige Rüstzeug dafür zu haben. Und das ist gefährlich."

Fabrizio forderte vor allem den Weltverband FIM zum Handeln auf. So seien Starterfelder von 40 und mehr Fahrern einfach zu groß. Zudem gäbe es vorab keine ausreichende Kontrolle des fahrerischen Könnens und kaum Konsequenzen für Fahrer, die an Unfällen beteiligt sind. "Früher hast du es nur dann in die Weltmeisterschaft geschafft, wenn du davor dein Können unter Beweis gestellt hast. Heute ist ein Koffer voller Geld leider mehr wert (als sportliche Qualifikation; Anm.). Es kann nicht sein, dass wir eine Grid von um die 40 Fahrern haben", so Fabrizio.

Zu große Starterfelder?

Im Rennen der Supersport300-Klasse, in dem Vinales sein Leben ließ, standen 42 Fahrer in der Startaufstellung. Im Lauf zum European Talent Cup, in dem Ende Juli der 14-jährige Hugo Millan verstarb, durften 38 Fahrer zum Rennen antreten. Beide Fahrer wurden, so wie der Schweizer Moto3-Pilot Jason Dupasquier im Mai, von nachkommenden Fahrern überrollt. Unter der Führung von Vermarkter Dorna wurden in den vergangenen Jahren einige Nachwuchsserien neu installiert, die teilweise riesige Starterfelder aufweisen.

"Viel zu viele Fahrer mit wenig oder gar keiner Erfahrung. Und das nicht nur bei der Weltmeisterschaft so sondern auch bei nationalen Meisterschaften, wo alles bis auf den letzten Platz besetzt ist, um Geld zu verdienen", hatte Fabrizio unmittelbar nach dem tödlichen Unfall von Vinales kritisiert. Ein Kritikpunkt, dem Marquez am Donnerstag zustimmen konnte: "Vor 20 Jahren gab es vier, vielleicht fünf relevante Rennklassen. Wenn du gut warst, konntest du dort einen Platz ergattern. Wenn du nicht gut warst, musstest du zuhause bleiben. Heutzutage kannst du es locker in einer anderen Kategorie versuchen, wenn du es in einer nicht schaffst. Du hast beinahe an jedem Wochenende irgendwo ein Motorradrennen. Dadurch ist natürlich auch das Risiko von solchen Unfällen größer als in der Vergangenheit, wo es einfach nicht so viele Rennen gab."