Der frühzeitige Abgang von Maverick Vinales bei Yamaha mit Saisonende 2021 hat ein Erdbeben am MotoGP-Fahrermarkt ausgelöst. Einer der Profiteure könnte Deutschlands einziger WM-Stammfahrer sein: Marcel Schrötter. Er ist plötzlich Anwärter auf einen Platz in der Königsklasse im kommenden Jahr.

Aber alles von vorne: Vinales verlässt das Yamaha-Werksteam mit Ende 2021. Seinen Platz wird mit ziemlicher Sicherheit Franco Morbidelli einnehmen. "Er hat uns darum gebeten und wir haben ihm bereits grünes Licht gegeben", verrät Morbidellis derzeitiger Teamchef bei Petronas Yamaha, Razlan Razali. "Das ist ein natürlicher Prozess. Es ist sein Traum. Da konnten wir nicht nein sagen." Nun gibt es lediglich noch Details zwischen Yamaha und dem VR46-Konstrukt zu klären, dem Morbidelli als Academy-Pilot ja angehört.

Durch den Wechsel von Morbidelli und dem sehr wahrscheinlichen Karriereende von Valentino Rossi muss man bei Petronas SRT nun wohl zwei Plätze nachbesetzen. Die Auswahl an Fahrern ist dabei gering: Alle Hochkaräter der MotoGP sind vertraglich bereits gebunden. Yamahas Superbike-Asse Toprak Razgatlioglu und Garrett Gerloff waren im Gespräch, doch beide haben sich mittlerweile für einen Verbleib in der WSBK entschieden. Der 35-jährige Andrea Dovizioso wurde von seinem Manager ebenfalls wieder ins Spiel gebracht, doch diese Variante wischt Razali vom Tisch. Ebenso wie den Namen des 34-jährigen Jonathan Rea: "Leider spricht sein Alter gegen ihn. Wir wollen uns auf jüngere Fahrer konzentrieren."

Die findet man logischerweise am ehesten in der Moto2. Die dortigen Petronas-Fahrer Xavi Vierge und Jake Dixon konnten bislang aber kaum überzeugen, weshalb sich der Rennstall nun auch bei der Konkurrenz umsieht. "Wir schauen uns die Moto2 vom ersten bis zum neunten Platz an, wo sich Xavi befindet. Da sind immer noch einige Fahrer wie Marco Bezzecchi, Joe Roberts oder Marcel Schrötter verfügbar", so Razali gegenüber 'MCN'.

MotoGP-Talk: Warum warf Maverick Vinales bei Yamaha hin? (37:56 Min.)

Tun wir es also Razali gleich und sehen uns die Tabelle genau an. WM-Leader ist Remy Gardner, der seinen MotoGP-Vertrag mit Tech3 für 2022 bereits in der Tasche hat. Dahinter liegt Raul Fernandez, dem ein Angebot von Petronas SRT vorgelegen sein soll. Er wird KTM aber treu bleiben, entweder in der Moto2 oder der MotoGP. Der drittplatzierte Marco Bezzecchi ist theoretisch noch nicht gebunden, die logische Option für ihn ist aber das VR46-Team. Sam Lowes ist Vierter der Moto2-Gesamtwertung, hatte seine MotoGP-Chance bereits 2017 bei Aprilia und ist mit fünf Punkten klar gescheitert. P5 belegt Fabio Di Giannantonio, dessen Zukunft ebenfalls bereits geklärt ist: Er fährt 2022 MotoGP bei Gresini Ducati.

Und dann folgt in der WM-Tabelle bereits Marcel Schrötter. Erst dahinter liegen Aron Canet, Augusto Fernandez, Xavi Vierge oder Joe Roberts. Auch wenn die Chance für Schrötter etwas überraschend kommt, folgt sie also doch einer Logik. Motorsport-Magazin.com hat bei ihm nachgefragt und den aktuellen Stand der Dinge in Erfahrung gebracht. "Es gab Kontakt zum Petronas-Team, aber das gilt wahrscheinlich für 80 Prozent des Fahrerlagers", schmunzelt der Bayer. "Razlan kenne ich aber persönlich sehr gut aus meiner Zeit in Spanien. Da haben immer viele Malaysier mit uns trainiert und Razlan war oft mit dabei. Den Kontakt haben wir immer gehalten und in diesem und letzten Jahr auch regelmäßig darüber geredet, was möglich ist. Es scheint so, als würde sich nun eine Chance für 2022 ergeben. Wie groß die ist, weiß ich aber selber nicht."

Fünf Mal jubelte Schrötter bereits vom Moto2-Podium, Foto: Dynavolt Intact GP/Fritz Glänzel
Fünf Mal jubelte Schrötter bereits vom Moto2-Podium, Foto: Dynavolt Intact GP/Fritz Glänzel

Denn der Petronas-Rennstall hat ab dem kommenden Jahr nur noch bedingt Einfluss auf die Fahrerwahl. Yamaha tut es anderen Herstellern gleich und diktiert seinem Kundenteam mehr oder weniger das Line-Up, im Gegenzug wird der technische Support hochgefahren. "Yamaha sucht die Fahrer quasi aus", weiß auch Schrötter. Neben Yamaha könnte aber auch noch eine weitere Partei ein Wörtchen mitreden: MotoGP-Promoter Dorna. Dort greift man nämlich gerne ein, wenn sich die Möglichkeit ergibt, einen wichtigen Markt zu bedienen. Und ein solcher ist der deutsche definitiv. "Im Kampf gegen die anderen Leute auf der Liste hoffe ich schon auch auf die Unterstützung der Dorna. Dass wir genügend Spanier in der MotoGP haben, weiß glaub ich jeder. So könnten meine Chancen etwas steigen", glaubt Schrötter. Was gegen ihn spricht, ist wohl sein Alter. Er wäre zum Saisonstart 2022 bereits 29 Jahre alt und damit für einen MotoGP-Rookie doch schon recht reif.

Marcel Schrötter: MotoGP großer Traum

Schrötter kämpft aber weiterhin für sein großes Ziel: "Der Traum von der MotoGP ist immer noch lebendig. Dass ich jetzt auch offiziell einmal genannt worden bin und über mich gesprochen wird, macht mich natürlich stolz und gibt Hoffnung. Jetzt kann ich nur abwarten und die Resultate für mich sprechen lassen. Die nächsten zwei Rennen werden wohl entscheiden, wo es für mich hingeht." Diese beiden Grands Prix finden passenderweise am Red Bull Ring statt, wo Schrötter im Vorjahr mit Platz drei sein bestes Saisonergebnis holte.