Fünf Jahre ist es her, dass die KTM RC16 in den Händen von Alex Hofmann erstmals eine Rennstrecke unter die Räder genommen hat. In den letzten Oktobertagen 2015 fand am Red Bull Ring das erste Rollout statt. 2020 durfte sich KTM in Brünn, Spielberg und Portimao erstmals in die Siegerlisten der Königsklasse eintragen. Dazwischen liegen eine Menge Blut, Schweiß und Tränen. Brad Binder und Miguel Oliveira waren die Männer, die die Erfolge für den jüngsten der sechs MotoGP-Hersteller einfuhren. Im Hintergrund leistete aber eine wahre Armee an mehr oder weniger bekannten Mitarbeitern in Orange die Basisarbeit, um diesen Triumph überhaupt möglich zu machen. Sie sollte man trotz der herausragenden Leistung der Einsatzfahrer nicht vergessen. Zusammen mit KTM-Motorsportchef Pit Beirer, selbst von unvorstellbarem Wert für das Projekt, zeigen wir ihre Verdienste.

Mike Leitner

Der ehemalige Rennfahrer, von 1984 bis 1990 selbst in der 125ccm-WM unterwegs, ist ein bodenständiger Mann. Freundlich und ruhig im persönlichen Umgang, aber ein knallharter Arbeiter in der Fabrik und an der Rennstrecke. Nach seiner aktiven Karriere machte sich Leitner einen Namen als langjähriger Crewchief von Dani Pedrosa, gewann zusammen mit ihm zweimal den 250ccm-Weltmeistertitel und wurde in der MotoGP drei Mal Vizeweltmeister. 2015 nahm er die Führungsposition des damals noch im Testbetrieb befindlichen MotoGP-Projekts von KTM an - eine echte Mammutaufgabe. Neben technischem Verständnis brachte der Oberösterreicher vor allem unbändige Motivation mit. "Ihm gebührt der größte Dank", sagt Pit Beirer. "Mike ist die große Konstante in unserem Projekt. Er hat von Beginn an jeden einzelnen Tag Vollgas gegeben und ist mir ständig in den Ohren gelegen: 'Wir müssen diese Person verpflichten. Wir müssen hier aufstocken. Wir müssen einen neuen Rahmen bauen.' Manchmal habe ich ihn aus meinem Büro geworfen, weil ich andere Dinge erledigen musste. Dann hat er mir eben einen Brief durch den Türschlitz geschoben. Mike hat einfach nie aufgegeben."

Pol Espargaro

Der Mann mit der Startnummer 44 ist das Gesicht von KTMs MotoGP-Projekt. 2017 bildete er zusammen mit Bradley Smith das erste Einsatzfahrer-Duo in der Königsklasse und war bis Saisonende 2020 mit an Bord. Espargaro übernahm sofort nach seiner Ankunft die Rolle als Teamleader und hakte für KTM erste wichtige Meilensteine wie die Podiumspremiere 2018 im Regen von Valencia ab. Der erste Sieg auf einer RC16 konnte eigentlich nur ihm gelingen. Da war sich das MotoGP-Fahrerlager so gut wie einig. Eine Mischung aus Pech und vermeidbaren Eigenfehlern sowie der sensationelle Einstand von Brad Binder sorgten dafür, dass es nicht dazu kam. Espargaros Anteil an den ersten Siegen ist dennoch riesig. "Jahrelang haben alle gesagt, dass nur ein Pilot mit unserem Bike schnell sein kann. Und zwar Pol, weil er da draußen sein Leben riskiert. Das ist auch gar nicht falsch und deshalb habe ich so unglaublich großen Respekt vor ihm", schwärmt Beirer. "Er hat sich bei uns auf dieses Abenteuer eingelassen und musste harte Zeiten durchmachen, aber er hat immer abgeliefert." Für 2021 verlässt er nach vier gemeinsamen Saisons KTM dennoch und dockt als Teamkollege von Marc Marquez bei Repsol Honda an.

Stefan Pierer

Rennsport ist eigentlich nicht die Kernkompetenz von Stefan Pierer. Als Vorstandsvorsitzender der KTM AG lenkt er den Konzern und trifft die großen wirtschaftlichen und strategischen Entscheidungen. In dieser Rolle verwandelte er KTM von einem insolventen 200-Mann-Betrieb in ein florierendes Unternehmen mit mehr als 4.000 Mitarbeitern. Pierer ist ein Mann großer Worte, was nicht immer und überall gut ankommt. Er ist aber auch ein Mann großer Visionen. Eine davon: Nach Siegen in allen Motorrad-Disziplinen von der Dakar über die Motocross-WM bis hin zur Moto3 soll KTM auch in der MotoGP triumphieren. Für ihn typisch äußerte er dieses Ziel ganz öffentlich und sorgte damit für Verwunderung und auch Kritik. Der olympische Gedanke zähle für ihn nicht, so Pierer. Und der Erfolg sollte sich schließlich einstellen. "Er hat das Unternehmen zu dem gemacht, was es ist. Ohne ihn hätte KTM nie die Größe und Stärke, um ein MotoGP-Projekt überhaupt zu stemmen. Außerdem hat er uns über all die Jahre hinweg die Stabilität gegeben, die so wichtig ist, um gute Arbeit zu liefern", bedankt sich Beirer bei seinem Chef.

Dani Pedrosa

Dass der kleine Katalane nach 18 WM-Saisons mit Honda 2019 als Testfahrer bei KTM andockte, erschien vielen Beobachtern als bizarre Entscheidung - für beide Seiten. Pedrosa selbst machte sich einen Legendenstatus bei Honda zunichte und KTM hatte einen Fahrer mit der Entwicklung seines Motorrads beauftragt, der aufgrund seiner Körpergröße von gerade einmal 158 Zentimetern und nur rund 50 Kilogramm einen ganz eigenen Fahrstil pflegt. Pedrosa hatte weiterhin Lust auf MotoGP-Bikes, fühlte sich unter dem neuen HRC-Teamchef Alberto Puig aber nicht wertgeschätzt. Und KTM sah in ihm den feinfühligen und erfahrenen Piloten mit immer noch ausgezeichnetem Speed, den man brauchte, um die letzte Lücke zur Spitze zu schließen. "Dani hat unserem Projekt noch einmal eine ganz neue Entwicklungsrichtung gegeben. Mit ihm ist uns der endgültige Durchbruch gelungen", beschreibt Beirer den Einfluss des 54-fachen Grand-Prix-Siegers.

Herve Poncharal

Im Vorjahr belieferte KTM erstmals ein Kundenteam. Herve Poncharal verließ den sicheren Yamaha-Hafen und wagte sich mit seiner Tech3-Truppe in ein neues Abenteuer. Für KTM bedeutete das vier statt zwei Fahrer und somit das doppelte Feedback. Zudem sorgte Tech3-Mann Miguel Oliveira mit guten Leistungen im Kundenteam für Entlastung bei Pol Espargaro, der nun nicht mehr alleine im Rampenlicht stand. Ein Umstand, der nicht zuletzt damit zu begründen ist, dass Poncharal in den vergangenen Jahrzehnten eines der besten Privatteams der MotoGP aufbaute. "Das Team hat viele Jahre Erfahrung und in der WM großartige Ergebnisse aufzuweisen. Ihre professionelle Struktur hat auch uns stärker gemacht. Vier KTM RC16 in der Startaufstellung zu haben, war ein großer Schritt für uns", so Beirer. Mit seinem menschlichen Führungsstil fügte sich Poncharal auch charakterlich ideal in die familiäre KTM-Struktur ein.

Mika Kallio

Wer Dani Pedrosa sagt, muss auch Mika Kallio sagen. Natürlich war es Pedrosa, welcher KTM in der entscheidenden Phase noch einmal einen Schub in der Motorradentwicklung gab. Die jahrelange Basisarbeit leistete aber Kallio. Von November 2015 an spulte er tausende von Runden mit der RC16 ab und testete dabei unzählige Rahmen-, Motor-, Elektronik- und Fahrwerkskonfigurationen. Eine Tätigkeit, die nichts mit dem Glanz und Glamour eines MotoGP-Rennwochenendes zu tun hat. Kallio erfüllt sie aber bis heute mit viel Geduld, Sorgfalt und Eifer. Allesamt wichtige Tugenden eines Testfahrers. Beirer ist überzeugt: "Ohne Mikas Arbeit und seine Erfahrung, die er über die Jahre hinweg mit der RC16 angehäuft hat, wären wir nie in so kurzer Zeit nach vorne gekommen."

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