So hatte sich der frischgebackene Weltmeister Joan Mir den Abschied von der MotoGP-Saison 2020 sicher nicht vorgestellt. Nur wenige Tage nach seiner Krönung zum diesjährigen Champion der Königsklasse wurde aus dem Saisonfinale in Portimao ein einziger Alptraum für den Suzuki-Piloten. Wir blicken auf das Horror-Wochenende von Joan Mir zurück.

Der erste Trainingstag begann für den Weltmeister noch recht normal. In den beiden verlängerten Sessions wurde Mir Siebter und Sechster, in der kombinierten Wertung landete er damit auf Rang sechs. Auf den Tagesschnellsten Johann Zarco fehlten dem Suzuki-Piloten nur 0.315 Sekunden. "Ich fühle mich hier ganz gut", sagte Mir dementsprechend am Freitagabend. "Wir haben heute viel am Setup und der Elektronik gearbeitet, denn es ist wirklich schwierig, sich an diese Strecke anzupassen. Am Ende des Tages haben wir es aber geschafft und ich konnte eine gute Pace fahren."

Erstes Desaster im Qualifying

Doch statt von Freitag auf Samstag die Performance zu verbessern, ging es für Mir im Qualifying eher in die entgegengesetzte Richtung. Im dritten Freien Training landete der Weltmeister nur auf Rang 15 - was für ihn einen Platz im Q1 bedeutete. Training und Qualifying waren in der abgelaufenen Saison zwar nie die große Stärke von Mir (oder seinem Teamkollegen Alex Rins), aber auch im auf die Rennvorbereitung ausgelegten FP4 landete der Weltmeister nur auf Rang zwölf.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits abzusehen, dass es kein einfaches Qualifying für den Suzuki-Pilot werden würde. Mit einem solchen Debakel, wie es schlussendlich eintrat, hatte aber wohl niemand gerechnet. Am Ende der 15-minütigen Session lag der amtierende Weltmeister nur auf einem demütigenden, zehnten Rang, gleichbedeutend mit Startplatz 20 für das letzte Rennen des Jahres. Auf die Q1-Bestzeit von Cal Crutchlow, der es ins Q2 und schließlich auf Grid-Rang vier schaffte, fehlte Mir mehr als eine Sekunde.

Schuld an dieser desaströsen Vorstellung war nicht er selbst, sondern ein Problem an seiner Suzuki. "Wir hatten ein Problem an der Elektronik", gestand der Weltmeister am Samstagabend deprimiert. "Als wir festgestellt haben, was es war, war es schon zu spät. Es war ein schwieriger Tag, an dem ich nicht gut performen konnte."

Zu diesem Zeitpunkt war Mir allerdings noch zuversichtlich, dass es - auch von Startplatz 20 aus - am Sonntag besser für ihn laufen würde. "Wir haben das Problem jetzt erkannt und können es für morgen auf jeden Fall beheben. Ich bin überzeugt, dass wir im Rennen ein Comeback feiern können", schloss er Samstagabend seine Medienrunde noch ab.

DNF im letzten Rennen

Dazu sollte es aber auch nicht kommen. Zwar konnten Mir und sein Team das Elektronik-Problem vom Samstag tatsächlich beheben, allerdings taten sich am Sonntag neue Schwierigkeiten auf. Die Startphase lief für den Suzuki-Piloten noch gut, auf der ersten Runde fuhr er bereits von P20 vor aus P12. Nur eine Lap später rauschte er aber in Kurve drei ins Heck von Zarcos Ducati, stürzte dabei fast und fiel erneut auf Rang 20 zurück. Wenig später folgte auch noch ein Rempler mit Francesco Bagnaia, der das Rennen danach aufgeben musste. In der Box hielt sich der Pramac-Pilot schmerzverzerrt die rechte Schulter.

"Das tut mir wirklich leid", zeigte sich Mir nach dem Rennen reumütig. "Ich war bei diesem Manöver sehr aggressiv, das war viel zu viel. Ich habe sowas selber schon oft kritisiert. Es war vielleicht nicht komplett unfair, aber sicher nicht mein bestes Manöver."

Schließlich wirkte sich dieses aggressive Verhalten auch auf sein eigenes Rennen aus. In der 16. Runde musste Mir selbst aufgeben und in die Pitlane abbiegen. Kopfschüttelnd stieg er von seinem Bike und verschwand in der Box. Zum Glück für ihn hatte er zu diesem Zeitpunkt den Titel schon sicher, sonst hätte es mit einem DNF und null Punkten beim Saisonfinale problematisch werden können.

Grund für das vorzeitiges Aus Mirs war ein Technik-Problem, ausgelöst von einem seiner beiden Zusammenstöße im Rennen. "Es war wirklich ein Tag voller Pech", seufzte der Suzuki-Pilot am Sonntag nach dem Rennen. "Die ersten zwei Runden liefen gut, aber ich weiß nicht, ob es an dem Zusammenstoß mit Francesco (Bagnaia) oder Johann (Zarco) lag, aber die Elektronik hat irgendwann ausgesetzt."

Mir erklärt sein vermasseltes Portimao-Rennen weiter: "Auf manchen Abschnitten auf der Strecke hatte ich keine Traktions- und Anti-Wheelie-Kontrolle, an anderen schon. Irgendwie hat sich der Zwischenfall mit Francesco oder Johann auf die Elektronik ausgewirkt. Welcher es war, weiß ich nicht."

Unter diesen Umständen war es dem Weltmeister nicht nur nicht möglich, ein anständiges Rennen zu Ende zu fahren, er wurde so auch zu einer Gefahr für sich und seine Konkurrenten. "Es war eine sehr gefährlich Situation", ist Mir auch im Nachhinein überzeugt. "Ich hatte außerdem viele Wackler im Rennen. Je mehr der Reifen sich abnutze, desto schlimmer wurde es. Ich hatte keine andere Wahl, als an die Box zu kommen."

Samstag und Sonntag unterschiedliche Probleme

Zwei Technik-Pannen in zwei Tagen - so wollte der Weltmeister 'seine' Saison gewiss nicht zu Ende bringen. "Es ist schade, dass es so enden musste, aber so ist das Leben manchmal", schätzte Mir später ein.

Sein Team und er sind aber davon überzeugt, dass es zwei unterschiedliche Probleme waren. "Das Technik-Problem vom Samstag haben wir behoben, das heute war etwas anderes", stellte er am Sonntag klar. "Im Rennen ist das Problem vom Samstag nicht mehr aufgetaucht."

Wo es für ihn hätte hingehen können, wäre es besser gelaufen wäre, darüber will der Champion nicht nachdenken. "Das weiß ich nicht", macht er deutlich. "Das Problem war ja da. Ich bin kein Fan davon, Vermutungen anzustellen. Ich weiß es einfach nicht."