Mit großen Erwartungen kam Joan Mir im Vorjahr in die MotoGP. In den kleineren Klassen hat er zuvor schon mächtig aufgezeigt. 2017 gewann er den Moto3-Weltmeistertitel souverän und siegte in zehn der 18 Saisonrennen. Auch der Aufstieg in die Moto2 verlief reibungslos und Mir beendete sein erstes und einziges Jahr in der mittleren Klasse auf dem starken sechsten Gesamtrang.

Doch in der Königsklasse wehte im ein anderer Wind entgegen. In seinen ersten fünf Rennen konnte er nur einmal punkten. Nach einem besseren Zwischenspurt gegen Ende der ersten Saisonhälfte sollte ihn ein schwerer Sturz bei Testfahrten in Brünn erneut zurückwerfen. Er zog sich dabei Lungenverletzungen zu und verpasste die folgenden beiden Rennen. Vor allem bei höheren Temperaturen hatte Mir noch am Ende der Saison Atemprobleme. Das bescherte ihm in der Endabrechnung eine deutliche Niederlage im Teamduell mit Alex Rins. 205 zu 92 Punkte standen da zu Buche.

2020 hat sich das Blatt aber gewendet und Mir hat nicht vom angeschlagenen Rins die Rolle des Teamleaders übernommen, sondern ist zu einem absoluten Spitzenpiloten der MotoGP gereift. Einen holprigen Saisonstart mit einem Sturz im ersten Jerez-Rennen und einer unverschuldeten Kollision mit Iker Lecuona in Brünn wischte er schnell beiseite und startet ab Österreich so richtig durch.

Joan Mir auf Kurs Richtung WM-Spitze

Die Statistik der letzten vier Saisonrennen in Spielberg und Misano spricht eine deutliche Sprache. Fabio Quartararo holte in diesem Zeitraum kein einziges Podium und nur 24 Zähler. Maverick Vinales kam auf 41 Punkte, überzeugte aber nur beim letzten der vier Rennen. Andrea Dovizioso gelangen 53 Zähler, seine Formkurve zeigt mit den Rängen eins, fünf, sieben und acht aber konstant bergab. Mir hingegen holte 69 Punkte und stand drei Mal auf dem Podium. Schlechtestes Ergebnis war ein vierter Platz im zweiten Österreich-GP, den Mir aber wohl gewonnen hätte, wäre da nicht der Abbruch nach Maverick Vinales' Bremsversagen gewesen.

In Spielberg stand Mir vor seinem ersten MotoGP-Sieg, Foto: MotoGP.com
In Spielberg stand Mir vor seinem ersten MotoGP-Sieg, Foto: MotoGP.com

Der 23-Jährige ließ zuletzt also absolut nichts anbrennen und arbeitete sich so bis auf vier Zähler an WM-Leader Dovizioso heran. Auch für ihn eine faustdicke Überraschung. "Ich hätte das nicht erwartet", sagte er am Sonntag. "Dann waren wir aber in Österreich wirklich konkurrenzfähig und mir ist das erste Podium gelungen. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, denn warum sollte es nicht häufiger gelingen, wenn man es schon einmal geschafft hat? Es hat bei mir auch mental richtig 'Klick' gemacht.

Traut sich Joan Mir den MotoGP-Titel zu?

Kein Wunder also, dass sich Fragen zu einem möglichen MotoGP-Titelgewinn 2020 mehren. "Natürlich habe ich das Gefühl, dass ich um den Titel kämpfen kann. Wir sind sehr konstant unterwegs und mein Motorrad ist super ausbalanciert. Die Suzuki scheint auf allen Strecken gut zu funktionieren", gibt sich Mir selbstbewusst. "Ich denke aber nicht allzu viel an die WM, denn es sind noch viele Rennen zu fahren. Wir stehen gerade einmal bei Saisonhalbzeit und alle Spitzenfahrer haben in etwa gleich viele Punkte. Es ist also fast so, als würden wir wieder bei Null beginnen."

Mirs Leistungen in den bisher sieben Saisonrennen waren mit Ausnahme seines Patzers beim Auftakt makellos. Teuer zu stehen kommen könnten ihm aber seine vergleichsweise schwachen Leistungen am Samstag. Erst einmal stand er in diesem Jahr in der ersten Reihe, beim Steiermark-GP in Spielberg mit P3. Seine restlichen Startpositionen: 10, 10, 9, 6, 8 und 11.