Was anfangs noch wie ein völlig verrückter Wunschtraum klang, ist inzwischen Realität: Andrea Iannone wird am kommenden Wochenende mit dem VR46-Team in die MotoGP zurückkehren, er vertritt in Malaysia den verletzt ausfallenden Fabio Di Giannantonio. Nach fast fünf Jahren Abstinenz, ausgelöst durch eine Dopingsperre, startet 'The Maniac' damit nochmal in der Königsklasse. Ohne Zweifel eines der größten Comebacks in der MotoGP-Geschichte, aber bei Weitem nicht das erste. Motorsport-Magazin.com blickt zurück.
Olivier Jacque: Von der Ersatzbank auf das MotoGP-Podium
Beginnen wir unsere Zeitreise im Jahr 2005, als Kawasaki zum dritten Saisonrennen in China einen Ersatz für den verletzten Alex Hofmann suchte. Fündig wurden die Japaner in 250ccm-Weltmeister Olivier Jacque aus der Saison 2000, der zuletzt 2003 als Stammfahrer für Tech3-Yamaha in der Königsklasse unterwegs gewesen war. Große Erfolge hatte der damals 31-jährige Franzose nicht vorweisen können, ein vierter Platz war sein bestes Resultat. Nach 16 Monaten ohne Stammplatz erwartete in China daher niemand etwas vom Kawasaki-Ersatzpiloten.
Umso beeindruckender sollte sich die knallgelbe Startnummer 19 dann jedoch in der Königsklasse zurückmelden - mit einem Podiumsplatz nämlich, dem erst zweiten in der MotoGP-Geschichte Kawasakis. Beim Debüt des Shanghai International Circuit machte sich Jacque die schwierigen Bedingungen zu Nutze, heftige Niederschläge sorgten für ein chaotisches Regenrennen. Von Startplatz 15 aus kämpfte sich der Kawasaki-Pilot nach und nach durch das Feld, in Runde 15 verdrängte er Sete Gibernau von Rang zwei. Zum Sensationssieg reichte es nicht mehr ganz, zweieinhalb Sekunden fehlten zu Valentino Rossi. Doch auch Jacques einziges MotoGP-Podium als Ersatzfahrer bleibt unvergessen.
Troy Bayliss: Als Ersatz zum MotoGP-Sieg
Noch ein Ticken besser machte es rund anderthalb Jahre später Troy Bayliss. Der Australier hatte die MotoGP zur Saison 2006 nach drei durchwachsenen Saisons wieder in Richtung Superbike-WM verlassen und sich dort nach 2001 prompt zum zweiten Mal zum Weltmeister gekrönt. Zur Belohnung bekam Bayliss von Arbeitgeber Ducati einen Gaststart beim MotoGP-Saisonfinale 2006 in Valencia spendiert, da Stammfahrer Sete Gibernau ohnehin verletzt ausfiel und so Kapazitäten frei waren.
Im dramatischen WM-Finale zwischen dem späteren Weltmeister Nicky Hayden und Valentino Rossi verkam Bayliss' Leistung auf der Ducati GP6 zwar zur Nebensache, doch sie war schlicht unglaublich. Der Australier qualifizierte sich als beste Ducati auf Startplatz zwei, schoss gleich beim Start in Führung und gab diese bis zur Zielankunft nicht mehr ab. Selbst Routinier Loris Capirossi, der 2006 bereits drei Rennen für Ducati gewonnen hatte, konnte da nicht mithalten. Bayliss wurde so zum ersten und bis heute einzigen Piloten, der in einem Jahr in der MotoGP und in der Superbike-WM gewinnen konnte.
Sete Gibernau: Kurzer MotoGP-Spaß mit Onde 2000
Für Sete Gibernau hätte jenes Saisonfinale in Valencia übrigens das letzte MotoGP-Rennen werden sollen, denn dieser hatte sich für 2007 nicht mit Ducati auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit einigen können. Casey Stoner wurde stattdessen als Ersatz verpflichtet. Gibernau prüfte einige Angebote, etwa von Suzuki, Kawasaki oder Ilmor, entschied sich letztlich aber für einen Rückzug aus der Motorrad-WM. "Nur weiterzumachen, um weiterzumachen, hätte mich nicht glücklich gemacht", begründete der achtmalige MotoGP-Sieger damals.
Gänzlich genug hatte Gibernau dann aber doch noch nicht, denn am 23. Oktober 2008 verkündete er überraschend sein Comeback zur Saison 2009 mit Onde 2000, dem neuen Ducati-Kundenteam von Angel Nieto. Mit Hochspannung erwartet, sollte die Rückkehr in die MotoGP jedoch zum Reinfall werden. Mit den Spitzenrängen hatte Gibernau nichts zu tun, schaffte es nie in die Top Ten und verpasste gleich zwei der ersten fünf Rennen verletzt. Nach dem Abstecher nach Laguna Seca, dem achten Grand Prix der Saison, ging Onde 2000 dann die Kohle aus und der zweite MotoGP-Stint des Spaniers war wieder beendet.
Horror-Comeback von Marco Melandri und Aprilia
Ähnlich unerfolgreich verlief 2015 das MotoGP-Comeback von Marco Melandri. Dieser hatte sich Ende 2010 aus der Königsklasse verabschiedet, nachdem sein Vertrag beim Gresini-Team ausgelaufen war. Es folgten vier starke Jahre in der WorldSBK, in denen der Italiener nie schlechter als WM-Rang vier abschnitt. Als sich Melandris damaliger Superbike-Arbeitgeber Aprilia zur Saison 2015 dann zur werksseitigen Rückkehr in die MotoGP in Form einer Kooperation mit dem Gresini-Rennstall entschloss, ließ sich auch der 32-jährige vom Comeback überzeugen.
Was damals jedoch noch keiner ahnte: Das vermeintliche Abenteuer sollte zum Albtraum werden. Auf der wenig konkurrenzfähigen Aprilia RS-GP - Teamkollege Alvaro Bautista schaffte als bestes Saisonresultat nur zwei zehnte Plätze - kam Melandri überhaupt nicht zurecht und fuhr gnadenlos hinterher. Nach den ersten acht Rennen des Jahres war er noch nicht einmal über Platz 18 hinausgekommen und zog daraufhin punktlos den Schlussstrich unter sein zweites MotoGP-Kapitel. Aprilia ersetzte den Italiener ab Indianapolis durch Stefan Bradl.
Wildes MotoGP-Comeback von Andrea Dovizioso mit Yamaha
Es dauerte knapp sechs Jahre, ehe sich wieder ein großer Name zur MotoGP-Rückkehr durchrang: Andrea Dovizioso im September 2021. Das Comeback des dreimaligen Vizeweltmeisters kam damals weniger überraschend, hatte er sein Sabbatjahr nach der Trennung von Ducati doch ohnehin mit dem Ziel angetreten, 2022 oder 2023 zurückzukehren. Dass 'DesmoDovi' aber schon 2021 wieder ins Geschehen eingreifen sollte, wurde nicht erwartet - und vor allem nicht unter jenen Umständen, unter denen es dann passierte.
Auslöser war nämlich das Zerwürfnis von Yamaha und Maverick Vinales. Der Spanier wurde in Folge des Österreich-GPs gefeuert und wenig später durch Franco Morbidelli ersetzt. Daraufhin benötigte das Yamaha-Kundenteam Petronas einen neuen Piloten und wurde in Dovizioso fündig, der zuvor einige Mal für Aprilia getestet hatte, einen potenziellen Stammplatz dort jedoch ausgerechnet an Vinales verlor. Dovizioso unterschrieb direkt bei Yamaha und gleich bis Ende 2022. Die restlichen Saisonrennen 2021 sollten lediglich als Vorbereitung auf das zweite Vertragsjahr fungieren, um dort wieder oben anzugreifen. Dieser Plan ging jedoch nicht auf, Dovizioso schaffte es nicht einmal in die Top Ten. Nach dem San-Marino-GP 2022 beendete er seine MotoGP-Karriere deshalb vorzeitig.
Dani Pedrosa begeistert MotoGP-Welt mit Bestzeit
Abschließend haben wir noch den kleinen Samurai für euch im Angebot. Als einer der erfolgreichsten MotoGP-Piloten ohne WM-Titel hatte sich Dani Pedrosa Ende 2018 aus der Königsklasse verabschiedet und daraufhin eine Testfahrerrolle bei KTM eingenommen. Mit dem österreichischen Hersteller kehrte die Startnummer 26 schon 2021 einmal mittels Wildcard in die MotoGP zurück, das viel beeindruckendere Comeback folgte aber erst zwei Jahre später.
Bei der vierten Saisonstation in Jerez war Pedrosa erneut per Wildcard auf der nun äußerst konkurrenzfähigen KTM dabei und düpierte die versammelte Weltelite gleich mal mit Bestzeit im 1. Training und der kombiniert drittschnellsten Rundenzeit des Tages. Von Startplatz sechs aus zeigte der 'Little Samurai' daraufhin, dass er auch nach vier Jahren ohne Stammplatz nichts an Rennpace eingebüßt hatte und raste in Sprint und Grand Prix aus dem Stand auf die Plätze sechs und sieben. Die MotoGP-Welt staunte und als wäre das nicht schon genug gewesen, legte der kleine Spanier beim zweiten Wildcard-Start in Misano sogar noch zwei vierte Plätze nach. Mit lediglich zwei Gaststarts beendete er die Saison damit auf WM-Rang 21 - vor den Stammfahrern Pol Espargaro und Joan Mir.
2023 feierten übrigens auch Jonas Folger und Alvaro Bautista überraschende, aber deutlich weniger erfolgreiche MotoGP-Comebacks. Wie es wohl Andrea Iannone ergehen wird? Teilt uns eure Prognosen in den Kommentaren mit!
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