Nur sieben Tage nach dem Horror-Crash von Kurve drei, in dem Maverick Vinales nur um wenige Zentimeter von den außer Kontrolle geratenen Maschinen seiner Rivalen Johann Zarco und Franco Morbidelli verfehlt wurde, erlebte der Yamaha-Werkspilot im zweiten MotoGP-Rennen von Spielberg seinen nächsten Schockmoment.

Als er in Runde 17 auf Kurve eins zufuhr, versagten die Bremsen an seiner M1 den Dienst. Vinales musste bei rund 220 Stundenkilometern von seiner Maschine abspringen, die daraufhin ungebremst in die Streckenbegrenzung einschlug und für eine Rennunterbrechung sorgte. Die Bremsscheibe an der Front hatte sich vollkommen aufgelöst, schon früher im Steiermark-GP hatte Vinales aufgrund von Überhitzung massiv an Bremskraft verloren.

Probleme, die auch seine Yamaha-Kollegen Valentino Rossi, Fabio Quartararo und Franco Morbidelli an den beiden Rennwochenenden in Spielberg plagten. Ein derart dramatisches Ende fanden sie für die anderen Fahrer auf einer M1 aber nicht. Dafür gibt es eine Erklärung: Vinales wechselte für den zweiten Grand Prix in Spielberg als einziger Yamaha-Fahrer nicht auf ein neues Bremssattelkonzept von Brembo, das bessere Kühlung ermöglicht.

MotoGP-Analyse: Irres Finale in Spielberg (34:02 Min.)

Die GP4-Bremssättel, so die Bezeichnung von Brembo, weisen ein verbessertes Finnendesign an der Außenseite auf, wodurch das Bauteil schneller und effektiver gekühlt wird, was sich in weiterer Folge auf das gesamte Bremssystem auswirkt. Gleichzeitig wurde die benötigte Menge an Bremsflüssigkeit reduziert, was mehr Konstanz und geringere Unterschiede im Gefühl am Bremshebel bewirken soll.

Gut zu sehen: Die Finnen am Bremssattel, Foto: Brembo
Gut zu sehen: Die Finnen am Bremssattel, Foto: Brembo

"Maverick hat sich gegen dieses neue System entschieden, weil er am ersten Wochenende nicht dieselben Probleme mit zu hoher Temperatur hatte, die andere Yamaha-Fahrer geplagt haben. Er hat diese Evolution von Brembo in den Trainings getestet, aber sie hat ihm nicht das gewünschte Gefühl vermittelt, also ist er dem alten System treu geblieben", verrät Yamaha-Teamchef Massimo Meregalli.

Wieso hat Yamaha Probleme?

Der Red Bull Ring zählt im Hinblick auf die Bremsen zu den schwierigsten Strecken der MotoGP. Von Lieferant Brembo, der die Anlagen für alle 22 Motorräder im Grid bereitstellt, wird der Kurs auf einer fünfteiligen Skala mit dem höchsten Wert in puncto benötigter Bremsleistung eingestuft: Sehr hart. Im aktuellen Kalender kommt neben Spielberg nur Barcelona auf dieses Rating.

Wenig verwunderlich, blickt man auf das Layout der Strecke und die von Brembo zur Verfügung gestellten Daten. Sieben der zehn Kurven werden angebremst. Die Kurven eins, drei und vier dabei besonders hart. In jedem einzelnen dieser Bremspunkte werden mehr als 200 km/h abgebaut. Insgesamt ziehen die MotoGP-Piloten auf einem Umlauf in Spielberg etwa 27 Sekunden am Bremshebel, was 32 Prozent der gesamten Rundenzeit entspricht. Über eine voll Renndistanz summiert sich das auf mehr als zwölfeinhalb Minuten.

Das betrifft freilich alle sechs MotoGP-Hersteller, aber es gibt kleine Unterschiede, die eine große Wirkung haben können. Yamaha hinkt mit seinem Reihenvierzylinder in den Topspeed-Messungen traditionell hinterher. Seit man aufgrund der Motorschäden von Jerez die Drehzahlen verringert hat, ist der Rückstand noch größer geworden. Vor dem Abbruch am Sonntag belegten die vier Yamahas in der Topspeed-Wertung die Ränge 17, 19, 21 und 22 von 22 Fahrern. Zwischen fünf und acht Stundenkilometer fehlten auf die schnellste Ducati von Andrea Dovizioso.

Ein Zeitverlust, den man an anderer Stelle kompensieren muss. Aufgrund des simplen Layouts in Spielberg mit nur wenigen flüssigen Kurven bieten sich dafür die Bremszonen an. "Unser Motorrad ist auf den Geraden sehr langsam, aber dafür gut auf der Bremse. Also versuchen wir, dort alles aufzuholen und belasten die Bremsanlagen so natürlich extrem", gestand Vinales' Teamkollege Valentino Rossi am Sonntag.