Alex, die ersten MotoGP-Testfahrten sind zu Ende, nächste Woche geht es in Thailand weiter. Lässt sich schon abschätzen, ob sich die Kräfteverhältnisse 2018 verschieben werden?

Alex Hofmann: Schwierig zu sagen. Auffällig war, dass alle Werke versucht haben, deutlich nachzubessern. Bei den Japanern von Honda und Yamaha vor allem beim Motor, um endlich gegen die Desmo-Power der Ducati anzukommen. Ducati wiederum hat sich in erster Linie auf die Fahrbarkeit des Chassis konzentriert. Jeder hat an seinen Schwachstellen gefeilt, weshalb die Rundenzeiten sich noch enger zusammengeschoben haben. Im Hinblick auf die Kräfteverhältnisse kann man nach dem ersten Test aber noch keinen Aussagen treffen.

Feststehen sollte aber, dass mit Jorge Lorenzo in seinem zweiten Jahr auf der Ducati stärker zu rechnen ist. War seine Fabel-Bestzeit bereits das erste Indiz dafür?

Alex Hofmann: Ich würde ihn noch nicht als Mitfavoriten auf den Titel auf dem Zettel haben, denn viele Faktoren - wie etwa die Strecke - waren bei diesem Test noch zu sehr auf seine Ducati und ihn zugeschnitten. Wir sollten zunächst die neue Strecke in Buriram abwarten, aber generell sollte er besser zurechtkommen. Er wird sich nicht noch einmal von seinem Teamkollegen Andrea Dovizioso so demütigen lassen und sollte den Speed haben, permanent um Podestplätze kämpfen zu können. Ob das dann aber auch für den Titel reicht? Da müsste schon viel zusammenkommen. Er hat sicherlich einen großen Schritt gemacht, muss er aber auch, um seinen Status als Nummer eins zu rechtfertigen. Denn diese Position will er bei Ducati in jedem Fall wieder übernehmen.

Eine der positiven Überraschungen war Alex Rins. Kann er bei Suzuki jetzt zum Teamleader aufsteigen?

Alex Hofmann: Man hat schon in den kleinen Klassen gesehen, dass er sehr schnell lernt - etwa verglichen mit seinem ehemaligen Teamkollegen Alex Marquez. Aber Rins war immer wieder anfällig für Verletzungen. Jetzt hat er beim Test dort angeknüpft, wo er in Valencia aufgehört hat. Kollege Iannone wird es schwierig haben, den Jungen in den Griff zu bekommen und ich kann mir gut vorstellen, dass Alex bald die Nummer eins bei Suzuki ist. Nicht nur menschlich, sondern auch bei der Performance auf der Strecke. Er kann schnell Motorrad fahren, muss das jetzt aber an jedem Rennwochenende beweisen.

Nicht mehr mit dabei ist Jonas Folger. Kannst du seine Entscheidung nachvollziehen?

Alex Hofmann: Ja, die kann ich total nachvollziehen. Wenn er merkt, dass er körperlich oder psychisch nicht mehr hundertprozentig in der Lage ist, eine derartige Waffe zu fahren, muss er sofort sagen: Nein, es geht nicht mehr. Im Motorradsport hast du keine Knautschzone und selbst kleine Fehler können große Konsequenzen haben. Du gefährdest aber nicht nur dich, sondern auch noch deine Gegner um dich herum. Er hat mit Sicherheit in sich hineingehört und bemerkt, dass er dem Ganzen nicht mehr gewachsen ist. Deshalb ist es die richtige Entscheidung gewesen.

Nach Jonas Folgers MotoGP-Aus: Wie geht es jetzt weiter?: (14:26 Min.)

Werden wir Jonas je wieder in der Motorrad-WM sehen?

Alex Hofmann: Ich will es nicht ausschließen, weil das Grundpotenzial ist da. Normalerweise werden Sportler durch Tief-Phasen ihrer Karriere stärker. Er hat jetzt allerdings einen Stempel und müsste ein Team finden, dass ihm hundertprozentig zutraut, dass er wieder auf die Beine kommt. Das Talent, um in der Moto2 zu siegen, hat er auf jeden Fall, aber da muss körperlich und geistig alles passen. Als Moto2-Weltmeister geht immer auch die Tür nach oben in die MotoGP auf, aber als Fünfter oder Sechster brauchst du nicht ankommen, wenn du schon einmal oben warst und es leider nicht durchziehen konntest. Die eigentliche Frage ist aber: Will er noch einmal zurückkommen? Oder ist er zufrieden mit dem, was er erreicht hat und ist nicht mehr bereit, all die Schmerzen und Entbehrungen für seinen Traum auf sich zu nehmen.

Die Verträge beinahe aller namhaften MotoGP-Fahrer laufen mit Saisonende aus. Maverick Vinales konnte seinen Vertrag bereits verlängern. Rechnest du mit einem Transfer-Wahnsinn wie vor zwei Jahren?

Alex Hofmann: Nein, ich glaube eher, dass bald alles unspektakulär über die Bühne ist. Maverick hat bereits den ersten Schritt gesetzt, weil es für ihn eigentlich keine Alternativen gibt. Mein Gefühl sagt mir auch, dass Marc noch nicht von Honda weg will und dort lieber noch zwei bis drei Titel mitnimmt, bevor er vielleicht eine neue Herausforderung sucht. Ducati wird sich rasch mit Lorenzo einigen, weil man so eine teure Investition nicht nach zwei Jahren fallen lassen kann. Und Valentino Rossi hat bei seiner Entscheidung keinen Stress. Bei den großen Namen sollte sich am Transfermarkt also nicht allzu viel tun. Erst in der zweiten Reihe wird es interessant: Was macht etwa ein Zarco? Wen angelt sich KTM? Werden die vielleicht sogar ein Kunden-Team finden? Der Großteil dieser Entscheidungen wird aber noch vor dem Start der Europa-Tour unter Dach und Fach sein, denke ich.

In der Formel 1 wurden die Grid Girls vor kurzem verboten. Kannst du dir so eine Maßnahme auch in der MotoGP vorstellen?

Alex Hofmann: Aktuell halte ich ein solches Verbot in der Motorrad-WM für unmöglich. Formel 1 und MotoGP kann man bei diesem Thema aber auch kaum vergleichen. In der F1 gab es schon in den letzten Jahren ein Streichen auf Raten, denn die Zeiten, als zum Beispiel Red Bull die Formula Unas im Paddock am Start hatte, sind lange vorbei. Zuletzt waren die Grid Girls dort nur noch für das Halten der Täfelchen in der Startaufstellung und das Präsentieren irgendeines Hauptsponsors in den Minuten vor dem Start zuständig. Im Fahrerlager selbst waren sie überhaupt nicht mehr präsent. Ganz anders in der MotoGP: Viele Sponsoren zeigen ihre Präsenz fast ausschließlich über dieses Thema. Unser Ambiente ist generell lockerer als in der Formel 1 und die Girls sind ein wichtiger Teil des Paddocks. Streicht man sie, wäre das nicht nur ein kleines Detail, das wegfallen würde. So eine Maßnahme würde das ganze Fahrerlager ein bisschen aus dem Gleichgewicht bringen.