Am Montag nach dem MotoGP-Finale in Valencia wurden die offiziellen Starterlisten der drei WM-Klassen MotoGP, Moto2 und Moto3 für die Saison 2024 veröffentlicht. Damit steht seither auch fest, was ohnehin seit geraumer Zeit klar war: Im kommenden Jahr wird kein deutscher Rennfahrer in einer der drei Kategorien der Motorrad-Weltmeisterschaft an den Start gehen.
Bereits in der abgelaufenen Saison 2023 gab es mit Lukas Tulovic nur noch einzigen deutschen Piloten in der Motorrad-WM, er startete für Liqui Moly Husqvarna Intact GP. Beim deutschen Rennstall konnte der 23-jährige Nordbadener aber nicht überzeugen. Auch verletzungsbedingt gelangen ihm in 16 Rennstarts nur zwölf Punkte, womit er in der Fahrer-WM lediglich auf Platz 24 landete. Tulovics auslaufender Vertrag wurde daher nicht verlängert, er muss die Moto2-Klasse nach nur einer Saison bei Intact GP schon wieder verlassen.
Damit endet in der kommenden Saison eine beeindruckende Serie: Letztmals fand die Motorrad-Weltmeisterschaft nämlich in den Jahren 1949 und 1950 ohne deutsche Beteiligung statt, also nur in den ersten beiden Saisons der Geschichte. Beginnend mit Hans Baltisberger startete ab 1951 anschließend 73 Jahre lang immer mindestens ein deutscher Pilot in der Motorrad-WM. 1953 konnte sich mit Werner Haas ein erster Deutscher zum Weltmeister krönen, weitere Titelgewinne durch Hermann Paul Müller, Ernst Degner, Hans-Georg Anscheidt, Dieter Braun und Anton Mang sollten folgen.
Anfang der 90er-Jahre erlebte der deutsche Motorradsport seinen Höhepunkt, als zwischenzeitlich bis zu 14 Stammfahrer in der Motorrad-WM an den Start gingen. Zu Beginn der MotoGP-Ära im Jahr 2002 pendelte sich die Anzahl zwischen drei und sechs Deutschen in den drei WM-Klassen ein. Dass 2024 nun keiner mehr übrig sein wird, ist allerdings nur der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die in den vergangenen Jahren schon absehbar war. In den letzten zehn Saisons sank die Anzahl deutscher Piloten immer weiter, seit 2020 startete nie mehr als ein Deutscher in der Motorrad-WM. Lange Zeit hielt einzig Marcel Schrötter die deutsche Fahne hoch, er fährt aber auch 2024 wieder in der Supersport-WM.
Alle Deutschen Fahrer in der MotoGP-Ära
Saison | Anzahl | Fahrer |
2023 | 1 | Lukas Tulovic (Moto2) |
2022 | 1 | Marcel Schrötter (Moto2) |
2021 | 1 | Marcel Schrötter (Moto2) |
2020 | 1 | Marcel Schrötter (Moto2) |
2019 | 3 | Marcel Schrötter, Philipp Öttl, Lukas Tulovic (Moto2) |
2018 | 2 | Marcel Schrötter (Moto2), Philipp Öttl (Moto3) |
2017 | 4 | Jonas Folger (MotoGP), Sandro Cortese, Marcel Schrötter (Moto2), Philipp Öttl (Moto3) |
2016 | 5 | Stefan Bradl (MotoGP), Jonas Folger, Sandro Cortese, Marcel Schrötter (Moto2), Philipp Öttl (Moto3) |
2015 | 6 | Stefan Bradl (MotoGP), Jonas Folger, Sandro Cortese, Marcel Schrötter, Florian Alt (Moto2), Philipp Öttl (Moto3) |
2014 | 6 | Stefan Bradl (MotoGP), Jonas Folger, Sandro Cortese, Marcel Schrötter (Moto2), Philipp Öttl, Luca Grünwald (Moto3) |
2013 | 7 | Stefan Bradl (MotoGP), Sandro Cortese, Marcel Schrötter (Moto2), Jonas Folger, Philipp Öttl, Florian Alt, Toni Finsterbusch (Moto3) |
2012 | 6 | Stefan Bradl (MotoGP), Max Neukirchner (Moto2), Sandro Cortese, Jonas Folger, Marcel Schrötter, Toni Finsterbusch (Moto3) |
2011 | 6 | Stefan Bradl, Max Neukirchner (Moto2), Sandro Cortese, Jonas Folger, Marcel Schrötter, Daniel Kartheininger (125ccm) |
2010 | 5 | Stefan Bradl, Arne Tode (Moto2), Sandro Cortese, Jonas Folger, Marcel Schrötter (125ccm) |
2009 | 3 | Stefan Bradl, Sandro Cortese, Jonas Folger (125ccm) |
2008 | 3 | Stefan Bradl, Sandro Cortese, Robin Lässer (125ccm) |
2007 | 3 | Alex Hofmann (MotoGP), Dirk Heidolf (250ccm), Sandro Cortese (125ccm) |
2006 | 4 | Alex Hofmann (MotoGP), Dirk Heidolf (250ccm), Sandro Cortese, Stefan Bradl (125ccm) |
2005 | 7 | Alex Hofmann (MotoGP), Dirk Heidolf, Steve Jenkner, Franz Aschenbrenner (250ccm), Sandro Cortese, Sascha Hommel, Dario Giuseppetti (125ccm) |
2004 | 5 | Alex Hofmann (MotoGP), Dirk Heidolf, Christian Gemmel (250ccm), Steve Jenkner, Dario Giuseppetti (125ccm) |
2003 | 4 | Drik Heidolf, Christian Gemmel, Katja Poensgen (250ccm), Steve Jenkner (125ccm) |
2002 | 4 | Dirk Heidolf (250ccm), Steve Jenkner, Jarno Müller, Klaus Nöhles (125ccm) |
Der ADAC hat die Zeichen der Zeit mittlerweile jedoch erkannt und im Sommer eine engere Zusammenarbeit mit Stefan Bradl angekündigt. Der Honda-Testfahrer setzt sich seit Jahren für die deutsche Nachwuchsförderung ein. Wenig später wurde dann eine neue Nachwuchsserie präsentiert, die der ADAC ab 2024 gemeinsam mit KTM im Rahmen der IDM austragen wird. Die neue Rennserie ist Teil des Dorna-Programmes "Road to MotoGP", mit dem Nachwuchstalente in die Motorrad-Königsklasse gebracht werden. Künftig könnten auch deutsche Talente davon profitieren. Bis erste Auswirkungen der neuen Fördermaßnahmen zu spüren sind, wird jedoch noch einiges an Zeit vergehen.
Lukas Tulovic 2024 in MotoE, Stefan Bradl mit Wildcard-Chancen
Im kommenden Jahr bleibt deutschen MotoGP-Fans jedenfalls nur die Möglichkeit, Lukas Tulovic in der MotoE zu unterstützen. Dort startet der 23-Jährige für IntactGP und wird somit 2024 zumindest bei vereinzelten Wochenenden Teil der Motorrad-WM sein. Offiziell gilt die Elektro-Rennserie seit diesem Jahr zwar selbst auch als Weltmeister, allerdings kann dabei kaum von einer vollwertigen WM-Serie gesprochen werden. Die MotoE trägt 2024 schließlich nur sieben Rennwochenenden aus, also weniger als ein Drittel der restlichen Motorrad-WM (22 Grand Prix). Zudem werden dort Einheitsmaschinen eingesetzt, jeder Pilot hat also identisches Material zur Verfügung. Eine TV-Übertragung gibt es ebenfalls nicht.
Davon abgesehen gibt es zumindest eine realistische Chance, dass Stefan Bradl auch 2024 wieder zu vereinzelten Wildcard- oder Ersatzeinsätzen kommen wird. Das war schließlich in den letzten Jahren regelmäßig der Fall, allein 24 MotoGP-Auftritte absolvierte der Bayer auf diese Art und Weise in den vergangenen fünf Jahren. Weitere dürften folgen: Durch das neue Concession-Reglement stehen Honda im kommenden Jahr nämlich sogar sechs Wildcards zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass diese auch alle genutzt werden, vermutlich allesamt mit Bradl. Sollte sich einer der vier Stammfahrer verletzen, stünde der 34-Jährige natürlich ebenso parat. Bei 22 geplanten Rennwochenenden im Jahr 2024 ist auch das nicht unwahrscheinlich.
Keine MotoGP-Auftritte wird in der nächsten Saison wohl KTM-Testfahrer Jonas Folger absolvieren. Dieser war im abgelaufenen Jahr als Ersatzmann für Pol Espargaro überraschend zu sechs MotoGP-Einsätzen gekommen. Auch KTM wird 2024 insgesamt sechs Wildcards nominieren können, diese sind jedoch vorrangig Pol Espargaro vorbehalten. Der Katalane hatte eigentlich einen gültigen Vertrag mit GasGas, verzichtete dann aber freiwilig auf seinen Platz im Team, um Moto2-Weltmeister Pedro Acosta befördern zu können. Espargaro wird 2024 somit nur eine Rolle im Hintergrund übernehmen. Als Dankeschön versprang ihm KTM entsprechende Wildcard-Einsätze. Des Weiteren stünde als Alternative auch noch MotoGP-Legende Dani Pedrosa parat, der in der vergangenen Saison in Jerez und Misano glänzen konnte.
diese MotoGP Nachricht