Danny Kent steht vor den Trümmern einer einst so vielversprechenden Laufbahn in der Motorrad-Weltmeisterschaft. 2015 dominierte er phasenweise die Moto3, wie es vor ihm noch kein anderer Pilot geschafft hat. Dementsprechend groß waren die Erwartungen an ihn, als es im Folgejahr direkt hoch in die Moto2 ging. Dort fand sich Kent aber nie wirklich zurecht, beim Amerika GP im Frühjahr dann die für alle Beteiligten ebenso überraschende wie schockierende Entscheidung: Kent trennte sich mit sofortiger Wirkung von seinem Team Kiefer Racing.

Vorübergehend kam er zwar bei Ajo Motorsport in der Moto3 unter, seiner Karriere hat er aber definitiv einen massiven Dämpfer verpasst, vielleicht sogar den Todesstoß. Zwar sind die Umstände von Kents Abstieg vom gefeierten Helden zum Prügelknaben ungewöhnlich, mit diesem Karriereverlauf alleine ist er aber auf keinen Fall. Die letzten Jahre der Motorrad-Weltmeisterschaft sind voll von ehemaligen Champions, die im besten Sportleralter ins Straucheln gerieten.

Gabor Talmacsi

Gabor Talmacsi wurde 2007 125er-Weltmeister, Foto: Milagro
Gabor Talmacsi wurde 2007 125er-Weltmeister, Foto: Milagro

2007 sorgte Gabor Talmacsi für ein Novum in der Motorrad-Weltmeisterschaft. Er krönte sich in der 125ccm-Klasse in einem packenden Saisonfinale gegen Hector Faubel zum ersten Champion aus Osteuropa. Mit WM-Rang drei und drei Saisonsiegen im Folgejahr bestätigte Talmacsi sein Talent. Es blieb aber der letzte Erfolg des damals erst 27 Jahre alten Ungarn. In einer Saison in der 250ccm-Klasse beziehungsweise der MotoGP gelang ihm kein zählbares Resultat, in der Moto2 fuhr er auch nur einmal auf das Podium. Zwangsweise folgte 2010 das Ausscheiden aus der Motorrad-WM. Zwei Jahre später versuchte Talmacsi in der seriennahen Supersport-Weltmeisterschaft noch einmal Fuß zu fassen, kam dort aber nicht einmal mehr in die Nähe des Podiums. Eine Beinverletzung beim sechsten Saisonrennen 2013 beendete seine Karriere endgültig.

Mike di Meglio

Mike di Meglio war 2008 Nachfolger von Talmacsi, Foto: Sutton
Mike di Meglio war 2008 Nachfolger von Talmacsi, Foto: Sutton

Gabor Talmacis Nachfolger als 125ccm-Weltmeister war 2008 der Franzose Mike di Meglio. In dieser Saison dominierte er die kleinste Klasse nach Belieben. Vier Saisonsiege und insgesamt neun Podestplätze sorgten dafür, dass di Meglio bereits zwei Rennen vor Ende als neuer Champion feststand. Unglaublich aber wahr: nach dieser beeindruckenden Saison sollte dem Mann, der mit erst 20 Jahren sein bestes Alter als Pilot eigentlich noch vor sich hatte, kein einziger Sieg mehr gelingen. Am erfolgreichsten verlief noch seine Debütsaison bei den 250ern mit zwei Podesträngen, von 2010 an gab es in vier Saisons Moto2 und zwei Jahren MotoGP aber gar nichts mehr zu holen für den ehemaligen Weltmeister. Keine Poles, keine schnellsten Runden, keine Podiumsplatzierungen und erst recht keine Siege für insgesamt sieben Teams. Bestes Gesamtresultat: Platz 20 in den Jahren 2010 und 2013. Nach zwei Jahren bei Avintia Racing in der MotoGP endete di Meglios Karriere als Einsatzfahrer in der Motorrad-Weltmeisterschaft 2015. Nach einem Jahr als Testpilot bei Aprilia ging er 2017 in der Langstrecken-WM auf einer Yamaha R1 an den Start.

Julian Simon

Julian Simon gewann 2009 den 125er-Titel, Foto: Milagro
Julian Simon gewann 2009 den 125er-Titel, Foto: Milagro

Was zuvor Mike di Meglio gelungen war, nämlich als 125ccm-Weltmeister nie mehr ein Rennen zu gewinnen, schaffte auch sein Nachfolger Julian Simon. Auch er fuhr 2009 eine beeindruckende Saison, brachte 65,5 Punkte zwischen sich und seinen Titelkonkurrenten Bradley Smith. Während es für Smith, der sich mittlerweile MotoGP-Werksfahrer nennen darf und in dessen Bilanz zwei Podiumsplatzierungen in der Königsklasse stehen, ständig bergauf ging, fand Simons Erfolgslauf bald ein Ende. In der neu geschaffenen Moto2 hatte er 2010 noch ein gutes Jahr und wurde, obwohl er kein einziges Rennen gewinnen konnte, Vizeweltmeister hinter Toni Elias, dessen Karriere noch später in diesem Artikel aufgearbeitet wird. Von da an ging es für Simon aber steil bergab. In den folgenden sechs Saisons kam er nie über Platz 13 in der Gesamtwertung der Moto2-Klasse hinaus, auch der ständige Wechsel zwischen Rahmen von Kalex, Suter, SpeedUp und FTR führte nicht zum Erfolg. Nach der Saison 2016 verlor Simon daher endgültig seinen Stammplatz in der Motorrad-WM und muss sich seither mit der Rolle als Ersatzpilot begnügen.

Hiroshi Aoyama

Letzter Zweitakt-Weltmeister in der mittleren Kategorie: Hiroshi Aoyama, Foto: Milagro
Letzter Zweitakt-Weltmeister in der mittleren Kategorie: Hiroshi Aoyama, Foto: Milagro

2009, also im selben Jahr, in dem Julian Simon den Titel in der 125ccm-Klasse holte, krönte sich Hiroshi Aoyama zum Weltmeister auf 250ccm. Er wurde damit zum letzten Champion bei den Viertelliter-Zweitaktern und erlöste zugleich die erfolgsverwöhnte Motorradnation Japan nach sieben titellosen Jahren. Doch Aoyamas erster großer Erfolg sollte auch sein einziger bleiben. Nach dem 250er-Titel folgte der logische Aufstieg in die MotoGP, mit ihm aber der sportliche Abstieg. Aoyama konnte nie mehr an seine starken Leistungen aus den kleineren Klassen anknüpfen. Von 2010 bis 2014 war er mit einer Unterbrechung 2012 stets Stammfahrer in der Königsklasse, blieb aber im Gegensatz zu seinen berühmten Vorgängern wie Tadayuki Okada, Norick Abe oder Makoto Tamada ohne nennenswerte Erfolge. Auch sein Jahr 2012 in der Superbike-WM verlief mit Gesamtrang 18 alles andere als erfreulich. Seit 2015 ist Aoyama als Testpilot bei Honda angestellt und darf sich über gelegentliche Einsätze bei Verletzungspausen der Stammpiloten freuen.

Nico Terol

Nico Terol wurde letzter Zweitakt-Champion in der kleinsten Klasse, Foto: Milagro
Nico Terol wurde letzter Zweitakt-Champion in der kleinsten Klasse, Foto: Milagro

Hiroshi Aoyama war der letzte 250er-Weltmeister, sein Gegenpart in der 125er-Klasse war Nico Terol. Er triumphierte dort 2011 vor Johann Zarco und Maverick Vinales, heute Spitzenpiloten in der MotoGP. Die Talfahrt in Terols Karriere begann nicht direkt nach dem Titelgewinn in der kleinsten Klasse. Beim Aufstieg in die Moto2 im Folgejahr fuhr Terol als Dritter beim Saisonfinale in Valencia bereits einmal auf das Podium. 2013 startete er richtig durch. Ihm gelangen drei Grand-Prix-Siege, nur Weltmeister Pol Espargaro schaffte mehr. Mit dem Aufstieg Espargaros sowie des Vizemeisters Scott Redding ging Terol als einer der großen Titelfavoriten in das Moto2-Jahr 2014. Doch statt um Siege und die Weltmeisterschaft zu kämpfen, erlebte Terol einen ebenso unglaublichen wie unerklärlichen Einbruch. Mickrige zwei Punkte holte er im gesamten Jahr, stürzte auf den 28. Rang der Gesamtwertung ab. Terol fand in der Moto2 keinen Platz mehr und wechselte für 2015 in die Superbike-WM zu Althea Ducati. Doch auch dort folgte nach nur sieben von 13 Rennwochenenden die Trennung aufgrund ausbleibender Erfolge. Terol stieg für die letzten drei Rennen des Jahres noch eine Kategorie ab in die Supersport-Weltmeisterschaft, wo er auch in der folgenden Saison fuhr. Über Gesamtrang 18 kam er auch hier nicht hinaus. Im Februar 2017 gab er mit nur 28 Jahren sein Karriereende bekannt und fungiert seither als Berater des Aspar-Moto3-Teams von Jorge Martinez, wo er einst Weltmeister wurde.

Toni Elias

Toni Elias wurde der erste Weltmeister der Moto2-Klasse, Foto: Milagro
Toni Elias wurde der erste Weltmeister der Moto2-Klasse, Foto: Milagro

Die Karrieren der bisher behandelten Piloten gleichen sich. Große Erfolge in den kleineren Klassen am Beginn der Karriere, dann der sportliche Abstieg. Etwas anders verlief die Laufbahn von Toni Elias. Er kämpfte sich über die 125er und 250er hoch in die MotoGP, ohne je einen Weltmeistertitel einzufahren. Dennoch etablierte sich Elias in der Königsklasse als Topfahrer, gewann schon in seiner zweiten Saison mit dem Grand Prix von Portugal ein Rennen. Drei weitere Saisons mit insgesamt fünf Podiumsplatzierungen folgten, Gesamtrang sieben im Jahr 2009 war Elias' bestes Ergebnis in der MotoGP-Weltmeisterschaft. Trotzdem fand der talentierte Spanier für 2010 keinen Platz mehr in der Königsklasse. Er musste in die neu geschaffene Moto2 absteigen, ließ sich davon aber nicht unterkriegen. Prompt krönte er sich zum Weltmeister, was ihm den Wiederaufstieg in die Königsklasse bescherte. Der verlief für Elias aber nicht nach Wunsch und nach wechselnden Jobs in der MotoGP, Moto2 und Superbike-WM verschwand Elias 2015 von der internationalen Bildfläche. Er fuhr 2017 in der amerikanischen Superbike-Meisterschaft AMA - und wurde dort Meister.

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