Jonas Folgers Teamchef brachte es am Sonntagnachmittag auf den Punkt: "Wir haben heute einen Podestplatz weggeworfen", sagte Herve Poncharal im Paddock im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Sein Schützling hatte soeben das MotoGP-Rennen in Brünn auf dem 10. Platz beendet. Dabei hatte Folger die große Chance auf seinen zweiten Podestplatz in dieser Saison durch ein bitteres Missgeschick verpasst.

Was war passiert? Bei wechselhaftem Wetter über Brünn starteten alle 23 MotoGP-Fahrer am Sonntag um 14 Uhr mit Regenreifen. Die schnell auftrocknende Ideallinie verleitete bereits am Ende der zweiten Runde einige Fahrer zu einem Boxenstopp samt Bike-Wechsel auf Trockenreifen. Folger war einer der Ersten, die ihrem Bauchgefühl vertrauten und so fuhr er nur eine halbe Sekunde nach dem späteren Sieger Marc Marquez in die Boxengasse.

Gleiches Goldhändchen wie Marquez

Was dem Spanier den Sieg brachte, warf den Deutschen aber weit zurück: Denn im Gegensatz zu Repsol Honda war man bei Tech3 Yamaha mit der Vorbereitung der zweiten Maschine noch nicht fertig und so winkte man Folger einfach durch ohne dass dieser umsteigen konnte. Eine Runde später steuerte er erneut die Box an, wo er schließlich auf eine trockenbereifte Yamaha wechseln konnte. Der Fauxpas hatte ihn aber rund 30 Sekunden gekostet und an das Ende des Feldes zurück katapultiert.

"Das war im Grunde wie eine Durchfahrtsstrafe", erklärte ein geknickter Folger nach dem Rennen. "Ich wollte in die Box einbiegen, aber mein Chefmechaniker ist rausgesprungen und hat mir gedeutet weiterzufahren. Ich wusste nicht was los ist und auch nicht, wie lange ich noch draußen bleiben sollte. Daher habe ich mir einfach gedacht: Scheiß drauf, ich versuche es in der nächsten Runde noch einmal."

Aus einer halben Sekunde Rückstand auf Marquez waren plötzlich 45 Sekunden geworden, von denen Folger bis ins Ziel sogar noch zwölf aufholen konnte. Vom letzten Platz kämpfte er sich noch bis auf Rang zehn nach vorne, doch das war an diesem Tag nur ein schwacher Trost. "Nur 33 Sekunden hinter dem Sieger und nur 15 hinter dem Podest - klar hat er diese Zeit durch das Missgeschick verloren", ist sich auch Teamchef Poncharal der verpassten Chance bewusst.

Die Suche nach dem Schuldigen

Doch wer war schuld an dem Fauxpas? Sportsmann Folger haderte mit sich selbst und wollte die Schuld auf sich nehmen: "Normalerweise hätte ich ihnen auf Start/Ziel ein Zeichen geben müssen - etwa ein Bein rausstrecken. Damit hätten sie gewusst, dass ich in der nächsten Runde reinkommen will. Aber es ging alles so schnell und ich bin einfach davon ausgegangen, dass das Motorrad schon bereit wäre. Es war vielleicht mein Fehler."

Poncharal nahm ihn aber in Schutz: "Jonas hat die komplett richtige Entscheidung getroffen. Marquez zur selben Zeit gleich entschieden und das Rennen gewonnen. Leider war die Crew mit dem Reifenwechsel an Jonas' Bike noch nicht ganz fertig, deshalb hat man ihn durchgewinkt. Wenn das Motorrad bereit gewesen wäre, hätte Jonas um den Sieg gekämpft oder wäre zumindest stabiler Zweiter geworden."

Aber warum war das Motorrad noch nicht bereit, während bei Honda - wie auch beim KTM-Duo Pol Espargaro und Bradley Smith sowie bei Jack Miller - die Wechsel in der zweiten Rennrunde einwandfrei funktionierten? Die Antwort: eine zu konservative Strategie bei Tech3. Die Crew von Marquez hatte zum Zeitpunkt des Starts bereits das zweite Motorrad mit Slicks in der Boxengasse stehen. Poncharals Truppe brauchte - wie auch die meisten Konkurrenzteams - länger für diese Entscheidung. Wichtige Sekunden, die am Ende den Ausschlag über Sieg und Niederlage gaben.

Fehler kostet Podestplatz

Poncharal rechtfertigt sich: "Natürlich kann man sagen, dass das zweite Motorrad schon am Start Slicks draufhaben hätte müssen. Aber was ist, wenn es auf der Sichtungsrunde von der Box in die Startaufstellung ein Problem gibt? Honda hat dieses Risiko genommen und damit gewonnen. Meine Leute aber haben nichts anders gemacht, als die meisten der anderen Teams."

Dabei war der Plan für Folger vor dem Rennen eigentlich klar. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com erklärt in Brünn: "Wir haben schon damit gerechnet, dass es heute Flag to Flag gehen würde. Irgendjemand hat dann leider den Fehler gemacht und Regenreifen auf das zweite Motorrad aufgezogen." Diese Entscheidung sorgte im gesamten Team letztlich für lange Gesichter anstatt Freudentaumel wie zuletzt am Sachsenring. In Brünn war das Motto "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" treffender als je zuvor.