Alex Hofmann war im Medienbusiness ebenso neu wie das Fachmagazin, dem er zu Jahresbeginn 2009 ein ausführliches Interview gab. Der vormalige MotoGP-Fahrer stand in der ersten Ausgabe von Motorsport-Magazin.com Rede und Antwort. Noch bevor er seine ersten Schritte vor den TV-Kameras diverser Sportsender gemacht hatte.

Siebeneinhalb Jahre später ist Hofmann der beliebteste und begehrteste Motorrad-Experte im deutschsprachigen Raum und Motorsport-Magazin.com ist ein etabliertes Produkt im MotoGP-Paddock. Anlässlich unserer 50. Ausgabe trafen wir Hofmann, der aktuell für Servus TV als Experte vor der Kamera steht, wieder und sprachen mit ihm über seine überraschende Zweitkarriere, die deutschen Erfolge der vergangenen Jahre und darüber, was im Motorradsport nördlich der Alpen noch im Argen liegt.

Aus TV-Novize Hofmann wird ein Routinier vor der Kamera

MSM: Alex, Anfang 2009 warst du in unserer Erstausgabe einer unserer ersten Interviewpartner. Von einer erfolgreichen TV-Karriere konntest du damals nur träumen. Wie bist du mit dieser zweiten Laufbahn zufrieden?
Alex Hofmann:
Ich muss zugeben, dass ich mit meiner Zweitkarriere zufriedener sein kann als mit der eigentlichen Erstkarriere. Ich hätte während meiner aktiven Zeit nie gedacht, dass das Fernseh-Geschäft einmal eine ernsthafte Option für mich werden würde. Als Motorrad-Profi widmest du dich zu einhundert Prozent deinem Sport und hast eigentlich keinen Plan B in der Tasche. Daher war ich froh, als sich diese Möglichkeit ergab. Der Job macht mir viel Spaß und ich konnte dadurch stets ein Teil der MotoGP-Szene bleiben. Müsste ich Schulnoten vergeben, würde ich mir für die Zweitkarriere eine gute Zwei geben. Die erste Karriere lief ja leider nicht ganz so glücklich ab.

Hofmann startete seine TV-Karriere 2009 bei Sport1-Vorgänger DSF, Foto: Nadine Rupp
Hofmann startete seine TV-Karriere 2009 bei Sport1-Vorgänger DSF, Foto: Nadine Rupp

Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern, als du zum ersten Mal nicht als Interviewter, sondern selbst als Interviewer vor der Kamera gestanden bist?
Ja, das war in Katar beim Saisonauftakt. Moderator war damals Wolfgang Rother und ich stand als Experte quasi nur neben ihm. Ich weiß noch ganz genau: Er rannte vor der Kamera herum, redete ohne ins Stocken zu geraten oder auch nur einmal abzusetzen. Er ging in die Boxen und hielt den Fahrern das Mikro unter den Helm. Da dachte ich mir nur: Wow, das wirst du selber nie so hinbekommen. Aber schon zwei Jahre später habe ich es genauso gemacht.

Du wirkst mittlerweile während der Übertragungen vollkommen entspannt. Wie lange hat es gedauert, bis du dich vor der Kamera wirklich wohl gefühlt hast?
Es gibt ein paar Komponenten, die du unter einen Hut bringen musst: Du musst den Redefluss aufrecht halten, darauf achten was du sagst, wie du es sagst und wie du dich selbst vor der Kamera präsentierst. Fachlich musst du präzise sein, zudem eloquent und trotzdem noch entertainen. Mittlerweile schrecke ich auch vor Aufgaben wie der Moderation des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring nicht mehr zurück, weil ich weiß, dass ich das hinbekomme. Das Wichtigste im Fernsehen ist, dass du authentisch bleibst. Sobald der Zuschauer merkt, dass du vor der Kamera du selbst bist und dich nicht verstellst, hast du schon gewonnen.

Größere Fan-Basis nach der MotoGP-Karriere

Wie rasch hast du den nötigen Zuspruch der Fans gespürt?
Wenn du anfängst, weißt du nicht, ob deine Art den Leuten gefällt. Aber nach und nach merkst du, wie die Daumen nach oben gehen und irgendwann ist mir aufgefallen: Hey, du bist jetzt eigentlich beliebter als in der Zeit, als du selbst gefahren bist.

Ist das tatsächlich so? Hast du jetzt mehr Fans als in deiner aktiven Zeit?
Ja. Als MotoGP-Fahrer hast du viele Fans, die dich fragen, wieso nicht mehr möglich ist und dir dann schlechte Ergebnisse vorhalten. Im Fernsehen war ich plötzlich die Direktverbindung zwischen dem Zuschauer auf der Couch und Valentino Rossi an der Box. Damit wurden aus Fragen wie "Alex, warum fährst du keine besseren Ergebnisse ein?" plötzlich Dinge wie "Alex, wir finden das geil, wie du uns die MotoGP präsentierst!". Als ehemaliger Motorradrennfahrer fragt man sich dann natürlich schon, wieso man all die Jahre davor seine Knochen auf der Strecke geschunden hat. Denn richtig populär wurde ich eigentlich erst nach meiner aktiven Zeit.

Als Rennfahrer war Alex Hofmann nicht so beliebt wie als TV-Experte, Foto: Kawasaki
Als Rennfahrer war Alex Hofmann nicht so beliebt wie als TV-Experte, Foto: Kawasaki

Dennoch kannst du dem aktiven Rennsport bis heute nicht völlig den Rücken kehren, denn bei KTM bist du immer noch als Testfahrer engagiert und hast erst Ende Juli am Red Bull Ring wieder das MotoGP-Bike für 2017 ausgeführt. Wie wichtig ist der Testfahrerjob für dich?
Der ist mir sehr wichtig und mir macht es noch immer tierisch viel Spaß. Ich muss nachträglich zugeben: Als Rennfahrer fehlte mir wahrscheinlich dieser allerletzte Killerinstinkt auf der Strecke. Allerdings habe ich danach gemerkt, dass ich als Testfahrer eine gewisse Begabung habe. Als Testfahrer kannst du dich komplett auf dein Motorrad konzentrieren, quasi in Ruhe in es hineinhören. Dann merkst du, dass du ein gutes technisches Verständnis hast und die Ingenieure mit deinem Feedback viel anfangen können. Mein Talent dafür habe ich - wie auch mit der Fernseh-Sache - erst nach meiner Karriere entdeckt. Und noch etwas: Durch die Testfahrten bekomme ich meine nötige Portion Adrenalin. Zwischen all der stressigen TV-Arbeit und dem Familienleben als zweifacher Vater tut es manchmal schon ganz gut, einfach mal das Visier runterzuklappen und die MotoGP-Kiste voll aufzudrehen.

Hofmann über die Entwicklung in MotoGP-Deutschland

Seit du vor der Kamera stehst, hat sich der Motorradsport in Deutschland sehr gut entwickelt. Wir durften Siege und Titel bejubeln, mit Kalex wird das beste Moto2-Bike in Deutschland gebaut. Stimmt die Richtung, in die sich der Sport in unseren Gefilden entwickelt?
Auf jeden Fall! Nicht nur aus deutscher Sicht, sondern aus Sicht des gesamten deutschsprachigen Raumes muss man klar sagen: Wir leben in goldenen Zeiten! Alleine während meines Engagements bei Sport 1 hatten wir zwei deutsche Weltmeister binnen sechs Jahren. Wir haben auch einige Schweizer Siege gesehen und mit KTM steigt ein österreichischer Hersteller 2017 in die MotoGP ein. In dieser Dichte gab es so etwas in unseren Breitengraden schon lange nicht mehr. Allerdings bekommen leider viel zu wenige Leute von dieser tollen Entwicklung etwas mit - MotoGP ist und bleibt hierzulande leider eine Randsportart. Daher muss man hoffen, dass alle in der Motorrad-WM Beteiligten ihren Enthusiasmus und die Leidenschaft behalten, sich die entstandenen Teams etablieren, Sponsoren nicht so rasch das Interesse verlieren und weitere Talente aus den Nachwuchsklassen in die Weltmeisterschaft kommen.

Generell ist der deutschsprachige Raum eher Herrschaftsbereich des Automobilsports. Viele Fahrer beklagen sich, dass es schwierig ist, in diesem Umfeld ausreichend Sponsorgelder zu lukrieren. Kommt genug Unterstützung aus der Wirtschaft?
Es ist recht einfach, mit dem Finger auf die deutsche Wirtschaft zu zeigen. Aber ich würde den Ball eher an die Fahrer zurückspielen: Alle deutschen WM-Piloten sind durch die Bank keine Musterschüler, wenn es um Sponsorentermine oder TV-Aufzeichnungen geht. Dieses Geschäft ist aber ein Geben und Nehmen. Du kannst nicht erwarten, dass ein Sponsor für dich mehr macht, als du bereit bist, für ihn zu tun. Beispiel TV-Präsenz: Bist du öfter im Fernsehen, hast du eine größere Chance, einen dicken Sponsor an Land zu ziehen. Der Ruf nach mehr Geldgebern erfordert von den Fahrern also auch die Bereitschaft zu mehr Arbeit. Das ist vielen aber nicht so ganz klar.

Bradl und Co. müssen sich besser vermarkten, stellt Hofmann klar, Foto: Giorga Maselli
Bradl und Co. müssen sich besser vermarkten, stellt Hofmann klar, Foto: Giorga Maselli

Sind die heimischen Jungs also noch Oldschool-Rennfahrer, die sich nur auf das Rennfahren an sich konzentrieren und das ganze Drumherum noch nicht professionell genug angehen?
Die Jungs sind allesamt relativ faul, was Social-Media-Aktivitäten betrifft oder auch die Teilnahme an diversen Events. Das ist mittlerweile aber essenzieller Bestandteil des Rennfahrer-Lebens und gehört dazu, um genug Fans und Aufmerksamkeit zu generieren. Es ist sehr einfach, zu sagen: Von den Sponsoren kommt zu wenig Interesse. Aber ich als Sponsor würde mein Geld auch lieber in den Sportler investieren, der im Gegenzug mein Firmenlogo an die größte Fangemeinde transportiert.

Umso wichtiger sind daher die Enthusiasten auf Seiten der Teambesitzer und -chefs wie etwa Stefan Keckeisen, Stefan Kiefer oder auch Fred Corminboeuf. Wie groß ist deren Anteil an den Erfolgen der letzten Jahre?
Wir brauchen uns nur einmal die Keckeisen-Truppe von Dynvolt Intact GP ansehen: Ein Traum für jeden Rennfahrer! In den Neunzigerjahren oder auch den frühen 2000ern hätten sich viele heimische Fahrer einen Finger abgeschnitten, um derartige Möglichkeiten zu bekommen. Du kriegst dort Top-Material, eine eingespielte Crew in der Box und eine von vorne bis hinten solide durchorganisierte Mannschaft. Du musst dich als Fahrer um nichts kümmern. Eigentlich müssten Sandro und Jonas dort jeden Tag in der Früh in die Box laufen und sagen: "Danke, dass ich hier eine Chance bekomme!"

Hofmann über die Projekte der Enthusiasten Kiefer, Keckeisen und Co.

Apropos Chancen: Im Nachwuchsbereich hat der ADAC die Talentförderung nun endlich aus der kränkelnden IDM herausgelöst und mit dem Northern European Cup eine eigenständige Moto3-Serie geschaffen. War das der notwendige Schritt?
Das Problem ist: Die Südländer setzen mittlerweile einen derart hohen Standard im Nachwuchsbereich, den man nördlich der Alpen im Grunde nicht halten kann. Seien es die Spanier mit ihren unzähligen Projekten, der italienische Verband oder Rossi mit seiner Academy. Der Northern European Cup - und damit der Versuch, die Nachbarländer mit ins Boot zu holen - ist eine gute Idee. Aber die Standards in Italien oder Spanien werden dadurch nicht niedriger. Wenn du es wirklich an die Spitze schaffen willst, musst du immer noch den Weg über die Südländer gehen. Zu der Zeit von Waldmann oder mir war der Unterschied noch nicht so krass.

Italienische Talente trainieren oft auf Valentino Rossis Ranch, Foto: Yamaha
Italienische Talente trainieren oft auf Valentino Rossis Ranch, Foto: Yamaha

Spanier und Italiener konnten aufgrund des Wetters schon damals häufiger trainieren als wir, haben aber nebenher noch nicht so viel gemacht wie die aktuelle Generation. Man braucht ja nur einem Marc Marquez oder den Espargaro-Brüdern auf Twitter oder Instagram folgen: Kaum kommen die von einem MotoGP-Wochenende nach Hause, sitzen sie schon wieder auf einem Motorrad - sei es beim Dirt Track, beim Motocross oder auf einer Offroad-Strecke. Sie leben Motorradsport 365 Tage im Jahr. Das kannst du bei uns in Deutschland ja gar nicht so durchziehen - einerseits wegen des Wetters, andererseits ist die Dichte an Strecken und Anlagen gar nicht hoch genug.

Das ist eine recht düstere Prognose für die Zukunft des Motorradsports im deutschsprachigen Raum. Wie könnte man dennoch für gute Aussichten für den heimischen Nachwuchs sorgen?
Man müsste endlich einmal alle beteiligten Parteien an einen Tisch bringen und ein gemeinsames Konzept ausarbeiten. Aktuell geben sich viele Personen und Organisationen Mühe - aber irgendwie jeder für sich. Da fehlt die gemeinsame große Vision. Generell läuft es aktuell aber besser als in der Vergangenheit und dass sich Teams wie Kiefer oder Dynavolt auch im Nachwuchs engagieren, ist eine gute Sache.

Du hast vorhin Motorrad-Fanatiker wie Marquez oder die Espargaros angesprochen. Auch Rossi lebt Motorradsport mit jeder Faser seines Körpers. Haben diese Enthusiasten in den vergangenen Jahren für eine rasante Professionalisierung ihres Sports gesorgt?
Ja. Jede Sportart entwickelt sich weiter und irgendwann kommt einer, der bereit ist, noch weiter ans Limit zu gehen und für seinen Lebenstraum noch mehr zu schwitzen als alle anderen. Das war schon bei einem Rossi der Fall, aber dieses Phänomen haben wir auch durch Marquez wieder gesehen.

War der Sport zu deiner Zeit weniger professionell?
Mein Kawasaki-Vertrag in der MotoGP hatte damals 44 Seiten. Vier Seiten davon enthielten nur eine Auflistung von Dingen, die ich bitte nicht machen soll. So etwas kannst du heute nicht mehr bringen. Ein Marc Marquez lacht dich aus, wenn du ihm in den Vertrag schreibst: Du darfst nicht Motocross fahren. Von diesen Aktivitäten profitieren die Fahrer ja und die Teams nehmen die Verletzungsgefahr in Kauf. Anders würden sie dieses enorm hohe fahrerische Niveau nicht erreichen. Zu meiner Zeit war die Ansage: Abseits der Rennwochenenden wird nur körperlich trainiert und gefahren wird ausschließlich während des Grand Prix. Mit so einer Einstellung kommst du heute nicht mehr weit.

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