Dieser kleine, aber verflixt schnelle Rechtsknick könnte im Laufe des MotoGP-Wochenendes noch für hitzige und kontrovers geführte Diskussionen sorgen. Die Rede ist von Turn 1 auf dem Bugatti Circuit in Le Mans. In der MotoGP-Klasse wird die Kurve mit knapp 310 Stundenkilometern angefahren und mit gut 200 Sachen durchfahren, ehe man für die erste Schikane in die Eisen steigen muss. Dieses Jahr ist die Sache besonders delikat, da sich die Situation mit den Bodenwellen verschlimmert hat. Viele Fahrer hatten daher in den Trainings mit ordentlichen Wacklern zu kämpfen.

Turn 1 in Le Mans: Die Gefahr lauert

Und mit Wacklern bei derart hohen Geschwindkeiten ist nicht zu spaßen. Verliert ein Fahrer hier die Kontrolle, ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Verletzung groß. Alberto Puig hat ein Crash an dieser Stelle im Jahre 1995 seine Karriere in der Motorrad-WM gekostet, an seine Leistungen vor dem Sturz konnte der Pedrosa-Mentor nach dem Comeback nicht mehr anknüpfen, weshalb er Ende 1997 den Helm an den Nagel hing. Puigs Sturz war auch verantwortlich dafür, dass Le Mans nach 1995 vorübergehend aus dem Kalender flog und erst ab dem Jahr 2000 wieder aufgenommen wurde.

Ein Sturz in Turn 1 kann in Le Mans böse enden, Foto: Yamaha
Ein Sturz in Turn 1 kann in Le Mans böse enden, Foto: Yamaha

Die MotoGP-Fahrer sind sich dem Risiko in Turn 1 durchaus bewusst, weshalb sie nun die Safety Comission unter Zugzwang sehen. "Dieses Eck ist wirklich ein Problem. Darüber müssen wir in der Safety Comission reden", fordert Aleix Espargaro. Stefan Bradl pflichtet seinem Fahrer-Kollegen bei: "Da werden wir in der Safety Comission sicher darüber reden. Dass die Strecke schlechter geworden ist, ist für jeden offensichtlich und klar. Wir Fahrer spüren das natürlich am schlimmsten, aber es ist leider so."

Rossi und Marquez: Bodenwellen mit Michelin problematischer

Doch die Fahrer sehen den Grund für die latente Gefahr in Turn 1 nicht nur in den stärker gewordenen Bodenwellen. Auch die neuen Einheitsreifen spielen hierbei wieder einmal eine tragende Rolle. "Mit den Michelin-Reifen bewegt sich das Bike generell etwas mehr bei Vollgas. In der ersten Kurve hatte ich damit sehr viele Probleme. Es gab sehr viel Bewegung am Kurveneingang. Wir haben versucht, das Problem über das Setup zu lösen, aber das hat nicht funktioniert", schlug Valentino Rossi nach dem ersten Trainingstag Alarm.

Rossis Rivale Marc Marquez bestätigt die Eindrücke des Doktors. Auch ihm ist aufgefallen, dass das Überfahren der Bodenwellen mit den Michelin-Reifen zu einer heikleren Angelegenheit geworden ist: "Es scheint so, als wäre die Strecke in diesem Jahr ein bisschen welliger. Aber auch mit den Michelin-Reifen bewegt sich das Bike mehr, wenn man über Bodenwellen fährt. Auf der weicheren Seite ist es besonders schwierig. Wir haben viele Probleme mit den Bodenwellen. Nicht nur in Kurve eins, sondern auch beim Beschleunigen."

Iannone: Elektronik spielt auch eine Rolle

Doch neben den Reifen und den vermehrten Bodenwellen haben die MotoGP-Fahrer noch eine weitere Ursache ausgemacht: die neue und weniger ausgefeilte Einheitselektronik von Magneti Marelli. "Die Elektronik hilft dir sehr dabei, das Motorrad zu kontrollieren. Aber mit dem, was wir haben ist es nur schwer, die Situation zu verbessern. Ich denke, bei allen Fahrern bewegt sich das Bike mehr als im letzten Jahr, weil die Elektronik sicherlich weniger ausgefeilt ist", gibt Andrea Iannone zu Bedenken. Iannones Ausführungen wiederum untermauern Rossis Statement, dass das Problem mit den Bodenwellen nicht über das Setup zu lösen sei.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation mit Turn 1 im Laufe des Wochenendes entwickelt. Stefan Bradl jedenfalls macht sich für Änderungen stark, ohne dabei aber groß ins Detail zu gehen: "Ich hoffe, dass sie für das nächste Jahr was machen, aber jetzt müssen wir uns an diesem Wochenende damit begnügen." Bleibt für ihn und die gesamte MotoGP-Gemeinde zu hoffen, dass die Piloten bei den Highspeed-Wackler in Turn 1 stets die Kontrolle behalten. Sonst werden die Diskussionen um diese gefährliche Kurve an Brisanz noch deutlich zunehmen.