Assen

Nur auf einem Kurs wurde seit Gründung der Motorrad-WM im Jahr 1949 in jeder Saison gefahren:dem TT-Circuit von Assen, ehrfürchtig auch die "Kathedrale des Motorradsports" genannt. Die ruhmreiche Geschichte der Strecke ist auf jedem Meter Asphalt spürbar. Obwohl der Kurs durch den Umbau 2006 etwas von seiner Einzigartigkeit verloren hat, lieben die Niederländer ihren Grand Prix und unzählige Fans aus den benachbarten Ländern pflichten ihnen bei. Das alles, obwohl das Rennen in Assen als einziger der 18 WM-Läufe an einem Samstag stattfindet. Der kuriose Grund? Die Strecke liegt nahe an einer Kirche und der damals offensichtlich relativ einflussreiche Pfarrer ließ keinen Grand Prix am Sonntag zu, weshalb man die Rennen einfach um einen Tag vorverlegte. Mittlerweile hat die MotoGP in Assen den Status einer eigenen Religion erreicht. Über 90.000 Gläubige wohnen der Messe Jahr für Jahr bei.

Bei Rossis Sieg ging die Euphorie nicht nur mit seinen Anhängern durch, Foto: Yamaha
Bei Rossis Sieg ging die Euphorie nicht nur mit seinen Anhängern durch, Foto: Yamaha

Sachsenring

Deutschland gilt gemeinhin als Nation der Autofahrer, der Motorradsport fristet hierzulande eher ein Schattendasein. Das ändert sich aber schlagartig, nähert man sich der Gegend um Hohenstein-Ernstthal im Freistaat Sachsen. Hier wurde bereits 1927 das erste Motorradrennen gefahren. Über 140.000 Zuschauer säumten die öffentlichen Straßen, die damals noch als Rennstrecke dienten. Seinen Zenit als Straßenkurs erreichte der Sachsenring Anfang der 50er Jahre, als mehr als 400.000 Menschen die wagemutigen Piloten auf dem gefährlichen Kurs sehen wollten. 1972 kam aus Sicherheitsgründen das Aus für den alten Sachsenring, erst 1998 kehrte die Motorrad-WM auf die nun permanente Rennstrecke zurück. Praktisch alles hatte sich geändert, doch die Begeisterung der Menschen war geblieben. Nach wie vor strömen Jahr für Jahr weit über 200.000 Fans in den Osten der Republik und sorgen nicht nur tagsüber an der Strecke, sondern auch in der Nacht auf den Campingplätzen für Partystimmung.

Die Tribünen am Sachsenring waren auch in diesem Jahr wieder voll, Foto: Suzuki
Die Tribünen am Sachsenring waren auch in diesem Jahr wieder voll, Foto: Suzuki

Jerez

Wenn die MotoGP Anfang Mai ihre Zelte in Europa aufschlägt, geht es traditionell in den Süden Spaniens, genauer gesagt in die Heimatstadt des weltweit bekannten und beliebten Sherry, nach Jerez. Während man sich in den nördlicheren Breiten zu dieser Jahreszeit meist noch mit kühlen Temperaturen und Regen herumschlagen muss, nutzen viele Motorradfans das frühsommerliche Wetter in Andalusien, um mit ihren Maschinen an die Strecke zu pilgern. Nicht weniger als 243.000 MotoGP-Enthusiasten kamen in diesem Jahr nach Jerez, um ihre Helden zu sehen. Vor allem der Bereich um die Kurven neun und zehn, 'Angel Nieto' und 'Peluqui', erinnert am Rennwochenende eher an die Fankurveeines Fußballstadions, als an einen GP-Kurs. Die steilen Hügel am Streckenrand sind bis auf den letzten Quadratzentimeter gefüllt, der Geräuschpegel ohrenbetäubend und die Stimmung zum Greifen. Einmal ging das Temperament bereits mit den heißblütigen spanischen Fans durch. 1996 standen sie bereits in der letzten Runde des Rennes direkt neben dem Asphalt in den Auslaufzonen, während sich Mick Doohan und Alex Criville um den Sieg duellierten.

Auch im Süden Spaniens ist die Begeisterung für die MotoGP groß, Foto: Tobias Linke
Auch im Süden Spaniens ist die Begeisterung für die MotoGP groß, Foto: Tobias Linke

Mugello

Malerisch bettet sich das 'Autodromo Internazionale del Mugello' in die Hügel der Toskana nördlich von Florenz ein. Eine Szenerie, wie aus einem schmalzigen Italo-Streifen. Richtig kitschig wird es in Mugello aber erst, wenn die MotoGP Einzug hält und ein gewisser Valentino Rossi das Drehbuch schreibt. Feiert der Altmeister unweit seiner Heimatgemeinde Tavullia einen Sieg, was bisher schon unglaubliche neun Mal der Fall war, gibt es kein Halten mehr. Die Fans stürmen die über 1,1 km lange Start-Ziel-Gerade und verwandeln sie in ein gelbes Fahnenmeer. Die Nummer 46 ist omnipräsent. "Vale! Vale! Vale!", schallt es aus zehntausenden Kehlen, übertönt nur noch vom bereits legendären Streckensprecher, der die Menge mit seinen Ansagen zusätzlich anheizt. Um diese einzigartigen Momente zu erreichen, ist in Mugello mittlerweile nicht einmal mehr ein Sieg des Dottore notwendig, selbst ein Podium reicht den Tifosi, um ihr Idol frenetisch zu feiern. Als Rossi 2013 von Alvaro Bautista bereits in Runde eins abgeräumt wurde und ausschied, wurde er nach der Siegerehrung dennoch auf das Podium gebeten - und stahl den ersten Drei direkt die Show.

Bei Rossis Heimspiel in Mugello ist immer viel los, Foto: Repsol Honda
Bei Rossis Heimspiel in Mugello ist immer viel los, Foto: Repsol Honda

Brünn

Das südländische Flair von Mugello oder Jerez kann Brünn nicht bieten. Während man die Rennen in Italien mit Pizza oder die spanischen Grands Prix mit Paella verbindet, steht in Tschechien vor allem bestes Pivo auf der Speisekarte. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, zieht keines der 18 Saisonrennen so viele Menschen an wie der Große Preis der Tschechischen Republik. 240.695 waren es im Vorjahr. Für die unglaubliche Popularität des einzigen Osteuropa-Rennens der MotoGP gibt es mehrere Gründe. Natürlich überzeugen viele Fans aus Deutschland und Österreich die günstigen Preise, doch vor allem ist es die tolle Einsehbarkeit der Strecke von den Naturtribünen aus. Sichert man sich einen Platz im omegaförmigen Mittelteil des Masaryk-Rings kann man die Piloten auf einer Runde gut eine halbe Minute lang am Stück beobachten. Kein Wunder, dass man am Rennsonntag hier kein Stückchen Wiese mehr an den Hängen erkennen kann.

Brünn ist nicht für die Fahrer, sondern auch für die Fans eine Lieblingsstrecke, Foto: Repsol Honda
Brünn ist nicht für die Fahrer, sondern auch für die Fans eine Lieblingsstrecke, Foto: Repsol Honda

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