Achtung, an alle Rossi-Fanatiker: Dieser Kommentar kann Spuren von Kritik an eurem Idol enthalten.

Valentino Rossi erntete am Sonntagnachmittag, was er in der Pressekonferenz am Donnerstag gesät hatte. Und verspielte damit wahrscheinlich selbstverschuldet einen möglichen historischen zehnten WM-Titel. Die Anschuldigungen gegen Marc Marquez, er habe das Rennen auf Phillip Island bewusst zugunsten Jorge Lorenzos beeinflusst, sorgten bei beinahe allen Experten und Journalisten im Paddock für Kopfschütteln.

Der Umstand, dass er seine Verschwörungstheorien in voller verbaler Härte erst nach Ende der offiziellen Pressekonferenz in der italienischsprachigen Medienrunde ausführte, und dass er ab Freitag auf Fragen dazu nicht mehr einging, legt nahe, dass es eine gezielt gesetzte Aktion war um Marc Marquez zu beeinflussen oder zu verunsichern.

Marquez ist kein Biaggi oder Gibernau

Aber Rossi hat vergessen: Er hat es bei Marquez nicht mit einem Max Biaggi oder Sete Gibernau zu tun, die verzweifelt ihren ersten MotoGP-Titel jagen. Sondern mit dem Champion der vergangenen Jahre und einem Talent, das in den vergangenen Jahren von Rekord zu Rekord eilte. Plus: Rossi zog Marquez damit unweigerlich mitten in den WM-Kampf, in den sich der Spanier eigentlich nicht einmischen wollte.

Das gesamte Wochenende war von diversen Spielchen auf und abseits der Strecke geprägt und gipfelte letztendlich in einer Kurzschlussreaktion des Doktors, der zum ersten Mal die Geister, die er rief, nicht mehr bändigen konnte. Ich möchte mich an dieser Stelle keineswegs auf die Seite von Marquez schlagen und schließe es nicht einmal aus, dass dieser am Sonntag Rossi gezielt eins auswischen wollte. Aber wer könnte es ihm nach den recht haltlosen Anschuldigungen aus Phillip Island verdenken?

Marquez fuhr am Sonntag hart, aber innerhalb des Reglements. Rossi tat das sechs Runden und 13 Kurven lang auch. Dann ging das linke Knie nach oben und Marquez zu Boden. Zwar verteidigte sich der Doktor, dass Marquez ihn mit dem Lenker getroffen hätte, deshalb zu Boden ging und deshalb auch sein Bein von der Fußraste abgedrückt wurde. Es solle sogar eine Helicam-Aufnahme geben, die das beweise.

In den Augen seiner Fans ist Rossi immer der Gute, Foto: Yamaha
In den Augen seiner Fans ist Rossi immer der Gute, Foto: Yamaha

Die Rennleitung, der diese Aufnahmen mit Sicherheit vorlagen, überzeugte Rossis Argumentation aber ebenso wenig wie mich. Alle Bilder, die ich kenne, legen eher ein Vergehen des Italieners nahe. Eine Strafe ist also in jedem Fall gerechtfertigt und in dieser Hinsicht fällte die Race Direction ein salomonisches Urteil. Das Sepang-Ergebnis bleibt, aber Rossi muss aufgrund des vollen Strafpunktekontos in Valencia vom letzten Startplatz ins Rennen gehen.

Schuld gestand sich Rossi keine ein. Zu sehr würde das seinen millionenschweren Nimbus als Sunnyboy des MotoGP-Paddocks beschädigen. Auch die Rossi-Fans ließen mit durch die gelbe Brille getätigten Kommentaren unter unseren Stories und Facebook-Postings durchblicken, dass für sie Rossi immer Recht hat - und stets der jeweilige Gegner der Arsch ist. Durch die Entscheidung der Rennleitung können sich die Gelbverblendeten nun sogar ihr eigene Dolchstoßlegende zurechtzimmern.

Sollte er in Valencia kein Wunder wirken, hat Rossi am Sonntag in Sepang die WM aus eigenem Verschulden verspielt. Durch die Geister, die er selbst rief.