Neun WM-Titel. Einen in der 125er-Klasse, einen bei den 250ern, einen mit der 500er-Honda und weitere sechs in der MotoGP-Kategorie, dazu 112 Siege und über 200 Podiumsplatzierungen - Valentino Rossi hat alles erreicht. Dennoch kämpfte sich der Italiener nach zwei schwierigen Jahren auf der zickigen Ducati wieder zurück und fährt nun im Jahre 2015 um seine zehnte Weltmeisterschaft. Der Doktor präsentiert sich in der Form seines Lebens und auch das Glück scheint ihm hold zu sein. Auch wenn er in Aragon erstmals seit Menschengedenken einen Zweikampf in der letzten Runde verlor.

Doch diese überragende Form im fortgeschrittenen Leistungssportler-Alter von 36 Jahren kommt nicht von ungefähr. Sicherlich spielt auch das Talent eine gewisse Rolle, doch das alleine ist noch lange keine Garantie für Erfolge. Rossi muss mittlerweile hart arbeiten und kann sich schon längst nicht mehr nur auf sein Talent verlassen. Das fiel dem Doktor natürlich auch selbst schon auf, wenn er an seine Anfänge zurückdenkt: "Wir müssen heute so viel mehr Faktoren berücksichtigen. Aus den Piloten sind unglaubliche Athleten geworden", so der Italiener im Interview gegenüber Cycleworld.com. "In der Vergangenheit konnte man sich das Rennen einteilen und musste erst in den letzten Runden kämpfen", gibt Rossi zu bedenken. Eine Praxis, die er in jungen Jahren nur allzu gerne angewandt hat.

Valentino Rossi verbringt so viel Zeit wie möglich auf dem Motorrad oder im Kraftraum, Foto: Tobias Linke
Valentino Rossi verbringt so viel Zeit wie möglich auf dem Motorrad oder im Kraftraum, Foto: Tobias Linke

Körperliche Anforderungen heutzutage wesentlich härter

Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Auch aus Rossi ist inzwischen seit geraumer Zeit ein Modellathlet geworden. Unvergessen die Blicke der Konkurrenz bei den Vorsaisontests 2010, als Rossi nach dem neunten Titel mit nie zuvor gesehener Fitness schockte. Er weiß: "Heute muss man viel härter trainieren. Man kann es sich nicht mehr erlauben, auf die Strecke zu gehen und nicht zu 100% fit zu sein. Wenn ich nicht bei den Rennen bin, dann trainiere ich jeden Tag!"

Dafür hat sich Rossi bekannterweise zuhause in Tavullia seine eigene Ranch aufgebaut, auf der er zusammen mit den Fahrern aus seiner Akademie so oft wie möglich unterwegs ist. Auch der Misano World Circuit ganz in der Nähe von Rossis Heimatort wird oft genutzt. "Man muss von der ersten bis zur letzten Runde konzentriert bleiben. Körperliches Training ist der Schlüssel geworden, um ein derart hohes Level an Konzentration und Präzision zu erreichen", bemerkt der Doktor.

Hauptschlüssel Motivation

Damit einher geht auch, dass Motivation die wichtigste Zutat für Erfolg ist. Für Rossi zählt Motivation mehr als Erfahrung, wie er verrät: "Motivation zählt mehr als Training, Erfahrung und Alter! Man muss sich ständig fragen: Warum bin ich Rennfahrer? Ich fahre, weil ich wirklich Spaß daran habe. Ich mag es, mein Bike abzustimmen und damit auf der Strecke zu fahren. Nach 20 Jahren in der WM bin ich immer noch hochmotiviert. Alles andere ist eine Folge daraus."

Dennoch: Durch seine Teilnahme an mittlerweile 326 GP-Rennen ist Rossi mit allen Wassern gewaschen. Daher sieht er natürlich auch seine immense Erfahrung aus fast 20 Saisons als bedeutenden Faktor an: "Im richtigen Moment kann sie sehr hilfreich sein", bemerkt der Doktor. "Erfahren zu sein bedeutet, weniger Fehler auf der Strecke zu machen. Das ist das Gute daran, für so viele Jahre unterwegs zu sein."

Rossi schaut sich auch immer Dinge bei der Konkurrenz ab, Foto: Monster
Rossi schaut sich auch immer Dinge bei der Konkurrenz ab, Foto: Monster

Anpassungsfähigkeit wichtig für Rossi

Im Laufe der Zeit hatte Rossi daher auch mit einigen Rivalen wie Max Biaggi, Sete Gibernau, Casey Stoner und Jorge Lorenzo zu kämpfen. Zumeist ging der Doktor als Sieger aus den harten Zweikämpfen hervor. Die Fights brachten für Rossi noch einen wichtigen Zusatzeffekt: Der Doktor konnte immer auch von bestimmten Eigenschaften seiner Feinde Nutzen ziehen. "Es ist auch wichtig, von seinen Rivalen zu lernen. Jeder hat seinen eigenen Stil und man muss sich auf einige unveränderbare Elemente verlassen können", berichtet der neunfache Weltmeister.

Daher sei es auch ganz wichtig, sich auf die Gegner und die Gegebenheiten auch anzupassen wie Rossi anmahnt: "Auf der anderen Seite können sich das Bike oder die Reifen verändern und man muss sich darauf einstellen, das ist sehr wichtig. Es kommt auf den Fahrer an, zu verstehen, was man ändern sollte und worauf man sich anpassen sollte." Bei seinem Sieg in der Regenlotterie von Silverstone dürfte die Anpassungsfähigkeit Rossis wohl auch eine große Rolle gespielt haben.