Nach seinem vierten Platz im Regen von Silverstone zeigte sich Yamaha-Star Jorge Lorenzo selbstkritisch. Er befand: "Im Regen ist es immer schwierig. Manchmal fühlt man sich gut, wie zum Beispiel in Aragon, wo ich letztes Jahr gewonnen habe, oder in Sepang am Freitag, aber manchmal ist es eben schwierig. "

Lorenzo schwach im Regen: Stimmt das überhaupt?

Allgemein kann man sich des Eindruckes also nicht erwehren, dass Lorenzo im Regen nicht der stärkste Fahrer in der MotoGP ist. Um zu überprüfen, ob das wirklich stimmt, hat Motorsport-Magazin.com die Punkteausbeute der derzeitigen Top-3 in der MotoGP bei den letzten Regenrennen ausgewertet:

Und siehe da: Im Vergleich mit Rossi und Marquez ist Lorenzo im Regen eindeutig schwächer, von den Dreien konnte er auf nassem Asphalt die wenigsten Punkte sammeln. Was allerdings auch aus der Statistik hervorgeht: Im Regen kann kein Spitzenfahrer konstant hoch punkten, und Lorenzo ist weit davon entfernt, bei jedem Regenrennen unter seinen Möglichkeiten zu bleiben. Spätestens mit dem Sieg in Aragon 2014 bewies er, dass er nicht prinzipiell immer im Regen schwach ist.

Woran liegt es dann aber, dass er sich bei manchen Regenrennen so schwer tut? Lorenzo selbst deutete es nach dem Großbritannien GP schon an: "Manchmal ist es eben schwierig, besonders, wenn die Strecke sehr rutschig ist." Der Belag von Silverstone ist allgemein nicht der Beste in der MotoGP-Saison. Drei verschiedene Asphaltarten reagieren zudem bei Regen sehr unterschiedlich.

Schwierigkeiten bei rutschiger Strecke

Nicht alle Strecken im Rennkalender verändern sich bei Regen vom Belag her gleich, auch die Reifen reagieren von Strecke zu Strecke verschieden. Mit entscheidend für den Grip ist auch die Temperatur, und die lag bei manchen Regenrennen, zum Beispiel Aragon 2014, doch noch etwas höher als in Silverstone. Generell profitierte Lorenzo in Aragon eher von einer optimalen Taktik und dem rechtzeitigen Motorrad-Wechsel, während seine Konkurrenten zu lange auf Slicks draußen blieben und stürzten.

Eine Spekulation, die seit Assen 2013 nahe liegt, ist, dass Lorenzo im Nassen vielleicht nicht mit dem nötigen Selbstvertrauen zu Werke geht. Kein Wunder, war er doch damals im verregneten FP2 schwer gestürzt und hatte sich noch am Freitagabend das gebrochene Schlüsselbein operieren lassen müssen. Am Sonntag trat er unter Schmerzen zum Rennen auf der wieder getrockneten Strecke an und rettete einen fünften Platz. Gut vorstellbar, dass ihm dieser üble Crash psychisch einen Knacks gegeben hat. An sich sollte man sich nach einem solchen Crash so schnell wie möglich einer ähnlichen Situation aussetzen, noch bevor man lange darüber nachgrübeln kann, aber die MotoGP-Stars können nur selten im Regen trainieren oder testen. Lorenzo selbst gab 2014 nach dem Regen-Desaster mit Nullnummer in Valencia zu, dass ihm im Rennen ein gewisser Mut und die Risikobereitschaft gefehlt hatten.

Definitiv kein Regen-Fan: Jorge Lorenzo, Foto: Milagro
Definitiv kein Regen-Fan: Jorge Lorenzo, Foto: Milagro

Regenschwäche im WM-Duell mit Rossi entscheidend?

Nach Silverstone liegt Lorenzo hinter seinem Teamkollegen Valentino Rossi, der auf nassem Asphalt erst so richtig aufdrehte, um zwölf Punkte zurück. Das klingt an sich nicht nach viel, doch war Rossi in dieser Saison bisher der konstanteste Fahrer - und es geht auf seine Heimstrecke in Misano zu, wo Rossi auch bei bestem italienischem Sommerwetter nicht leicht zu schlagen sein dürfte. Am Ende könnte also Lorenzos Regenschwäche in Silverstone das Zünglein an der Waage zwischen Weltmeister und Vize-Weltmeister sein.

Immerhin, Lorenzo darf sich trösten: Die verbleibenden Strecken sind an sich alle nicht so regenträchtig wie Silverstone, wo sich der berüchtigte britische Landregen schon fast auf Kommando mit Eintreffen des Grand Prix-Zirkus einzustellen scheint, auch der Asphalt wird bei Nässe weniger glitschig. Andererseits gab es 2014 ausgerechnet in Aragon und Valencia Ausfahrten auf nasser Strecke. Weltmeister wird man eben in der MotoGP nur, wenn man unter allen Bedingungen richtig schnell fahren kann.