Der Riese wankte, fiel, blieb aber nicht liegen. Nach schwierigen Wochen mit zahlreichen Stürzen und verhältnismäßig schwachen Ergebnissen scheint Marc Marquez für die Saison 2015 doch noch die "Kurve zu kriegen". Bereits vor knapp zwei Wochen in Assen zeigte sich der Superstar aus dem Repsol-Honda-Rennstall von seiner besten Seiten, verpasste den ersten Sieg seit dem zweiten Saisonrennen in Austin erst in der letzten Schikane.

Wer nach der Niederlagen im mittlerweile berühmt-berüchtigten Zweikampf mit Valentino Rossi jedoch an eine Resignation Marquez‘ glaubte, wurde am Sachsenring-Freitag umgehend eines Besseren belehrt. Von Beginn an wirkte der Weltmeister auf einer Mission, zeigte sich von seiner unantastbaren Seite des Jahres 2014. Zwei Session-Bestzeiten, mehrere Zeiten unterhalb des vier Jahre alten Rennrundenrekords von Dani Pedrosa sowie ein Monster-Longrun waren das beeindruckenden Ergebnis.

Marquez: Opfer des eigenen Könnens?

Wie bereits in Assen setzte Marquez dabei auf das erfolgreiche Vorjahres-Chassis, das den bockigen und zu aggressiven Honda-Motor 2015 in Kombination mit anderen Modifikationen an der RC213V endlich zu bändigen scheint. Wie der Superstar bestätigte, ist die deutlich verbesserte Fahrbarkeit des Bikes der Hauptgrund für seine "Wiedergeburt": "Ich bin nicht unfit, habe das Fahren nicht verlernt und bin immer noch der Alte. Wir haben die richtigen Schritte unternommen und mein Bike erlaubt mir endlich wieder zu fahren, wie ich es will."

Einmal im Rhythmus, ist Marc Marquez zu allem fähig, Foto: Milagro
Einmal im Rhythmus, ist Marc Marquez zu allem fähig, Foto: Milagro

Geht es nach Marquez, waren seine zahlreichen Stürze und Fehler in dieser Saison ein Produkt seines Wesens – und Könnens. "Ich bin ein Fahrer, der auch schnell sein kann, wenn das Bike nicht zu 100% passt. Das ‚Problem‘ ist, dass ich das dann mit zu viel Risiko kompensieren will – und so passieren dann eben die Stürze. Nun ist es endlich so, dass ich das Motorrad wieder perfekt spüre, vor allem bei der Ein- und Durchfahrt der Kurven. Ich mache nach wie vor Fehler bei der Jagd nach den Limits, aber das Bike erlaubt es mir nun wieder, diese abzufangen, zu kaschieren, und den Zeitverlust zu minimieren. Das ist das ganze Geheimnis."

Marquez: Von Rossi und Lorenzo lernen

Vor allem der abschließende Longrun Marquez‘ am "besten Freitag der Saison" sollte der Konkurrenz mächtig zu denken geben. Auf einer halben Renndistanz von zwölf Runden wäre MM93 mit 10 Runden in die Top-6 des Tages gefahren, mit rund der Hälfte noch in die Top-3. Die Tagesbestzeit von 1:21.621 erzielte Marquez als Ausrufezeichen dann auf der letzten Runde – mit abgefahrenen Reifen. "Meine Konstanz heute war ein sehr gutes Zeichen. Wir sind auf dem richtigen Weg und wenn ich den Speed über das Rennen konservieren kann, ist einiges drin."

Dass aber bei weitem noch nicht alles perfekt läuft, räumt Marquez bei aller Euphorie dennoch ein: "Wir müssen noch an vielen kleinen Stellschrauben drehen – das ist uns schon bewusst. Es gibt auch viele äußere Faktoren, die entscheidend einwirken können, wie Wind, Wetter, Streckentemperatur." Seine Zufriedenheit über den Verlauf des Sachsenring-Auftakts – ein Rennen, bei dem Marquez nicht weniger als fünf Mal in Serien in den verschiedenen Klassen siegte – kann der Weltmeister aber nicht verbergen: "Ich kann das Bike besser stoppen, der Kurveneingang läuft sehr gut und das Selbstvertrauen ist da. So kann es gerne weiter gehen."

Sollte es auch am Sachsenring jedoch nicht mit dem lange ersehnten ersten Sieg seit knapp drei Monaten klappen, wird Marquez nicht verzagen. "Bisher lief meine Karriere in der MotoGP doch unter dem Strich ungewöhnlich reibungslos. Dass das aber nicht typisch ist, haben wir bislang bei allen großen Fahrern in der Weltmeisterschaft gesehen." Bestes Beispiel seien ausgerechnet seine aktuell größten Konkurrenten: "Auch Valentino Rossi und Jorge Lorenzo wurden schon totgesagt, und sind stärker als je zuvor wieder daraus hervorgegangen. Das ist nun meine Aufgabe. Ich muss ruhig bleiben, lernen, einen Weg aus der Krise zu finden und zurückschlagen."