Der Vertragspoker um Stefan Bradl spitzt sich zu. Gelingt es dem Zahlinger in den nächsten paar Rennen nach der Sommerpause nicht, absolute Spitzenresultate einzufahren, ist seine Zeit bei LCR Honda nach drei Jahren wohl mit Saisonende vorüber. Der Druck kommt in diesem Bereich aber weniger von Teamchef Lucio Cecchinello, als vielmehr von Motorradlieferant Honda, das einen beträchtlichen Anteil an der Fahrerwahl seiner Kundenteams hat.

Das weiß auch Bradl selbst. "Lucio würde mich gerne im Team behalten und ich würde gerne hier bleiben. Wir kriegen unsere Motorräder aber von Honda, also hängt die Entscheidung von HRC ab. Sie warten noch auf bessere Leistungen von mir und das kann ich auch verstehen. Ich muss jetzt einfach gute Rennen zu zeigen", so der Bayer. Auch sein Teamchef macht keinen Hehl daraus, dass er Bradl gerne im Team behalten würde: "Ich arbeite sehr gerne mit Stefan zusammen und bin der Meinung, dass er ein wirklich schneller Fahrer mit viel Talent ist. Daher versuche ich alles, um ihm gute Resultate zu ermöglichen, so dass er weiterhin Teil unseres Projekts sein kann."

Sollte der Moto2-Weltmeister von 2011 im Vertragspoker dennoch auf der Strecke bleiben, muss sich Bradl schnell um eine andere Position umsehen. Das sei bisher noch nicht geschehen, beteuert Bradl, der zuletzt auch einen Wechsel zurück in die Moto2-Klasse nicht mehr ausschließen wollte: "Ich habe keine Angebote von anderen Teams und habe auch noch mit niemandem gesprochen. Eine Rückkehr in die Moto2 wäre natürlich nicht meine erste Wahl. Meine Leistungen waren nicht so schlecht, dass ich im nächsten Jahr kein konkurrenzfähiges Motorrad kriegen könnte."

Sein bestes Saisonresultat lieferte Bradl mit Rang vier in Austin, Foto: Milagro
Sein bestes Saisonresultat lieferte Bradl mit Rang vier in Austin, Foto: Milagro

Ein möglicher Rettungsanker für Bradl, könnte die Aufstockung des LCR Honda Teams von einem auf zwei Piloten sein. Selbst wenn er den Platz auf der Factory Honda verlieren würde, könnte der 24-Jährige dann auf dem zweiten Bike - voraussichtlich ein Production Racer für die Open-Klasse - im Team bleiben. Diese Erweiterung des Teams ist aber noch von einem möglichen Sponsordeal zwischen LCR und dem Unternehmen CWM World abhängig, dass den Rennstall bereits beim diesjährigen Grand Prix der Niederlande unterstützte.

Miller ante portas?

Die Nachfolge Bradls auf der RC213V könnte für den Fall, dass Cecchinello weiterhin mit nur einer Maschine weitermacht, zu einer echten Sensation werden. Es scheint denkbar, dass Moto3-WM-Leader Jack Miller direkt von der kleinsten Klasse in die MotoGP aufsteigt und dort gleich seine Chance auf einem Factory Bike bekommt.

Miller scheint entschlossen, den Sprung in die MotoGP zu wagen, Foto: Milagro
Miller scheint entschlossen, den Sprung in die MotoGP zu wagen, Foto: Milagro

Der Teamchef drückt aber auf die Bremse: "Mir ist bewusst, dass einige Leute bei HRC Jack gerne verpflichten würden, weil sie in ihm die Zukunft sehen. Ich weiß, dass sie auf ihn zugegangen sind, aber ich habe keine Ahnung wie die Situation momentan aussieht." Cecchinello stört sich vor allem an der unklaren Vertragssituation Millers. Der Australier hat einen Vorvertrag mit Marc VDS für die Moto2 unterschrieben, auf den der belgische Rennstall nun pocht.

"Ich denke, dass er einen bestehenden Vertrag hat und ich möchte nicht so eine unklare Abmachung involviert sein. Wenn aber HRC zu mir kommt und mir erklärt, dass Jack frei ist, wir ihn verpflichten und in unserem Team unterbringen können, dann bin ich für alles offen. Bisher habe ich aber weder mit Jack noch mit seinem Management gesprochen. Bevor ich über Fahrer sprechen kann muss ich ohnehin erst einmal klären, ob wir mit einem oder mit zwei Motorrädern in die nächste Saison gehen", so Cecchinello gegenüber MCN.

Bekommt er den Deal mit einer Factory-Maschine und einem Open-Bike auf die Reihe, würde Cecchinello Miller in seiner ersten MotoGP-Saison bevorzugt auf dem Production Racer zu sehen: "Ich denke, dass das besser für ihn wäre, weil er weniger Druck hätte. Er wird ohnehin eine Zeit brauchen, um sich an die extreme Leistung zu gewöhnen." In der Tat sollte der Sprung vom 55 PS starken Moto3-Bike auf ein MotoGP- Motorrad mit mehr als 250 Pferdestärken auch so groß genug sein. Nicht umsonst riet bereits Valentino Rossi dem 19-jährigen Miller von einem Wechsel ab.