Im zarten Alter von drei Jahren saß der kleien Danilo zum ersten Mal auf einem Bike, mit sieben fuhr er sein erstes Rennen. Neun Jahre später wechselte er von Trial und Cross auf die Straße. Heute ist er 22 Jahre alt und fährt in der MotoGP. Danilo Petrucci hat einen beachtlichen Werdegang hinter sich. "Obwohl ich schon viele Jahre Motorrad fahre, begann meine eigentliche Karriere im Straßenrennsport erst 2006. Ich habe also noch nicht so viel Erfahrung. Ich denke, Valentino Rossi hatte 2006 schon sieben oder acht WM-Titel gewonnen", sagt er lachend. Petrucci will schon seit Jahren in die Fußstapfen seines großen Vorbilds treten - das allerdings nicht Rossi heißt.

Polizist auf Abwegen, Foto: Simninja Photodesignagentur
Polizist auf Abwegen, Foto: Simninja Photodesignagentur

"Ich war immer ein riesiger Fan von Loris Capirossi", gibt der Italiener zu. Capirossi habe ihm nicht nur auf dem Motorrad, sondern auch in anderer Hinsicht imponiert: "Mein Vater hat in der Vergangenheit mit ihm gearbeitet und schon als Kind habe ich beobachtet, dass Loris als Polizist Motorrad fuhr. Er war immer mein Vorbild, also wollte ich auch Polizist werden. Um eines Tages wie Loris zu sein, muss ich aber noch drei WM-Titel gewinnen. Das wird wohl der schwierigste Teil", scherzt Petrucci, der vor zwei Jahren mit seiner Ausbildung zum Polizisten begonnen hat.

Um zur Polizia zu gehören, musste Petrucci ein Jahr lang im Internat leben. "Es war sehr hart, denn ich brauchte immer eine Sondergenehmigung, um zu den Rennen zu fahren. Wenn ich nach den Rennwochenenden wieder nach Hause kam, musste ich gleich wieder zurück ins Internat, um zu trainieren", schildert Petrucci, der damals in der Supertock1000-Meisterschaft fuhr. Die Ausbildung bestand jedoch nicht nur aus körperlichem Training, besonders geistig musste Petrucci viel beweisen. "Man muss die italienischen Gesetze lernen, Zivilgesetze, Strafrecht und all sowas. Außerdem muss man einen Führerschein machen. Das Wichtigste war aber, das Schießen mit der Waffe. Am Ende bekommt man eine Waffe und diese hast du dein ganzes Leben lang. Aufs Schießtraining wurde also besonderer Wert gelegt."

Petrucci empfand das Ausbildungsjahr als die bisher härteste Zeit seines Lebens. "Es war sehr, sehr schwer, besonders im Sommer. Man muss immer in der Polizeistation leben und hat nur wenige Tage frei. Ich erinnere mich, dass ich zwei Wochen Urlaub hatte und in diesen zwei Wochen hatte ich zwei Rennen, das war also komplett verschenkt und ich hatte in diesem Jahr nie wirklich frei", grübelt er. Aber der Motorradfahrer hatte Glück - nach einem Jahr war die intensive Anfangszeit vorbei. "Ich glaube, dass ich am Ende des Jahres der glücklichste Mensch auf der Welt war", strahlt Petrucci, dessen Polizeiausbildung aber nicht nur ein zweites Standbein ist, sondern noch viel mehr Vorteile mit sich bringt.

Denn die italienischen Beamten stellen sich in sämtlichen Sportarten auf. "Das ist eine seltsame Sache, besonders für Leute, die nicht in Italien leben. Sie verstehen das System bei der Polizei nicht. In Italien haben wir viele Sportgruppen der Staatskräfte wie Feuerwehrmänner, Carabinieri, Finanzbeamte und Polizisten, die in sämtlichen Sportarten wie etwa Kajak, beim Schwimmen oder sogar bei den olympischen Spielen antreten", erklärt der Polizist. Die sportlichen Italiener vertreten damit ihre Nation auf internationaler Ebene und machen wie Petrucci mit Polizeilogos auf der Lederkombi Werbung für die Staatsgewalten.

"Noch schwieriger ist wohl zu verstehen, dass wir den Job nach der Ausbildung nicht ausüben", erklärt Petrucci weiter. Er selbst ist nach dem Jahr 2011 wieder hauptberuflich Motorrad gefahren. "Ich habe die Ausbildung, die Sachen und die Waffe, habe aber ich habe noch nie in diesem Beruf gearbeitet und all das noch nicht benutzt. Wenn ich eines Tages nicht mehr Rennen fahre, kann ich einen richtigen Job bei der Polizei ausüben." Dabei stellt die Polizei keine niedrigen Anforderungen. Wäre Petrucci in der italienischen Meisterschaft unterwegs und würde nach zwei Jahren nicht unter die Top-3 kommen, würde er zum Polizeidienst eingezogen und könnte den Helm an den Nagel hängen. "In der Weltmeisterschaft gibt es aber keine vorgeschriebenen Ergebnisse. Für mich ist es momentan in der MotoGP auch recht schwer zu gewinnen oder unter die Top-3 zu gelangen. Für sie ist es gut genug, dass ich in der WM dabei bin und das Polizeilogo in der ganzen Welt trage."

Bereits 2012 fur Petrucci eine Suter-BMW, Foto: Milagro
Bereits 2012 fur Petrucci eine Suter-BMW, Foto: Milagro

Außerdem hat das Tragen der Polizia-Logos noch einen weiteren Vorteil: Petrucci wird von der Polizei bezahlt. "Denn das ist meine Arbeit für sie. Das ist eine historische Sache, im Sport wird unser Land repräsentiert. Dazu ist es in einigen Sportarten sehr schwer, zu überleben, wenn man nicht vom Staat bezahlt wird. Für gute Leistungen zahlen sie außerdem einen Bonus. Die beliebtesten Athleten in Italien kommen vom Militär", schwärmt er.

Solange Petrucci in der MotoGP fährt, muss er also nicht zum richtigen Polizeidienst und kann sich abseits der Rennstrecken anderen Dingen widmen. "Ich kämpfe mit meinem Zuhause", lacht er. "Ich lebe alleine und für mich ist es immer wieder eine Herausforderung, die Wäsche zu waschen und das Haus zu putzen. Es ist nicht so leicht für einen Mann wie mich, ein Haus sauber zu halten. Das ist nach dem Training meine Hauptaktivität. Wenn ich abends noch genügend Kraft habe, gehe ich mit meinen Freunden aus. Ich bin abseits der Rennstrecken gern 'normal'."

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