Pol und Aleix Espargaro werden sich 2014 vielleicht näher kommen als ihnen lieb ist. Das spanische Brüderpaar fährt in der kommenden Saison in der MotoGP gegeneinander - Anfang August wurde das erste familieninterne Duell seit Laguna Seca 2010 (damals Nicky und Roger Lee Hayden) durch Pols Unterschrift bei Tech 3 Yamaha perfekt. Für die Espargaros ist das direkte Duell auf der Strecke nichts Neues. "2011 sind wird gemeinsam in der Moto2 gefahren, davor hatten wir schon ein oder zwei gemeinsame Rennen in der 125cc-Klasse", erklärt Aleix, der bereits über 50 Starts in der Königsklasse auf dem Buckel hat, im Gespräch mit dem Motorsport-Magazin.

"Es war damals seine erste Moto2-Saison und ich konnte ihm viel helfen. Wir konnten uns immer aneinander orientieren", so der um 22 Monate ältere der beiden Espargaro-Brüder weiter. Das Duo verbindet nicht nur das gemeinsame Blut, vielmehr sind Pol und Aleix beste Freunde, die bei Rennen des jeweils anderen vielleicht sogar mehr zittern und mitfiebern als bei den eigenen. Die TV-Bilder des nervösen Pol an der Box des Bruders oder jene von Aleix, der seinem kleinen Bruder die Anzeigetafel an der Boxenmauer entgegenhält und ihn mit geballter Faust anfeuert, sind legendär und haben dem Brüderpaar weltweit Sympathien eingebracht.

"Ich bin tatsächlich nervöser, wenn ich meinem Bruder zusehe. Ich bekomme immer Nervenflattern wenn er fährt, vor allem wenn er um Siege kämpft", führt Espargaro aus. "Es freut mich aber sehr, dass er um den Titel kämpft. Wenn er nächstes Jahr zu mir in die MotoGP wechselt, dann kann ich während der Moto2-Rennen wieder etwas entspannter zusehen."

Pol und Aleix Espargaro starten 2014 gemeinsam in der MotoGP., Foto: Mapfre Aspar Team
Pol und Aleix Espargaro starten 2014 gemeinsam in der MotoGP., Foto: Mapfre Aspar Team

Ihre Schritte im Motorradsport haben die beiden Spanier von Beginn an gemeinsam getan. "Wir haben im Alter von drei und vier im Enduro angefangen. Er hat damals immer meine alten Motorräder benutzt", erinnert sich Aleix an die Anfänge zurück. "Im Teenager-Alter sind wir dann gemeinsam in der WM angekommen. Es ist mir jetzt eine große Freude, dass wir gemeinsam in der besten Motorrad-Klasse der Welt fahren werden."

Behalten die Espargaros ihre Stammplätze für die gesamte Saison, wären sie das erste Brüderpaar, das eine gesamte Saison bestreitet, seit Haruchika und Nobuatsu Aoki im Jahr 1999. Im Windschatten der beiden Spanier drängen auch zwei weitere Landsleute nach oben: MotoGP-Superrookie Marc Marquez und sein um drei Jahre jüngerer Bruder Alex, der sich in der Moto3 gerade seine ersten Sporen verdient.

Aber nicht nur Brüderpaare sorgen im "Familienbetrieb MotoGP" für Furore, auch Vater-und-Sohn-Gespanne gehören seit jeher zum Bild der Motorrad-WM. So fuhr einst etwa auch Valentino Rossis Vater Graziano - mit dessen Startnummer 46 der weltmeisterliche Sohn unterwegs ist - Anfang der Achtzigerjahre Podiumsplätze ein, wurde 1980 sogar WM-Fünfter. Im selben Jahr gewann Kenny Roberts seinen dritten Titel in der Königsklasse, Sohn Kenny junior sollte zwanzig Jahre später ebenfalls Weltmeister werden und damit die erste weltmeisterliche Vater-Sohn-Kombination in der Königsklasse des Motorradsports perfekt machen.

In Deutschland gibt es ebenfalls Beispiele für erfolgreiche Motorrad-Familien, etwa die Bradls. Vater Helmut gewann Anfang der Neunzigerjahre fünf Rennen und wurde 1991 WM-Zweiter in der 250cc-Klasse. Zwanzig Jahre später sollte Sohn Stefan den knapp verlorenen Titel für seine Familie holen - in der 250er-Nachfolgeklasse Moto2. Mitte Juli krönte der 23-jährige Bayer in Laguna Seca seine Karriere mit seinem ersten Podiumsplatz in der Königsklasse. "Es war sehr emotional, diesen besonderen Moment meiner Karriere gemeinsam mit meinem Vater, dem ich die Leidenschaft für diesen aufregenden Sport verdanke, zu feiern", ließ es sich Bradl nicht nehmen, sich in diesem bewegenden Moment bei seinem Papa für die jahrelange Unterstützung zu bedanken.

Das jüngste WM-Mitglied im Vater-und-Sohn-Klub sind die Öttls. Vater Peter - einst fünffacher GP-Sieger in den kleinen Klassen - und Sohn Philipp versuchen seit dieser Saison ihr Glück in der Moto3. "Bei uns dreht sich natürlich auch Zuhause alles um Rennsport und Motorräder. In der Freizeit fährt man oft gemeinsam Motocross oder Supermoto. Privates und Rennstrecke lassen sich da nicht mehr trennen", erklärt Papa Peter, der nach Jahren der aktiven Förderung des Juniors seit dem geglückten WM-Einstieg eher im Hintergrund agiert.

"Unsere direkte Zusammenarbeit war früher natürlich viel intensiver. Philipp musste damals ja noch alles lernen, da konnte ich am Anfang ein bisschen helfen auf und neben der Strecke. Das wird mit der Zeit immer weniger, weil er ja seine eigenen Erfahrungen macht und seinen eigenen Weg einschlägt." Mittlerweile hat Peter eher die Managerrolle für den Junior übernommen. "Meine wichtigste Aufgabe ist, für Philipp und sein Team die Voraussetzungen zu schaffen, dass alle einen guten Job machen können. Ich kümmere mich um alles, was rund um ihn passiert - Personal, Material, Finanzierung. Um gute Voraussetzungen zu schaffen, damit er seinen Sport ausüben kann."

Dass Philipp in die Fußstapfen seines Vaters treten wird, war voll und ganz seine eigene Entscheidung, wie die Öttls betonen. Erwartungsdruck hätte es für Philipp nie gegeben. "Den einen Tag, wo er beschlossen hat, dass er Rennen fährt, gab es gar nicht wirklich. Das hat sich langsam entwickelt. Es waren irgendwann ein paar Rennen und plötzlich eine ganze Meisterschaft", sagt Vater Peter. "Ich habe immer dafür gesorgt, dass er mit gleichwertigem Material wie die anderen und immer gegen Gleichaltrige fährt - damit er weiß, wo er steht. Irgendwann stellt sich dann die Frage: Ist das etwas Ernstes oder nur ein Hobby? Ich habe ihm dann gesagt: Wenn dir das so wichtig ist und du es so ernst nimmst, bin ich auch in der Pflicht, dir entsprechend Brücken zu bauen. Ich kann aber nur hinterherlaufen, und werde niemals vorangehen - das war so meine Herangehensweise", so Peter, der parallel zur Karriere seines Sohnes stets eigene Rennteams betrieben hat.

Die Hilfe des Vaters nahm Philipp freilich gerne an. "Seine Tipps haben mir den Einstieg erleichtert. Er hat mir einiges gezeigt, wie man richtig Rennen fährt. Das hat mich weitergebracht. Wir hatten von Beginn an keine Probleme", sagt der 17-Jährige, der sich in seinem ersten Halbjahr in der Motorrad-WM schon gut eingelebt hat. "Wir sind schon sehr zufrieden und voll im Plan. Seit Katar haben wir uns sehr gesteigert, wir haben jetzt ein gutes Motorrad, ein gutes Setup und das Team hat sich auch gut eingespielt."

Mit der gemeinsamen Zusammenarbeit in der WM sind die Öttls bislang ebenfalls zufrieden, auch wenn Philipp einräumt: "Im Großen und Ganzen ist unsere Zusammenarbeit gut. Ab und zu ist es ein wenig schwierig, aber es ist ganz normal, dass man sich ab und zu ein wenig streitet." In diesem Punkt unterscheidet sich das Leben an der Rennstrecke im "Familienbetrieb MotoGP" also kaum von dem einer jeden anderen Familie - egal ob bei den Öttls, den Bradls, der Familie Marquez oder den Espargaro-Brüdern.

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