Es war für Casey Stoner ein eigenartiges Gefühl, als er am Freitagmorgen in Le Mans zum Training ausrückte. Dem Australier wurde klar, dass er zum letzten Mal mit einer Prototypen-Maschine auf die Strecken der MotoGP geht, nachdem er sich dafür entschlossen hat, nach Ende der Saison zurückzutreten. "Es dauerte aber nicht lange, um diese Gedanken aus dem Kopf zu bekommen und so zu fahren, wie ich es immer mache. Für mich wird es einfach, meinen Rücktritt zu vergessen, bis der Tag gekommen ist, an dem meine Arbeit erledigt ist", erklärte Stoner.

Die Reaktionen auf seine Rücktritts-Ankündigung bezeichnete er als positiv und negativ, wobei er einige Kommentare sehr zu schätzen wusste. "Aber jene, die mich kritisierten und sagten, ich wüsste nicht, was ich aufgebe, liegen falsch. Mir ist das absolut klar und ich habe lange nachgedacht, bevor ich meine endgültige Entscheidung traf." Dass ihm der Adrenalin-Kick abgehen könnte, den die Rennfahrer angeblich so dringend brauchen, glaubte er nicht. Er werde einfach viel Zeit an Rennstrecken verbringen, meinte er mit einem Lächeln.

Eine Frage der Leidenschaft

"Alles mit zwei Rädern kann mir einen Adrenalin-Schub geben. Egal ob es eine Straßenmaschine oder ein Motocross-Motorrad ist, es ist mir egal, solange ich ans Limit gehen kann. Ich werde nicht damit aufhören, wenn ich nach Hause zurückkomme. Ich will jede Art Motorrad genießen können, aber ich denke, wenn ich zu lange hier bleibe, verliere ich die Leidenschaft und kann die Motorräder nicht mehr genießen", erklärte Stoner. Ob er wie etwa Kenny Roberts eine Ranch zum Motorradfahren errichten wird, wusste er noch nicht. Er wusste nur, dass er keine große Strecke braucht, um Spaß zu haben.

Casey Stoner war sich sicher, das Geheimnis wäre nur schwer zu bewahren gewesen, Foto: Milagro
Casey Stoner war sich sicher, das Geheimnis wäre nur schwer zu bewahren gewesen, Foto: Milagro

Zunächst sei es aber ohnehin sein Vorhaben, die Motorräder erst einmal Motorräder sein zu lassen. "Wenn ich dann wieder zu fahren beginne, werde ich es mehr genießen." Ein Wunsch, den er zum Abschied hätte, wäre seine MotoGP-Honda behalten zu dürfen. "Das wäre natürlich etwas Besonderes. Diese Maschinen sind Kunstwerke." Dass er seine Ankündigung bereits so früh gemacht hatte, begründete der Australier mit dem Respekt für Honda und sein Team. Hätte er bis zum Saisonende gewartet, wären große Probleme entstanden", war er sich sicher. "Und sobald ich mich entschieden hatte, wäre es schwierig gewesen, das Geheimnis zu bewahren. Es gab ja schon Gerüchte, bevor ich mich überhaupt festgelegt hatte."

Intimität ist wichtig

Gerade bei einem noch relativ jungen Fahrer wie Stoner besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass er irgendwann doch anders über den Ruhestand denkt. Das ist bereits älteren so gegangen, etwa Michael Schumacher oder Kimi Räikkönen in der Formel 1. Mit ihnen wollte sich der Australier aber nicht beraten, da er überzeugt ist, dass jeder andere Gründe für den Rücktritt hat. "Ich habe einfach die Leidenschaft für diesen Sport nicht mehr. Ich könnte weiter fahren und konkurrenzfähig sein, aber es ist besser, aufzuhören, wenn man es nicht genießt und nichts fühlt, wenn man gewinnt. Vielleicht schätzen jene mit Zweifeln die Intimität nicht so wie ich. Ich brauche die Rennatmosphäre nicht, um glücklich zu sein."

Über seinen Weg zur Entscheidungsfindung berichtete Stoner, dass er die endgültige Gewissheit zwischen Sonntagabend und Montagmorgen hatte. Er sei sich zwar schon sicher gewesen, aber nachdem er noch einmal darüber geschlafen hatte, war er sich absolut sicher. "Dann habe ich es sofort Adriana und meinem Vater erzählt. Wir haben seit Jahren darüber gesprochen. Dann sprach ich mit Nakamoto und dem Team. Meine Familie unterstützt meine Entscheidung und versteht mich völlig. Gestern war es hart, festzustellen, dass ich aufhöre, aber als ich ins Motorhome zurückkehrte, war meine Tochter Alessandra da. Sie war gerade aufgewacht, sie war in guter Stimmung und ich merkte, es war die richtige Entscheidung."