Der Vorfall rund um Porsche-Werksfahrer Antonio Felix da Costa in London beschäftigt die Formel E noch weit nach dem Saisonfinale. Ein Gesuch des Sportwagenbauers, die verhängte Strafe gegen den Portugiesen noch einmal überprüfen zu lassen, wurde am Dienstag, 22. August 2023 von den Sportkommissaren der FIA abgelehnt. Es habe bei dieser Überprüfung "kein signifikantes und relevantes neues Element" gegeben, das zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht zur Verfügung stand.
Etwas kompliziert, aber ganz wichtig: Dieser am 11. August von Porsche gestellte Antrag auf ein 'Right of Review' verlief unabhängig zu der Berufung, die das Werksteam gegen Felix da Costas Bestrafung offiziell am 03. August eingelegt hat. Das hat Porsche gegenüber Motorsport-Magazin.com bestätigt.
Heißt: Trotz der jüngsten Ablehnung durch die Stewards wandert der Fall vor das FIA-Berufungsgericht. Ein Termin für diese Verhandlung vor dem unabhängig arbeitenden und von der FIA-Hauptstruktur getrennten Gremium ist noch nicht bekannt. Solange bleiben die Rennergebnisse und Meisterschaftsstände vorläufig.
Porsche-Argument: "Es war nicht unsere Schuld"
Bei der jüngsten Überprüfung ging es um die 3-Minuten-Zeitstrafe, die Felix da Costa während des Samstagsrennens beim Saisonfinale in London kassiert hatte. Dadurch verlor der frühere Formel-E-Meister den zweiten Platz und damit 18 WM-Punkte für die Meisterschaft. Felix da Costa sei von der 33. Runde bis zum Rennende mit zu geringem, reglementiertem Mindestluftdruck im rechten Vorderreifen gefahren.
Porsche argumentierte den Vorfall mit einem während des Rennens aufgetretenen Plattfußes, der durch äußere Einwirkung entstanden sei. In einem Statement hieß es: "Es war nicht unsere Schuld. Für uns ist diese Entscheidung unverständlich und nicht zu akzeptieren."
Porsche und FIA: Das ergab die neue Anhörung
Beim online durchgeführten Meeting am Dienstag, 22. August nahmen die FIA-Sportkommissare, Porsche-Teamchef Florian Modlinger, Porsche-Teammanager James Lindesay sowie Andretti-Porsche-Teamchef Roger Griffith als Beobachter eines möglicherweise betroffenen Dritten teil. Von FIA-Seite waren der Leiter der Sportlichen Angelegenheiten, Pablo Martino, und der Technische Delegierte, Laurent Arnaud, zugeschaltet.
Im Schreiben der Stewards heißt es: "Der Inhalt der Petition (Antrag; d. Red.) wurde diskutiert und es wurde festgestellt, dass kein Element vorhanden ist, das die Anforderungen von Artikel 14 des International Sporting Code (Right of Review; d. Red.) erfüllt."
Und weiter: "Ein großer Teil der in der Petition aufgeführten Punkte betrifft Sicherheitsfragen. Diese können nicht als signifikantes und relevantes neues Element angesehen werden, da der Teilnehmer (Porsche; d. Red.) während des Rennens wusste, dass der Reifendruck nicht korrekt war. Ein Sensorfehler konnte nicht nachgewiesen werden. Alle anderen Argumente in der Petition sind nicht relevant, um die Entscheidung zu ändern."
Porsche-Berufung wegen "fairer Gleichbehandlung"
Erst nach der noch ausstehenden Verhandlung vor dem FIA-Berufungsgericht ist die WM-Wertung der Formel-E-Saison 2023 offiziell. Es geht um Verschiebungen in der Tabelle, nicht aber um die Titelgewinne von Jake Dennis (Andretti-Porsche) oder Envision-Jaguar, die rechnerisch nicht mehr einholbar sind. Porsche gehe es bei diesem Schritt "in erster Linie um eine faire Gleichbehandlung im Sinne des Sports".
Porsche belegt nach aktuellem Stand den vierten Platz in der Gesamtwertung mit 242 Punkten. Der Rückstand auf den - Stand jetzt wegen der Berufung - inoffiziellen Weltmeister Envision-Jaguar (304 Punkte) beträgt 62 Zähler. Erhielte Porsche nachträglich die 18 Punkte für Felix da Costas zweiten Platz im London-Rennen zurück, würde das Team höchstens auf den dritten Platz am eigenen Kundenteam Andretti-Porsche vorbeirücken.
Für Felix da Costa selbst geht es in der Fahrer-WM auch nur noch um die 'Goldene Ananas'. Aktuell belegt er mit 93 Punkten den neunten Platz in der Tabelle. Würde ihm das FIA-Gericht die verlorenen 18 Zähler zurückerstatten, würde er die Saison mit dann 111 Punkten auf dem fünften Platz abschließen, den nach jetzigem Stand sein früherer DS-Teamkollege und zweifacher Champion Jean-Eric Vergne (107 Punkte) innehat.
Strafe für Antonio Felix da Costa: Die Hintergründe
Die ungewöhnliche Zeitstrafe für Felix da Costa wegen eines zu geringen Reifendrucks war in London ein riesengroßes Thema im Fahrerlager. Laut Porsche habe es sich um einen schleichenden Plattfuß am rechten Vorderreifen gehandelt, der "aber so langsam war, dass er niemals sicherheitskritisch war, keinen Performance-Vorteil gebracht hat und klar von außen herbeigeführt wurde", wie Porsche-Leiter Modlinger gegenüber Motorsport-Magazin.com in London versicherte.
Felix da Costa betonte, dass er während der Rot-Unterbrechung, in der das Reifen-Problem auffiel, Grünes Licht vom Technischen Delegierten der FIA höchstpersönlich erhalten habe, weiterfahren zu können. Die FIA sah das später anders, es steht Aussage gegen Aussage.
Porsche-Leiter Modlinger am Samstagabend weiter zu MSM: "Ich kenne zwei Aussagen. Einmal vom Mechaniker und einmal von Antonio. Ich war selbst nicht dabei, kenne aber zwei Aussagen, dass uns von der FIA gesagt wurde - was normalerweise auch so ist - dass wir die Sicherheit der Fahrzeuge selbst einschätzen. Wir haben Antonio mit dem Verdacht, dass er eventuell einen Slow Puncture hat, rausgeschickt, um hinter dem Safety Car zu checken, ob sich das Auto okay anfühlt und alles normal ist."
Das habe Felix da Costa bestätigt, nachdem er Schlangenlinien hinter dem Safety Car fuhr. "Dazu muss man sagen, dass man immer mal wieder Probleme mit dem Reifendrucksensor hat", führte Modlinger aus. "Das hatten wir auch dieses Wochenende. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, ob es ein schleichender Plattfuß ist oder ob es ein Problem mit dem Reifendrucksensor gibt. Aufgrund der Fahreraussage - er hat ja auch gezeigt, dass es bis zum Ende ging und es keine Sicherheitsbedenken gab - sind wir natürlich weitergefahren. Ein Podium oder eine Siegchance gibt man nicht ohne ersichtlichen Grund her."
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