Die zweifachen Formel-E-Weltmeister sind zurück in neuem Gewand: Nach dem diesjährigen Werksausstieg von Mercedes, hat Neueinsteiger McLaren nicht nur die Startlizenz, sondern auch einen Großteil des Teams übernommen. Von Teamchef Ian James über Top-Ingenieur Franco Chiocchetti bis hin zu Teammanager und Doppel-DTM-Champion Gary Paffett tummeln sich bei den Testfahrten in Valencia an jeder Ecke in der McLaren-Garage vertraute Gesichter.

Neu sind unterdessen nicht nur die Einsatzfahrer Rene Rast und Ex-Testpilot Jake Hughes, sondern auch die Power unter der Motorabdeckung: Im Gegensatz zu früheren Zeiten als Mercedes-Werksteam, setzt Silberpfeil-Erbe McLaren jetzt auf Kundenfahrzeuge von Nissan. "Nissan hat ein sehr starkes Paket geliefert", ist Teamchef James im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com überzeugt. "Natürlich gibt es noch einiges zu tun, aber die Zusammenarbeit ist super."

McLaren: Kaum Vorbereitung auf Saison 2023

Weniger "super" ist der Fakt, dass McLaren als Kundenteam per Reglement nur vier private Testtage vor den Valencia-Tests in dieser Woche zur Verfügung standen. Genutzt hat das Team mit Sitz im britischen Bicester faktisch bisher nur einen einzigen - weil Antriebslieferant Nissan wie alle anderen Hersteller auch Probleme mit den Einheitsbauteilen plagten. Nicht nur McLaren musste praktisch ohne echte Streckenerfahrung nach Valencia reisen - und die Saison beginnt schon in vier Wochen in Mexiko-City (14. Januar 2023)!

Kein Wunder, dass jeder einzelne Kilometer auf dem für Formel-E-Verhältnisse eher wenig repräsentativen Circuit Ricardo Tormo Gold wert ist. Mit Ausnahme einer kleinen Team-Kollision beim Shakedown am Montag und einem Batteriewechsel bei Hughes' Auto - davon gab es die Boxengasse rauf und runter so einige - konnte die McLaren-Truppe ordentlich Meilen auf die beiden Fahrzeuge schrauben. Rast und Hughes legten mit die meisten Runden im gesamten Feld zurück.

Foto: LAT Images
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Technik-Sorgen: Formel E atmet ein wenig auf

Nach einigen Sorgen im Vorfeld der Tests atmet das Fahrerlager in Valencia inzwischen ein wenig auf: Hatten viele nach den Erfahrungen bei privaten Testfahrten mit zahlreichen Technik-Ausfällen oder einem drastischen Mangel an Ersatzteilen gerechnet, drehen die neuen Gen3-Autos geradezu erstaunlich viele Runden.

Der Brite James in nahezu perfektem Deutsch: "Die Sorgen waren und sind berechtigt. Wir versuchen natürlich die Grenzen zu finden. Das ist Motorsport. Wir haben ein neues Auto und müssen sicherstellen, dass wir Fortschritte machen. Das bedeutet auch, dass wir verschiedene Probleme mit den Einheitsbauteilen wie auch intern haben. Wir arbeiten hart daran, sicherzustellen, dass wir den notwendigen Reifegrad so schnell wie möglich finden."

James ehrlich: "Wir haben Fehler gemacht"

Wer nun glaubt, dass das frühere Mercedes-Team nach dem Gewinn von zwei Weltmeisterschaften in Folge durch Nyck de Vries und Stoffel Vandoorne alle Abläufe ohnehin perfekt beherrscht, der liegt laut Teamchef James falsch: "Wir versuchen, die 'Operational Excellence' zu finden. Davon sind wir, ganz offen gesprochen, weit entfernt. Das war zu erwarten, weil alles neu ist. Wir haben in den vergangenen Tagen Fehler gemacht. Und alle Teams haben beim operativen Reifegrad noch einen Schritt nach vorne gemacht. Deshalb müssen wir uns selbst auch weiterentwickeln. Und dafür ist nicht viel Zeit."

Mit dem Auftakt zur Saison 2023 am Horizont, erwarten McLaren und die weiteren zehn Teams einige äußerst geschäftige Wochen. An den Autos kann kaum noch gearbeitet werden, sie reisen auf direktem Wege von Valencia in Richtung Südamerika. Stattdessen liegt der volle Fokus in der nächsten Zeit auf 'Trockenübungen' wie der Weiterentwicklung der Software und einer Optimierung der teaminternen Abläufe.

James: "Wir haben ein paar harte Wochen vor uns, es gibt echt viel zu tun. Das ist nicht ohne! Es gab nach dem Ende vergangenen Saison mit dem Wechsel von Mercedes zu McLaren ja schon viel Arbeit. Aber das Team ist unglaublich, ich bin sehr stolz. Wir werden jetzt keine Pause haben. Vielleicht ein, zwei Tage über Weihnachten. In der Garage und im Büro geht's weiter."