Andre Lotterer bleibt der Formel E auch unter dem neuen Gen3-Reglement ab der Saison 2023 erhalten. Der dreifache Le-Mans-Sieger wechselt nach drei Saisons beim Porsche-Werksteam zum neuen Kundenteam des deutschen Sportwagenbauers, dem US-Rennstall Andretti. In der kommenden Saison geht Lotterer als Nachfolger von Oliver Askew mit dem bereits bestätigten Jake Dennis als Teamkollegen an den Start.

Andretti gab Lotterers Verpflichtung offiziell an diesem Dienstag bekannt. Dass der 40-Jährige ein Kandidat für das zweite Cockpit neben dem hoch gehandelten Briten ist, hatte Motorsport-Magazin.com schon im Mai am Rande des Berlin ePrix exklusiv spekuliert, als der Kundendeal zwischen Porsche und Andretti (2022 letztmalig mit BMW-Kundenmotoren unterwegs) bekanntgegeben wurde.

"Ich freue mich darauf, Avalanche Andretti FE für die Saison 9 und mit dem Beginn der Gen3-Ära beizutreten", wurde Lotterer in der Andretti-Pressemitteilung ziert. "Die Zusammenarbeit mit Jake wird eine großartige Kombination sein, um das Team weiterhin an die Spitze des Feldes in der Formel E zu bringen."

Fährt Lotterer alle Formel-E-Rennen für Andretti?

Laut der Andretti-Meldung bestreite Lotterer 2023 ein duales Programm bestehend aus der Formel E und Porsches neuem LMDh-Programm. Dass der gebürtige Duisburger mit dem Autobauer auf die Langstrecke zurückkehrt, steht seit geraumer Zeit fest. Nicht von Andretti wurde kommuniziert, was bei möglichen Terminüberschneidungen zwischen der Formel E und seinen LMDh-Einsätzen passiert - sofern es welche geben sollte.

Der WEC-Rennkalender für 2023 lässt weiter auf sich warten, nach unseren Informationen gab es in einer zwischenzeitlichen Version mindestens zwei Terminkollisionen.

Klar ist bislang nur, dass es zwischen der US-Sportwagenserie IMSA (hier engagiert sich Porsche ebenfalls unter dem LMDh-Reglement) und der Formel E zu zwei Überschneidungen kommt: die 24 Stunden von Daytona mit dem Double-Header in Saudi-Arabien Ende Januar 2023 sowie das 6-Stunden-Rennen in Watkins Glen (Teil der 'Big Four') mit einem noch unbekannten Formel-E-Rennen Ende Juni. Lotterers genaues LMDh-Programm wurde bislang nicht kommuniziert, er ist ein Teil des achtköpfigen LMDh-Werksaufgebots von Porsche.

Foto: Porsche AG
Foto: Porsche AG

Springt Beckmann bei Kalenderkollisionen ein?

Sollte es tatsächlich Kalenderkollisionen geben, dürfte klar sein, in welches Auto Porsche-Werksfahrer Lotterer steigt. Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach sagte beim FE-Saisonfinale in Seoul zu Motorsport-Magazin.com: "Wir haben eine klare Philosophie: Es ist wichtig, dass unsere Werksfahrer immer ein klares Fokus-Projekt haben. Das hat Priorität. Ob er (Lotterer) dann darüber hinaus noch etwas tut, weil es sich ergibt, das lassen wir offen. Natürlich nutzen wir gerne unsere Top-Piloten für möglichst viele Aktivitäten, aber dabei wollen wir keine Kompromisse machen. Wir wollen Rennen gewinnen."

Wie Motorsport-Magazin.com bereits exklusiv berichtet hatte, könnte bei Terminüberschneidungen der junge Nachwuchsfahrer David Beckmann für Lotterer einspringen. Der 22-Jährige begleitete Andretti seit dem Saisonbeginn als Test- und Entwicklungsfahrer zu den Rennen an die Strecke und ist mit den internen Abläufen vertraut. So hatte es einst auch Maximilian Günther, dessen Zukunft nach dem Nissan-Abschied offenbleibt, zum Stammfahrer in der Formel E geschafft.

Beckmann genießt in der Motorsport-Szene große Wertschätzung, wie auch aktuell zu erkennen ist: Der gebürtige Iserlohner kann den Rest der laufenden Saison in der FIA Formel 2 - nach unseren Informationen ohne Budget - für Neueinsteiger Van Amersfoort Racing bestreiten.

Andretti: "Wollen in jeder Serie an der Spitze stehen"

Einziger potenzieller Nachteil für Andretti: Bei einem Wechsel zwischen Lotterer und Beckmann hätte praktisch nur Teamkollege Dennis realistische Chancen auf den Gewinn der Formel-E-Weltmeisterschaft.

Andretti-CEO Michael Andretti: "Wir arbeiten immer daran, in jeder Serie, in der wir antreten, an der Spitze zu stehen. Andre bringt eine Fülle an Erfahrungen zu Avalanche Andretti und ist ein weiterer Schritt beim Aufbau eines Teams, das um Siege und die Weltmeisterschaft kämpfen kann. Wir freuen uns darauf, dass er zusammen mit Jake ein wettbewerbsfähiges und aufregendes Line-up bildet."

Wie Porsche von Lotterers Andretti-Deal profitiert

Lotterer als perfekte 'Schnittstelle' bei Andretti - davon kann auch das in den vergangenen drei Jahren wenig erfolgreiche Porsche-Werksteam profitieren. Doppel-Weltmeister Mercedes hat mit seinem Kundenteam Venturi gezeigt, wie wertvoll ein Austausch sein kann in der Formel E, in der strikte Testbeschränkungen herrschen und in der aufgrund eng gestrickter Zeitpläne an den Rennwochenenden jedes noch so kleine Daten-Schnipsel helfen kann. Die Porscheaner waren hingegen seit dem Werkseinstieg vor drei Jahren stets als 'Einzelkämpfer' unterwegs.

"Bei guter Zusammenarbeit können wir mehr Daten erhalten und mehr lernen, insbesondere mit dem neuen Gen3-Auto - das wird eine wertvolle Erfahrung sein", sagte Florian Modlinger, seit Beginn dieses Jahres Projektleiter bei Porsches Formel-E-Team. "Zusammen mit Andre wird sich ihm ein technischer Support mit Formel-E-Erfahrung anschließen. Mit diesem Paket freue ich mich sehr darauf, dass Avalanche Andretti FE mit unserem Auto konkurrenzfähig ist."

Lotterer: "In der Formel E kann man als Fahrer viel ausmachen"

Lotterer steht vor seiner sechsten Saison in der Formel E. An der Seite des zweifachen Champions und Kumpels Jean-Eric Vergne gab er im Dezember 2017 sein Debüt in Hongkong bei Techeetah. In 67 Rennen für Renault-Techeetah bzw. DS Techeetah und ab 2019 für Porsche erzielte er acht Podestplätze (7x P2) und zwei Pole Positions. Mit 342 Punkten hat Lotterer die elftmeisten aller Fahrer in der Geschichte der Formel E auf dem Konto. 2017, 2018 und 2019 landete er auf dem achten Platz in der Gesamtwertung.

"Ich mag die Challenge und das Rezept der Formel E", sagte Lotterer am Rande des Seoul-Finales zu Motorsport-Magazin.com. "Hier kann man als Fahrer viel ausmachen, weil das Auto loser liegt und im Vergleich zu anderen Rundstrecken-Serien mehr gefahren werden will. Es ist wahrscheinlich das Stressigste, was ich je in meiner Karriere gemacht habe. Ich sage immer, dass sich die Zeit davor im Nachhinein fast wie Urlaub anfühlt. Nur mit Talent geht es in der Formel E nicht, man muss seine Hausaufgaben erledigen und etliche Szenarien im Kopf haben. Hier fährt man ein Rennauto und spielt parallel dazu noch im Kopf Schach."

Formel E: Starterfeld 2023

TeamFahrer 1Fahrer 2
McLaren-NissanRene Rast?
Maserati-DS??
DS (Dragon)??
JaguarMitch EvansSam Bird
Envision-Jaguar??
Andretti-PorscheJake DennisAndre Lotterer
PorschePascal WehrleinAntonio Felix da Costa
Abt-MahindraNico MüllerRobin Frijns
MahindraLucas di GrassiOliver Rowland
NissanNorman NatoSacha Fenestraz
NIO 333??