Saisonfinale der Formel E an diesem Wochenende im südkoreanischen Seoul - wer kann Stoffel Vandoorne vom fast sicheren Gewinn der Weltmeisterschaft 2022 abhalten? Das Wetter ist eine Möglichkeit, immerhin droht bei sich stündlich wechselnden Vorhersagen unter anderem ein Regen-Chaos oder gar eine Rennabsage - Letzteres würde Vandoorne allerdings automatisch zum Champion machen bei einem Vorsprung von 36 Punkten auf den Gesamtzweiten Mitch Evans im Jaguar.

Vandoorne im Zweifelsfall nicht aufhalten würde jedenfalls Mercedes-Teamkollege Nyck de Vries. Der amtierende Weltmeister hatte vor zwei Wochen in London mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Am Samstag verlor er den dritten Platz viele Stunden nach dem Rennende wegen einer nachträglich verhängten 5-Sekunden-Zeitstrafe. Im Sonntagsrennen nahm de Vries Revanche und eroberte den dritten Platz auf dem Podium. Dabei verweigerte er jedoch eine Teamorder von Mercedes, die dem Viertplatzierten Vandoorne mehr Punkte hätte einbringen sollen.

Mercedes-Teamchef Ian James war wenig überraschend nicht begeistert und kündigte im Anschluss ein klärendes Gespräch innerhalb der Mannschaft an. "Das ist nicht immer so einfach", sagte der deutschsprachige Brite in London zu Motorsport-Magazin.com. "Wir werden das intern diskutieren und falls wir in Seoul in eine ähnliche Situation kommen, dann würden wir auch ein anderes Endergebnis erwarten."

De Vries: "Bin der Erste, der Stoffel hilft"

Jetzt in Seoul scheinen die Wogen geglättet zu sein. "Wenn irgendwas ist, das verlangen würde, Stoffel zu helfen, die Meisterschaft zu gewinnen, bin ich der Erste, der das macht", versicherte de Vries am Freitag gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Aber das in London erschien mir wie ein unnötiger Call und deshalb habe ich ihn nicht erfüllt." Rückblickend habe er angesichts des Rennausgangs alles richtig gemacht, meinte de Vries weiter.

Nyck de Vries beim Shakedown in Seoul am Freitag, Foto: LAT Images
Nyck de Vries beim Shakedown in Seoul am Freitag, Foto: LAT Images

Denn, so der 27-Jährige: "Von meinem Standpunkt aus gab es keine Notwendigkeit, die Plätze zu tauschen. Es waren sieben Sekunden Abstand zwischen uns. Stoffel würde London mit einem Vorsprung von 36 Punkten verlassen. Wir waren im drittletzten Saisonrennen und all seine Rivalen waren ausgeschieden oder hinter ihm. Sieben Sekunden zu verlangsamen ist ohnehin eine große Aufgabe. Ich hätte mehr oder weniger stehen bleiben müssen."

Vandoorne selbst nahm die verweigerte Ansage seines Noch-Teamkollegen mehr oder weniger sportlich hin und meinte schon in London, dass ihn das nicht kümmern würde. "Darüber denke ich nur nach, wenn ich am Ende die Meisterschaft mit drei Punkten verliere", versicherte der Belgier mit Blick auf die drei 'verlorenen' Zähler in London für den dritten statt seines vierten Platzes. In Seoul konnte man als Beobachter tatsächlich nicht den Eindruck gewinnen, dass zwischen Vandoorne und de Vries dicke Luft herrscht.

Teamorder? "Du verfolgt ja die DTM..."

De Vries: "Stoffel und ich haben eine tolle Beziehung zueinander. Wir haben es besprochen und wie immer eine sehr gute Beziehung." Dass eine verweigerte Teamorder ein großes Thema in den Medien war, überraschte ihn übrigens nicht, als er uns mit einem Grinsen im Gesicht entgegnete: "Du bist ja Deutscher und verfolgst die DTM - und die war immer bekannt für Teamorder! Die lieben das da drüben..."

Spaß in Seoul: De Vries und Vandoorne, Foto: LAT Images
Spaß in Seoul: De Vries und Vandoorne, Foto: LAT Images

Ab jetzt sind alle Augen auf das große Formel-E-Finale im Olympia-Stadion von Seoul gerichtet, wo Vandoorne schon im Samstagsrennen (ab 09:00 Uhr deutscher Zeit live bei ProSieben) den Sack zumachen könnte, wenn die verbliebene Konkurrenz um Evans, Edoardo Mortara und theoretisch Jean-Eric Vergne weiter strauchelt.

Vandoorne am Freitagmittag in der Pressekonferenz: "Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl. Es ist normal, dass vor einem Finale viel geredet wird. Ich bin ziemlich entspannt, es fühlt sich an wie zu Saisonbeginn. Nur, dass diese Rennen hier etwas bedeutungsvoller sind. Das wird der große Showdown um den Titel. Ich will natürlich nichts liegen lassen. Ich will noch nicht zu weit nach vorne blicken, aber ich schlafe auch hier am Wochenende gut. Wenn du eine Saison beginnst, dann willst du vorne dabei sein. Das war ich definitiv das ganze Jahr über. Hoffentlich können wir es mit Stil an diesem Wochenende beschließen."