Über 33 Grad Außentemperatur, die Asphaltdecke mehr als 40 Grad heiß, dazu enorme Luftfeuchtigkeit in Seoul: Die Fahrer der Formel E kamen am Freitagabend schon beim sportlich irrelevanten Shakedown mächtig ins Schwitzen! War der Testlauf auf dem Olympia-Gelände in der südkoreanischen Hauptstadt etwa die einzige Session am gesamten Rennwochenende bei trockenen Bedingungen?

Es herrscht eine nicht unberechtigte Sorge rund um das Saisonfinale in Seoul: Können die beiden Rennen am Samstag und Sonntag (09:00 Uhr deutscher Zeit - 16:00 Uhr Ortszeit) angesichts drohendem Regen-Chaos überhaupt gefahren werden? Die Wettervorhersagen ändern sich quasi stündlich und die Prognosen fallen völlig unterschiedlich aus, wenn man sich bei den Teams im Fahrerlager umhört.

Blickt man auf die Befürchtungen zu Beginn der Woche zurück, gleicht die Shakedown-Session schon fast einem kleinen Wetter-Wunder: Nach den schwersten Regenfällen seit Jahrzehnten in Seoul am Montag und Dienstag rechneten nicht wenige Teammitglieder, Partner und Seriensponsoren mit einer kompletten Absage. Zunächst sollten sich die Regenfälle bis zum Freitag hinziehen, doch schon am Donnerstag herrschte Sonnenschein pur über der 10-Millionen-Metropole, nur etwa eine halbe Stunde lang regnete es moderat.

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Formel E in Seoul: Wann kommt der Regen?

Ähnliches Bild am Freitag - nicht ein einziger Tropfen fiel vom Himmel. Die schrecklichen Nachrichten, dass durch die schweren Unwetter mit Überflutungen insgesamt 13 Menschen in Seoul sowie in der umliegenden Region ums Leben gekommen waren, rückten im Fahrerlager schnell in den Hintergrund...

Das Wetter beim Formel-E-Finale in Seoul, wo die Formel E zum ersten Mal gastiert und hofft, die Rennen Nummer 99 und 100 ihrer Geschichte austragen zu können, bleibt ein absolutes Lotteriespiel. "Wir sind uns alle einig, dass der Regen kommen wird. Die Frage ist nur, wann", sagte Nissan-Pilot Maximilian Günther am Freitagmittag zu Motorsport-Magazin.com. "Am Samstag könnte es teilweise trocken bleiben, der Sonntag sieht aktuell sehr nass aus."

Noch-Weltmeister de Vries: "Dann brauchen wir ein Boot!"

Der amtierende Weltmeister Nyck de Vries, dessen Mercedes-Teamkollege Stoffel Vandoorne sich bei einem Vorsprung von 36 Punkten auf den Zweitplatzierten Mitch Evans anschickt, den Fahrer-Titel für die Silberpfeile zu verteidigen, meinte zu Motorsport-Magazin.com: "Ich bin Optimist und glaube daran, dass wir Rennen fahren. Wenn es normal regnen sollte, ist es okay. Wenn wir aber das Level an Wasser haben, das wir zu Beginn der Woche gesehen haben, dann brauchen wir ein Boot!"

Die Verantwortlichen der Formel E werden sicherlich bis zum letzten Moment versuchen, die Rennen auszutragen. Eine Absage würde sich dann mit 'höherer Gewalt' rechtfertigen lassen - wohl auch bei Versicherungsanstalten. Seoul gilt als Prestige-Event im Rennkalender, hier sollte schon 2020 gefahren werden, bis Corona den Planungen einen Strich durch die Rechnung machte. Und zumindest im Trockenen präsentierte sich der Austragungsort bislang im besten Licht: Der Streckenverlauf mit einer Passage mitten durch das Olympia-Stadion der Spiele 1988 sieht höchst spektakulär aus, lange Geraden im dritten Sektor laden zum Überholen ein und die Einbettung in ein riesiges K-Pop-Musikfestival sorgt für noch größeres Interesse.

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Loses Gerücht: Seoul ePrix kostet 40 Millionen

Damit Rennautos durch das Olympia-Stadion fahren können, wurde sogar eine spezielle Asphaltdecke aufgelegt, die nach dem Wochenende wieder restlos entfernt werden kann. Ein ähnliches Prozedere nutzte die Formel E in der Vergangenheit etwa in Paris, um die Pflastersteine auf dem geplanten Streckenverlauf zu überdecken. Nur ein Gerücht, das durchs Fahrerlager geistert und völlig unbestätigt ist: Angeblich habe das Formel-E-Wochenende in Seoul 40 Millionen US-Dollar gekostet.

"Ich hoffe nur, dass wir fahren können", sagte der frühere Formel-Meister und Nissan-Pilot Sebastien Buemi zu Motorsport-Magazin.com. "Wenn es zu viel Wasser gibt, ist es unfahrbar. Das haben wir in New York gesehen. Hoffentlich können wir hier fahren und eine gute Show bieten. Die haben wirklich viel Geld investiert."

Beim vorletzten Rennwochenende in New York musste das Samstagsrennen wegen eines plötzlich einsetzenden Regenschauers vorzeitig abgebrochen werden, nachdem einige Fahrer bedingt durch Aquaplaning in die Streckenbegrenzung flogen. Trotz sieben verbleibender Minuten auf der Uhr entschied sich Rennleiter Scot Elkins, das Rennen nicht wieder aufzunehmen.

Regenrennen trotz Allwetterreifen möglich

Regenrennen waren bislang eine Seltenheit in der Geschichte der Formel E, sind aber trotz der Allwetter-Reifen von Michelin absolut durchführbar. "Die Profilreifen funktionieren auch im Regen gut", sagte Porsche-Pilot Pascal Wehrlein zu Motorsport-Magazin.com. "Aber nur, wenn sie neu sind. Da wir alle Trainings und Qualifyings damit fahren, haben sie nur noch sehr wenig Profil und sind im Rennen fast Slick-Reifen, die im Regen nicht mehr funktionieren."

Für die drei Freien Trainings, zwei Qualifyings und zwei Rennen am Samstag und Sonntag in Seoul stehen jedem Fahrer nur drei Sätze der Allwetter-Reifen zur Verfügung - das soll den Transportaufwand verringern und damit der Umwelt zuträglich sein. Um überhaupt möglichst wenige Reifen produzieren und quer durch die Welt liefern zu müssen, hatte sich die Formel E seit ihrem Debüt im Jahr 2014 auf im Motorsport höchst unübliche Allwetter-Reifen geeinigt, die bei jeglichen Bedingungen aufgeschnallt werden.

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Nervenaufreibende Formel-E-Finals: Weil Tradition verpflichtet

"In New York war das Profil nach drei Dritteln der Renndistanz abgenutzt", sagte Lucas di Grassi, der 2023 von Venturi zu Mahindra wechselt, gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Sollten wir hier in Seoul ebenfalls im Trockenen starten und dann in den Regen fahren, wäre das die gleiche Situation und ziemlich schlecht. Die beste Lösung für die Formel E wäre ein Regenreifen für alle nassen Bedingungen und zwei Satz Semi-Slicks, mit denen wir im Trockenen fahren können."

Es ist schon ein wenig kurios, dass die Formel E ihrer Tradition selbst bei einem fast sicher feststehenden Champion - Vandoorne mit seinem starken Mercedes-Silberpfeil ist als absoluter Favorit angereist - treu bleibt: Die Saisonfinals produzieren fast jedes Jahr ihre ganz eigenen Schlagzeilen. Diesmal obliegt es offenbar dem Wettergott, wie die Ära der Gen2-Rennwagen endet...