Titelentscheidung in der Formel E vertagt! Beim Saisonfinale in Seoul siegte WM-Kandidat Mitch Evans nach einer frühen Massen-Karambolage mit acht Autos. Der Jaguar-Pilot hielt seine Titelchancen dank eines Traumstarts von P3 aufrecht, während der Meisterschaftsführende Stoffel Vandoorne als Fünfter (von P7 gestartet) zum 14. Mal im 15. Saisonrennen punktete und dem Gewinn der Weltmeisterschaft kontinuierlich entgegensteuert.

Nachdem das lange befürchtete Regen-Chaos im Samstagsrennen auf dem Olympia-Gelände in der südkoreanischen Hauptstadt ausgeblieben war, bot das Massen-Crash in Runde 2 den einzigen Aufreger in einem ansonsten eher ereignislosen Rennen. Hinter Evans komplettierten Pole-Setter Oliver Rowland (Mahindra) und sein künftiger Teamkollege Lucas di Grassi (noch Venturi) das Podium. Di Grassi ist nun der erste Fahrer in der Geschichte der Formel E, der mehr als 1.000 Punkte gesammelt hat.

Hinter Jake Dennis sicherte sich Mercedes-Werksfahrer Vandoorne den fünften Platz nach Start von P7. Der Belgier hat nun 195 Punkte auf seinem Konto und einen Vorsprung von 21 Zählern auf Verfolger Evans (174 Punkte). Edoardo Mortara (Venturi) hat sich nach einem vorzeitigen Ausfall im Samstagsrennen offiziell aus dem Titelkampf verabschiedet. Auch Jean-Eric Vergne (DS Techeetah) hat nach Platz sechs keine Chancen mehr.

Pascal Wehrlein führte seinen Porsche im speziellen Seoul-Design als bestplatzierter der drei deutschen Fahrer zum siebten Platz. Der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer hatte das Rennen vom vierten Platz aufgenommen, war aber schon früh bis auf P8 durchgereicht worden. Robin Frijns (Envision), Antonio Felix da Costa (DS Techeetah) und Nick Cassidy (Envision) komplettierten die Top-10. Maximilian Günther (Nissan) verpasste die Punkteränge als Elfter knapp.

Formel E startet in Seoul mit Massen-Kollision

Überschattet wurde der Rennbeginn von einer Massen-Kollision in der zweiten Runde. In Kurve 21 flog zunächst Sam-Bird-Ersatzmann Norman Nato mit seinem Jaguar ab und krachte in die Streckenbegrenzung. Sekunden später folgte ihm ein Pulk bestehend aus sieben Fahrern! Dan Ticktum, Sebastien Buemi, Nyck de Vries, Nick Cassidy, Oliver Turvey, Andre Lotterer und Oliver Askew sorgten für reichlich Schrott in der Ecke. Die Rennleitung entschied sich für einen zwischenzeitlichen Abbruch mit roten Flaggen. Erst nach 43 Minuten Pause wurde das Rennen fortgesetzt.

"Gott sei Dank geht es Nyck und allen anderen Beteiligten gut", sagte Mercedes-Teamchef Ian James während des Rennens. "Danke an das Halo, das hat ihn heute gerettet. Die Fahrer konnten im Prinzip nichts sehen, wegen der Gischt nicht reagieren und dann kam es zur Kettenreaktion." Crash-Starter Nato erklärte: "Die Sichtbarkeit im letzten Sektor war sehr schlecht. Der Asphalt ist ganz anders in dieser Kurve. Alle wollten da auf der Innenseite der Kurve fahren - aber mit sechs Autos nebeneinander klappt das nicht."

Am Sonntag (09:00 Uhr deutscher Zeit live auf ProSieben) steht in Seoul das letzte Rennen der Formel-E-Saison 2022 bevor - es ist gleichzeitig der 100. Lauf in der Geschichte der Elektro-Rennserie. Für den Sonntag sind ebenfalls Regenfälle vorhergesagt.

Formel E in Seoul: So lief das Rennen am Samstag

Die Startaufstellung: In einem turbulenten Regen-Qualifying am Samstagmittag sicherte sich Oliver Rowland die Pole Position vor Lucas di Grassi. Der WM-Spitzenreiter Stoffel Vandoorne schaffte den Sprung in die K.o.-Phase und nahm das Rennen vom siebten Platz auf. Noch besser lief es bei Titel-Rivale Mitch Evans, der den dritten Platz eroberte. Pascal Wehrlein war auf P4 der bestplatzierte Deutsche, während Porsche-Teamkollege Andre Lotterer nicht über P20 hinauskam. Maximilian Günther fuhr mit seinem Nissan auf den 17. Startplatz.

Das Wetter: Vor dem Qualifying am Mittag hatte es erstmals am Samstag begonnen zu regnen. Das befürchtete Unwetter blieb aus, doch es regnete kontinuierlich über dem Olympia-Gelände. Erst rund eine halbe Stunde vor dem Rennstart um 16:00 Uhr Ortszeit (09:00 Uhr deutsche Zeit) schloss der Himmel seine Pforten. Das Rennen wurde wegen der durchweg nassen Piste als 'Wet Race' deklariert.

Der Start: Kein Regen, aber nasse Strecke, 28 Grad und 83 Prozent Luftfeuchtigkeit - unter diesen Bedingungen machten sich die 22 Autos aus dem Dummy-Grid im Olympiastadion auf in Richtung der Startaufstellung einige Kurven weiter. Mitch Evans gelang von P3 ein absoluter Traumstart: Der Jaguar-Pilot griff nach wenigen Metern Pole-Setter Oliver Rowland an und kassierte den Mahindra-Piloten auf dem Weg zur ersten Kurve - und da war auch noch der Zweitplatzierte Lucas di Grassi fällig! Pascal Wehrlein fiel vom vierten auf den achten Platz zurück, ansonsten verlief die Startrunde eher unauffällig.

Aber dann: In Runde 2 ereignete sich plötzlich eine Massen-Karambolage wie aus dem Nichts! In Turn 21 flog zunächst Norman Nato ab und landete in der Streckenbegrenzung. Die nachfolgenden Dan Ticktum, Sebastien Buemi, Nyck de Vries, Nick Cassidy, Oliver Turvey, Andre Lotterer und Oliver Askew verloren in dieser Ecke ebenfalls die Kontrolle über ihre Autos und flogen ab. Buemis Nissan wurde dabei noch von de Vries' Mercedes havariert und landete auf dem Silberpfeil. Die Rennleitung unterbrach mit roten Flaggen bei ausstehenden 43:06 Minuten.

Der Restart: Nach einer Unterbrechung von 43 Minuten nahmen die Autos das Rennen hinter dem Safety Car wieder auf. Von den acht gecrashten Autos konnten nur Nato und Cassidy weiterfahren. Bei 41 verbleibenden Minuten bog das Safety Car in die Boxengasse ab. Evans führte das Feld vor Rowland, di Grassi, Dennis, Mortara, Vergne, Vandoorne, Wehrlein und Co. durch die ersten Kurven. Auf abtrockender Strecke lief diesmal alle glatt.

Die erste Rennhälfte: In Runde 3 fuhr Mortara Vordermann Vergne ins Heck und drehte sich halb auf der Strecke. Das nutzte Vandoorne für einen Platzgewinn auf Platz sechs, während Mortara auf P7 zurückfiel. In Runde 4 nutzte Dennis auf Platz vier liegend als erster Fahrer den Attack Mode und verteidigte seine Position erfolgreich. Ebenso Vandoorne von P7. Mortara kassierte unterdessen für das Duell mit Vergne eine 5-Sekunden-Zeitstrafe.

In Runde 5 zündeten auch Di Grassi (auf P3) und Wehrlein (von P8) den ersten ihrer beiden Attack-Modes, die zweimal im Rennen für je vier Minuten genutzt werden mussten. Einen Umlauf später konterte der Zweitplatzierte Rowland und aktivierte seinerseits den 250-kW-Zusatzboost. Keiner der Fahrer verlor dabei Positionen, weil das Verteidigen nach der Ausfahrt von der Attack-Mode-Zone keine Schwierigkeit darstellte.

So erging es auch Spitzenreiter Evans, der sich in Runde 7 den Attack-Mode abholte und das Rennen mit einer Runde Vorsprung auf Rowland fortsetzte. Im hinteren Feld fuhr Alex Sims (5-Sekunden-Zeitstrafe) dem Mahindra-Piloten Antonio Giovinazzi ins Heck und drehte ihn herum. In Runde 9 holten sich Vergne (P5) und Mortara (P7) die erste Runde ihrer Attack-Modes ab - hier ebenfalls keine Positionsveränderungen.

Zur Rennmitte gab die Formel E die Sieger des Fanboost-Votings bekannt: Vandoorne, Evans, Mortara, di Grassi und Felix da Costa.

Der weitere Rennverlauf: In Runde 13 aktivierte der Führende Evans als erster aller Fahrer seinen zweiten Attack-Mode. Im gleichen Moment überholte Vandoorne seinen Vordermann Vergne ganz ohne zusätzliche Hilfen und übernahm die fünfte Position. In Runde 16 zündeten Evans' Verfolger Rowland und di Grassi ihre zweiten Attack-Modes und setzen die Verfolgungsjagd mit mehr als zwei Sekunden Rückstand fort.

Unter Mithilfe des Attack-Mode kassierte Wehrlein in Runde 18 seinen auf P7 fahrenden Vordermann Mortara. Parallel aktivierten Vandoorne (P5) und Vergne (P6) ihre zweiten Zusatzboosts.

Nachdem das Rennen für einige Runden vor sich her plätscherte, sorgte Mortara in Runde 21 für einen Schreckmoment: Der Venturi-Fahrer fiel mit einem zunächst nicht feststehenden Schaden aus und musste das Auto an der Streckenseite parken. Damit war Mortara raus aus dem Titelkampf. In Runde 26 crashte Alexander Sims in Turn 9 und stopfte seinen Mahindra in die Banden. Die Rennleitung ordnete eine Full-Course-Yellow-Phase an. Daraus wurde eine weitere Safety-Car-Phase, hinter der das Rennen nach 29 Runden endete.