Audi geht in der Formel E 2022 nicht mehr an den Start. Für den langjährigen und erfolgreichen Partner Abt Sportsline ist das Thema aber womöglich noch nicht vom Tisch. Nur ein Wochenend-Trip oder steckt etwa mehr dahinter: Am Freitagmittag in Rom, wo am Samstag und Sonntag die Saisonrennen Nummer vier und fünf über die Bühne gehen, entdeckte Motorsport-Magazin.com den Abt-Geschäftsführer Thomas Biermaier samt Teammanager Roger Köhler in Privatkleidung in der Boxengasse - nur zwei Tage nach den DTM-Testfahrten in Hockenheim.

Allzu viel wollte sich Biermaier auf Nachfrage verständlicherweise nicht entlocken lassen. "Wir wollen am Ball bleiben und halten Augen und Ohren offen", sagte er zu Motorsport-Magazin.com. "Mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Der Besuch der altbekannten Äbte war schnell ein Thema in der kompakten Boxengasse mit den neuen Teamgaragen, die erstmals dieses Jahr in der Formel E zum Einsatz kommen.

Erwischt! Wir treffen Abt-CEO Thomas Biermaier in Rom, Foto: Andreas Beil
Erwischt! Wir treffen Abt-CEO Thomas Biermaier in Rom, Foto: Andreas Beil

Formel E 2023: Gerüchteküche kocht über

Kein Wunder: Aktuell machen die wildesten Gerüchte über mögliche Hersteller-Team-Kombinationen für die Saison 2023 die Runde. Nach den letztjährigen Ausstiegen von Audi und BMW und dem angekündigten Abschied des Mercedes-Werksteams müssen sich zahlreiche Privatteams nach neuen Motorenlieferanten umschauen.

Erst am Donnerstagabend gab Neueinsteiger Maserati samt Antriebssträngen von Stellantis-Konzernschwester DS Automobiles eine Partnerschaft mit Venturi (aktuell mit Mercedes-Kundenautos) bekannt. Ebenfalls fix ist der Deal zwischen Jaguar und dem Team Envision, das ein letztes Mal die Antriebsstränge von Aussteiger Audi einsetzt.

Weitere heiße Spekulationen aus dem Fahrerlager: Mitglieder des Mercedes-Teams in Brackley könnten in einer Partnerschaft mit McLaren ab 2023 Kundenautos von Nissan einsetzen. Und US-Rennstall Dragon - nächstes Jahr erstmals nicht als eigener Hersteller eingeschrieben - könnte ein weiterer Partner von DS Automobiles werden, dessen Zukunft mit dem Team Techeetah in den Sternen steht. Porsche wird unterdessen weiter als Partner von US-Rennstall Andretti gehandelt.

Die Gerüchteküche in der Formel E kocht in diesen Wochen über - schwingen auch die Äbte mit dem Kochlöffel? Es ist kein Geheimnis, dass die Elektro-Rennserie stets ein wichtiger Teil des eigenen Motorsportprogrammes war. Abt Sportsline zählt zu den Gründungsmitgliedern der Formel E und gewann mit Lucas di Grassi (aktuell bei Venturi) 2014 das erste Rennen in der Geschichte. Ab 2017/18 übernahm Audi den Abt-Entry werksseitig.

Di Grassi über Audi: "Traurig, dass einiges zerbröckelt ist"

"Es ist schade, dass wir das in Saison 4 begonnene Projekt nicht in dieser Saison beenden konnten", sagte di Grassi in Rom zu Motorsport-Magazin.com. "Die Kosten hätte man managen können, alles war fertig entwickelt. Mit dem, was Envision jetzt fährt, hätten wir auch weitermachen können. Wenn Audi auf ordentlichem Wege hätte aussteigen wollen, dann hätten sie das zum diesjährigen Saisonende machen können."

Der Brasilianer, der 2017 mit Abt-Audi die Formel-E-Meisterschaft gewann, weiter: "Ich wünsche Audi weiter viel Erfolg bei der Dakar und in der Formel 1, falls sie sich zum Einstieg entscheiden sollten. Aber bei der Marke läuft aktuell vieles kompliziert, wie ich höre. Ich verdanke Audi sehr viel, aber es ist etwas traurig, dass da einiges zerbröckelt ist."

Abt Sportsline: Formel-E-Comeback nie ausgeschlossen

Über den bis heute heiß diskutierten Werksausstieg von Audi waren nicht nur die Äbte alles andere als begeistert. Eine Rückkehr mit einem anderen Partner hatte der Rennstall aus Kempten grundsätzlich nie ausgeschlossen. Gespräche gab es nach Informationen von Motorsport-Magazin.com etwa mit einem deutschen Autozulieferer. Für 2022 fand sich keine Lösung. Die neue Gen3-Ära ab 2023 und vor allem eine geplante Kostendeckelung könnten eine neue Chance bieten für das erfolgreichste Team in der Geschichte der Formel E.

Für Abt Sportsline dürften die Türen der Formel E jederzeit offenstehen. "Sie sind seit den Anfängen unser Partner und waren immer sehr loyal", sagte Formel-E-Gründer Alejandro Agag im vergangenen Jahr zu Motorsport-Magazin.com. "Wir blicken auf eine so lange Zusammenarbeit zurück und würden nur zu gern eine Lösung finden, um sie in der Formel E zu halten."

Abt: Erfolgreichstes Team in der Formel E

2022 fokussiert sich Abt Sportsline auf seine Programme in der DTM als Audi-Kundenteam und in der Extreme E mit Partner Cupra (seit 2022 offizieller Fahrzeugpartner der DTM). In der DTM treten die Äbte mit dem dreifachen Champion Rene Rast, der 2021 auf Abt-Audi noch in der Formel E fuhr, dem Südafrikaner Kelvin van der Linde sowie dem amtierenden ADAC-GT-Masters-Champion Ricardo Feller an.

Aus der Formel E hat sich Abt Sportsline als erfolgreichstes Team nach sieben Jahren - zumindest vorübergehend - verabschiedet. 1.380 Punkte sammelte die Mannschaft in 84 Rennen. 14 Siege und 47 Podiumsplatzierungen gehen auf das Konto des Teams. Di Grassi gewann in der Saison 2016/2017 den Fahrertitel.

In der ersten Saison als Werksteam holte Audi Sport ABT Schaeffler mit di Grassi und Daniel Abt (heute TV-Experte bei ProSieben) 2017/2018 auf Anhieb den Teamtitel. Di Grassi und Rene Rast beendeten die letztjährige Saison auf den Plätzen sieben und 13 der Fahrerwertung. In der Teamwertung belegte Audi Sport ABT Schaeffler den vierten Platz.