Es war das dominierende Duell auf der Strecke während dem Samstags-Rennen der DTM auf dem Sachsenring: Thomas Preining im Manthey-Porsche und der bis zu diesem Rennen Meisterschaftsführende Kelvin van der Linde (Abt-Audi) duellierten sich rundenlang und sorgten damit beim Gegenüber jeweils für erhitzte Gemüter.

Nach der Pflichtboxenstopp-Phase lagen die beiden Piloten boxenstoppbereinigt auf den Positionen sechs (van der Linde) und sieben (Preining). Der schnellere Preining kam dabei seinem Vordermann zunehmend näher und ging etwa 28 Minuten vor Rennende zur Attacke über. In Kurve 1 setzte der amtierende DTM-Champion ein spätes Bremsmanöver, kam aber nicht vorbei. Bei der Verteidigung seiner Position in Kurve 2 drängte van der Linde Preining jedoch aus Sicht der Rennleitung regelwidrig ab und erhielt eine Verwarnung - seine zweite in der Saison 2024.

Abt-Teamchef kritisiert Rennleitung: Zweierlei Maßstäbe

Sollte van der Linde im weiteren Saisonverlauf eine dritte Verwarnung erhalten, steht eine Strafversetzung in der Startaufstellung um fünf Plätze auf dem Programm - ein Schicksal, das am Sachsenring Preining ereilte. Im extrem engen DTM-Titelkampf, in dem Kelvin van der Linde auf Rang zwei nur sechs Punkte hinter Mirko Bortolotti liegt, könnte dies noch entscheidend werden. "Habe ich wirklich eine Verwarnung dafür bekommen", wunderte sich van der Linde am Funk über die Ahndung der Rennleitung.

Nach Rennende schlug der Südafrikaner im Hinblick auf den Vorfall leisere Töne an. "Er hat (in Kurve 1; d. Red.) ein Manöver gegen mich gestartet, ich fahre kurz auf die Wiese und habe mich zurückgekämpft. Das kann man so oder so sehen", sagte van der Linde. Abt-CEO und Teamchef Thomas Biermaier störte sich im exklusiven Interview mit Motorsport-Magazin.com hingegen weitaus mehr an dem Vorgehen der Rennleitung.

Kelvin van der Linde (Abt Sportsline)
Van der Linde kassierte nach seinem Duell mit Thomas Preining eine Verwarnung, Foto: DTM

Besonders der Vergleich zu einem Duell mit dem HRT-Mercedes von Arjun Maini zuvor im Rennen stieß Biermaier sauer auf. "Wenn, dann muss man konsistent sein. Wenn, dann muss Maini eine (Verwarnung; d. Red.) bekommen und dann Kelvin auch", forderte Biermaier. "Wenn Maini keine kriegt und Kelvin eine kriegt, dann sind das zwei unterschiedliche Maßstäbe." Besonders in Anbetracht der möglichen Beeinflussung des Meisterschaftskampfs durch die Verwarnung, störte sich Biermaier an dieser.

Preining zählt van der Linde an: Macht wenig Spaß, gegen ihn zu fahren

Zumindest kassierte van der Linde neben der Verwarnung keine weiteren Strafen - trotz mehrfacher Beschwerden Preinings. Besonders über 'Moving under braking' und Brems-Tests seitens van der Linde klagte der Österreicher. Dieser winkte ab: "Er war verdammt schnell auf der Geraden und hat in Kurve 1 ein spätes Bremsmanöver versucht. Also bin ich ausgangs der letzten Kurve vom Gas gegangen, damit er nach links rüber zieht. Ich glaube nicht, dass es ein Brake Test war. Sondern es ging eher darum, mich strategisch aufzusetzen für Kurve 1, sodass er außen herumfährt. Der kann ja entscheiden, wo er lang fährt", so van der Linde.

Preining sah die Sache nach Rennende hingegen naturgemäß anders. " Ich glaube, alle, die mich kennen und die die DTM verfolgen, wissen, dass ich für gutes Racing und selbst auch oft sehr hart am Limit bin", setzte der Porsche-Werksfahrer am ProSieben-Mikrofon an. "Aber wenn man auf der Geraden bremst, sodass der Hintermann dem Anderen fast reinfährt, drei, vier Mal, hört der Spaß für mich irgendwo auf." Für den Sonntagslauf blieb Preining in angesichts dessen nur noch folgende Hoffnung: "Ich hoffe, ich muss nicht wieder gegen ihn fahren, weil das macht wenig Spaß."

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Preining hatte kein Verständnis für das Zweikampfverhalten van der Lindes, Foto: Gruppe C Photography

Kelvin van der Linde bedient: Rennen noch schlimmer als Qualifying

Ahndungswürdig, oder nicht - schlussendlich reichten van der Lindes Verteidigungsmanöver nicht, um Preining hinter sich zu halten. In Runde 36 ging er in Kurve 1 an seinem Kontrahenten vorbei. Während Preining nach seinem Überholmanöver auch auf Rang sechs ins Ziel kam, ging es für Kelvin van der Linde noch weiter rückwärts. In der 40. Rennrunde musste der siebenfache DTM-Sieger auch Rang sieben an Rene Rast im Schubert-BMW abgeben und rettete den achten Platz nur denkbar knapp vor seinem Bruder und Rast-Teamkollegen Sheldon van der Linde. "Egal ob Preining hinter uns war, ob Rast hinter uns war: Wir haben keine Chance gehabt", bilanzierte Teamchef Biermaier.

Kelvin van der Linde zeigte sich ebenfalls gefrustet: "Normalerweise war unsere Stärke das Rennen und heute war das Rennen deutlich schlimmer als sonst", meinte der 28-Jährige. "Im Qualifying hatten wir sieben Zehntel Rückstand auf die Pole, was für mich in der DTM eine Welt ist. Aber im Rennen ist es noch schlimmer ausgegangen." Dieser Umstand erwischte van der Linde auf dem kalten Fuß: "Davon wäre ich nie ausgegangen." Der Meisterschaftszweite blickte in Anbetracht dessen bereits unruhig auf den Sonntag. "Ich mache mir echt Sorgen für morgen im Qualifying, wenn sich nichts (an der BoP; d. Red.) ändert."

BoP-Frust bei Abt-Audi: Sind einfach zu schwer

Geschehnisse, die auf den ersten Blick verwundern, nachdem Kelvin van der Linde in der einzigen Trainings-Sessions am Freitag noch die Bestzeit gefahren war und Abt sich nach einem Testtag am 28. August zufrieden mit dem Setup des Audi R8 LMS GT3 zeigte. Doch die Kemptener drückten bereits am Freitag auf die Euphorie-Bremse. "Zuerst muss man sagen, dass wir vielleicht schon gestern mehr gezeigt haben als alle anderen", erklärte Biermaier. "Dass vielleicht der Testtag gut war, wir vom Start weg ein vernünftiges Auto hatten und darum die ersten Runden vernünftig fahren konnten, wo die anderen sich zuerst mal anpassen mussten."

An der grundsätzlich niedrigen Erwartungshaltung der Äbte vor dem Wochenende änderte sich nichts, nachdem der GT3-Audi von der Balance of Performance mit zehn Kilogramm mehr Gewicht als im Vorjahr am Sachsenring bedacht worden war. "Wir haben gestern schon gesagt: 'Hey Männer, bleibt ganz am Boden, das wird ein ganz schweres Wochenende. Wir sind schwerer als letztes Jahr.'", beschrieb Biermaier.

"Und wenn du mal siehst, wie letztes Jahr hier schon der Abstand zu anderen Marken war: Warum soll es dann dieses Jahr besser sein?", so der Abt-Teamchef weiter. "Der Testtag hat uns trotzdem geholfen, aber wir sind einfach ein paar Kilo zu schwer. Das haben wir gestern schon intern gewusst."

Zudem bereite dem Abt-Team im Vergleich zu etwa Lamborghini, Porsche oder Ferrari das vergleichsweise hohe Alter des Audi R8 LMS GT3 Probleme, verriet Biermaier, denn: "Da (andere Autos; d. Red.) ist ein bisschen ein anderes Potenzial drin." Im Vergleich dazu sei das Potenzial des Audis nahezu ausgeschöpft. "Und wenn unsere BoP nicht passt, können wir nicht mehr rausholen", haderte Biermaier. "Sondern bei uns ist es das Maximale. Wenn die scheiß BoP nicht passt, haben wir keine Chance."

Thomas Biermaier als Abt-Teamchef bei der DTM auf dem Lausitzring
Thomas Biermaier hatte klare Worte für die BoP übrig, Foto: Gruppe C GmbH

Biermaier verzweifelt: Sind wie ein Safety-Car

Biermaier verglich die Einstufung des Audis am Sachsenring mit dem Rennwochenende in Zandvoort Anfang Juni. Auch damals klagte Abt bereits deutlich über die Beurteilung ihres Boliden durch die SRO Motorsports Group von Stephane Ratel. "Da hatten wir auch keine Chance", verglich Biermaier. "Eigentlich sind Zandvoort und Sachsenring Strecken, die unserem Auto liegen."

Zugleich wollte Biermaier seine Kritik nicht als Rundumschlag gegen SRO verstanden haben: "Die versuchen ihr Bestes zu geben, aber jetzt hat es uns halt schon zweimal erwischt. Dann haben wir Zandvoort, dann haben wir hier, wo du im Rennen gar keine Chance hast. Du bist wie ein Safety-Car. Dass vor uns nichts ist und hinter uns Autos aufkreuzen."

Trotz all des Frusts konnte Biermaier jedoch auch etwas Positives aus dem DTM-Samstag am Sachsenring mitnehmen: "Selbst, wenn wir keine Chance haben, punkten wir relativ vernünftig, weil Kelvin einen echt guten Job macht." Biermaier ging deswegen zur Attacke im Titelkampf über. "Wir wissen, wenn wir eine vernünftige BoP haben, dass wir aus dem R8 alles rausquetschen können, dass wir zwei Topfahrer haben, dass wir bis zum Schluss vorne mitfahren können. Das wissen wir. So selbstbewusst sind wir", so Biermaier.