Antonio Giovinazzi kann einem schon etwas leidtun. Während sein ehemaliger Arbeitgeber Alfa Romeo mit dem starken Ferrari-Motor in der Formel 1 eine kleine Wiedergeburt erlebt und nach zwei Rennen schon fast so viele Punkte (9) eingefahren hat wie in der gesamten Saison 2021 (13), krebst der Italiener in der Formel E nur hinterher.

Für Szene-Kenner war es keine Überraschung, dass Giovinazzi mit dem US-Rennstall Dragon/Penske - dem Formel-E-Team mit den vergleichsweise wenigsten Ressourcen - kaum Land sehen würde. Und so stellte sich der Saisonauftakt 2022 auch dar: In Saudi-Arabien erreichte Giovinazzi in beiden Rennen den drittletzten Platz, zuletzt in Mexiko fiel er vorzeitig aus. Teamkollege Sergio Sette Camara wartet ebenfalls auf die erste Punkteausbeute.

Wenn die Formel E an diesem Wochenende in Rom ihre Saisonrennen Nummer vier und fünf (jeweils um 15:00 Uhr live bei ProSieben) austrägt, kann sich Lokalmatador Giovinazzi zumindest der Unterstützung vieler motorsportbegeisterter Fans sicher sein. An den Ergebnissen wird sich im Normalfall allerdings nichts ändern: Dragon/Penske fährt dem Feld auch in dieser Saison weit hinterher.

Muss Giovinazzi nach 62 Formel-1-Rennen, und frisch aus der Königsklasse des Formelsports entlassen, um seine Reputation in der Motorsportwelt fürchten, wenn es so weitergeht? "Nein", antwortete der 28-Jährige in Rom auf die Frage von Motorsport-Magazin.com und erklärte: "Wer clever genug ist, versteht meine Situation. Ich bin nach nur zwei Testtagen direkt zum ersten Rennen ins Auto gesprungen, musste die Strecken erst kennenlernen und habe immer nur eine Stunde Fahrzeit vor dem Qualifying. Das ist für niemanden einfach."

Foto: LAT Images
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Dass die Formel E - Single-Seater hin oder her - eine völlig andere Kategorie ist als die Formel 1 und es Rookies mit ihrem üblichen Ein-Tages-Format noch schwieriger gestaltet, dürfte inzwischen kein Geheimnis mehr sein. Wenn dann noch ein Cockpit wie das von Dragon um den oftmals eigensinnigen Teambesitzer Jay Penske wartet, wird die Elektro-Rennserie zur echten Herkulesaufgabe.

Giovinazzi wollte sich aber nicht beschweren, sondern bedankte sich für die kurzfristige Gelegenheit, zumindest weiter Rennen fahren zu können. Erst im November vergangenen Jahres konnte er nach dem Alfa-Rauswurf eine neue sportliche Heimat in der Formel E finden: "Mein Dank geht ans Team. Die Entscheidung fiel sehr spät und ich schätze mich glücklich, diese Erfahrung in einer anderen Kategorie sammeln zu können. Wir geben hier alle unser Bestes."

Der Unterschied zum Formel-1-Boliden sei groß, versicherte Giovinazzi. "Die Anpassung fällt mir schwer. Es gibt nur wenige Trainings und wenn du das Limit auslotest, landest du schnell in der Mauer. Es ist hart, vor allem unter diesem Format. Zwischen den beiden Freien Trainings gibt es kaum Zeit", sagte er in Anspielung auf die lediglich 75 Minuten zwischen den beiden Sessions, denen nur rund eine Stunde später bereits das Qualifying an einem Renntag folgt.

Foto: LAT Images
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Testfahrten während der Saison sind aus Kostengründen in der Formel E stark eingeschränkt. Den Teams und Fahrern bleibt somit nur die Vorbereitung im Simulator. Für Giovinazzi, der als Ferraris Simulatorfahrer ganz anderes Material gewohnt ist, ein schwacher Trost: "Das ist anders als im Auto zu sitzen. Das macht es nicht leichter, aber ich muss damit leben. Die beste Möglichkeit, um mich zu verbessern, ist, Zeit im Auto zu verbringen. Dazu habe ich leider nicht oft die Möglichkeit."

Immerhin: Beim Doppel-Rennen in Rom bekommt Giovinazzi gleich zwei Gelegenheiten, sich weiter auf die Formel E einzuschießen. "Das ist eine der härtesten Strecken, aber sie sieht nach Spaß aus", sagte er nach dem Track-Walk am Freitag über den mit 3,8 Kilometern längsten Kurs im Formel-E-Kalender. "Wir haben zwei Tage vor uns. Am ersten geht es darum, Kilometer zu sammeln und am zweiten darum, alles zusammenzubekommen. Das ist unser Hauptziel."