Formel E 2019: Sebastien Buemis episches Comeback mit Nissan (06:41 Min.)

Nissan e.dams war in sämtlichen Belangen die große Wundertüte in der Formel-E-Saison 2018/19. Der japanische Autobauer, der zu dieser Saison den Platz von Renault übernahm, zeigte nach einem katastrophalen Auftakt, was wirklich im neuen Paket steckt: Nissan schloss das Jahr als zweitstärkste Kraft hinter Champion Techeetah ab und stellte mit Sebastien Buemi den Vize-Meister.

Dabei stets im Fokus: das Antriebskonzept in Nissans Gen2-Auto, das die Konkurrenz und Experten lange Zeit vor Fragezeichen stellte. Es dauerte ebenso eine ganze Weile, bis der in der Formel E einzigartige Twin-Motor so funktionierte, wie es sich die Ingenieure vorgestellt hatten.

Wie gut das Konzept mit den zwei MGUs funktionieren kann, wurde zuletzt beim Saisonfinale in New York deutlich. Im Qualifying für das Samstags-Rennen fuhr Buemi mit einem gigantischen Vorsprung von 0,412 Sekunden auf den Zweitplatzierten Pascal Wehrlein zu seiner dritten Pole Position und später zum ersten und einzigen Saisonsieg.

"Drei Zehntelsekunden hat er allein im Mittelsektor gutgemacht mit all den engen Kurven", sagte Wehrlein später zu Motorsport-Magazin.com. "Die Beschleunigung aus den Kurven heraus war extrem."

Nissans Twin-Motor wird verboten

New York bot allerdings die letzte Gelegenheit für Nissan, mit dem Twin-Motor zu punkten. Nach zahlreichen internen Debatten zog die FIA jüngst einen Strich und verbietet fortan den Einsatz von zwei MGUs per Reglement. "Die FIA muss die neutrale Stelle sein und schauen, was geht und was nicht geht", sagt BMW Motorsport Direktor Jens Marquardt zu Motorsport-Magazin.com.

Nissan hatte die enormen Schwierigkeiten in den ersten Saisonrennen in Kauf genommen, um den Motor mit Blick auf die weitere Zukunft zu entwickeln. Der interne Plan sah vor, den Antriebsstrang in seiner Grundstruktur auch in den kommenden zwei bis drei Saisons einzusetzen. Dem hat der Motorsport-Weltverband jedoch einen Riegel vorgeschoben.

"Das war eine sehr harte und politische Saison", sagte Buemi in New York. "Wegen unseres Antriebs wurde viel Lobby-Arbeit betrieben. Schade, dass unser Paket für die kommende Saison verboten wird. Es war wohl zu innovativ für andere. Das ist sehr enttäuschend, weil es in der Formel E doch um Innovationen geht. Ich bin enttäuscht vom Verhalten anderer Teams."

Formel E 2018/19: Buemi und Rowland im Vergleich

FahrerSebastien BuemiOliver Rowland
Rennen1313
Siege10
Podestplätze42
Pole Positions32
Superpoles115
Schnellste Rennrunde00
Platz Meisterschaft2. (119 Punkte)10. (71 Punkte)

Regelkonform mit Aussicht auf Graubereiche

Schon nach den ersten Rennen der Saison machte im Fahrerlager das geflügelte Wort die Runde: 'Solange Nissan nicht gewinnt, ist alles gut'. Im anderen Falle hätte es wahrscheinlich Proteste seitens der Konkurrenz gehagelt, um dem Nissan-Konzept auf die Spur zu kommen.

Auf dem Papier war Nissan stets regelkonform unterwegs. Das Werksauto wurde wie alle anderen Rennwagen im August 2018 homologiert. Stein des Anstoßes bildete die unklare Nutzung der beiden MGU-Maschinen. Per Technischem Reglement darf die MGU nur zur Umwandlung, nicht aber zur Speicherung der Energie genutzt werden. Das darf ausschließlich in der Batterie geschehen.

Es wurde spekuliert, dass Nissan die zweite MGU als eine Art Energiespeicher nutzen könnte, indem die beiden MGUs nicht parallel rotieren. Im Reglement ist hingegen klar vorgeschrieben, dass im Falle von zwei MGUs diese nicht voneinander abgekoppelt genutzt werden dürfen.

"Sie (FIA; D. Red.) haben entschieden, dass dieses System zu schwierig für sie ist", sagte e.dams-Teamchef Jean-Paul Driot in Bern. "Wir sind ziemlich stark auf der Strecke. Um alles auszubalancieren, haben sie entschieden, dass wir auf einen Motor zurückwechseln müssen. Das hat uns überrascht, denn er wurde zu Beginn der Saison homologiert."

Finale in New York: Unsportliches Verhalten vom neuen Champion? (14:14 Min.)

Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com entwickelt Nissan seit geraumer Zeit ein neues Antriebskonzept, nachdem sich das Verbot angedeutet hatte. Andernfalls wäre die Entwicklungszeit viel zu kurz gewesen, da die Testfahrten für die neue Saison bereits im vollen Gange sind. Im Oktober treffen sich die Teams zu gemeinsamen Tests in Spanien, am 22. November beginnt die neue Saison in Saudi-Arabien.

"Ich hoffe, dass wir die anderen in der nächsten Saison auch mit einem vergleichbaren Antrieb besiegen", war Buemi der Frust über das Verbot der hauseigenen Lösung deutlich anzumerken.

Kein Wunder, war Nissan ab der zweiten Saisonhälfte durchweg auf den vorderen Plätzen zu finden. Nach dem fünften Saisonrennen in Sanya hatten Buemi und Teamkollege Oliver Rowland nur 21 Punkte für die Team-Meisterschaft gesammelt. In den darauffolgenden acht Läufen erzielte das Duo 169 Zähler - Platz vier hinter Techeetah, Audi und dessen Kundenteam Virgin.

Formel E 2018/19: Top-5 der Team-Meisterschaft

PosTeamFahrerPunkte
1DS TecheetahVergne/Lotterer222
2Audi Di Grassi/Abt203
3VirginFrijns/Bird191
4NissanBuemi/Rowland190
5BMWFelix da Costa/Sims156

In Sanya fing es an

Nach zuvor ausschließlich guten Leistungen im Qualifying, platzte beim sechsten Rennen in Sanya der Knoten. Von der Pole Position bescherte Rowland dem Team den ersten Podestplatz. Während es beim Briten in der Folge auf- und abwärts ging, trumpfte Buemi in der Schlussphase mit Konstanz auf: zwei Pole Positions, zwei dritte Startplätze und vier Podiumsplatzierungen in den letzten vier ePrix.

In 11 von 13 Qualifyings erreichte Buemi die Superpole-Runde (Shootout der schnellsten Sechs aus den Gruppenphasen) - ein neuer Rekord. Neben dem Speed des Autos auf einer schnellen Runde kam dem Schweizer das neue Qualifying-Format zur Hilfe, das die bestplatzierten Fahrer der Meisterschaft benachteiligt. Nur in New York musste Buemi in der gefürchteten Quali-Gruppe 1 antreten.

"Es war eine sehr schwierige Saison für uns, wir hatten viele Probleme", resümierte Buemi. "Ich hätte nie davon geträumt, Zweiter in der Meisterschaft zu werden." Hinter dem alten und neuen Champion Jean-Eric Vergne (136 Punkte) beendete Buemi die fünfte Saison der Formel E auf dem zweiten Gesamtrang mit 119 Zählern - 89 davon erzielte er in den letzten sechs Rennen.