Pro: Der nächste WRC-Champion

von Kerstin Hasenbichler

Unerschrocken, respektlos, cool, schnell und erfolgreich - alle diese Attribute treffen auf Kimi Räikkönen zu. Mit diesen Eigenschaften hat es der Iceman zum F1-Weltmeister geschafft und wird es auch zum Rallye-Champion schaffen. Sein unglaubliches Drift-Talent bewies Räikkönen schon bei der Arctic Rallye, der Vaakuna Rallye und der Marca Rallye. Mit seiner Vorstellung bei der Finnland Rallye konnte er auch die Big Boys in der WRC überzeugen. Weder Getriebe- noch Motorprobleme konnten den 30-Jährigen bei seinem Heimspiel bremsen.

Räikkönen hatte sich in seinem Fiat Super 2000 bis auf den sehr beachtlichen 15. Gesamtrang vorgearbeitet als er auf der letzten Wertungsprüfung von der Strecke abkam und sich spektakulär überschlug. "In Finnland hat er einen großartigen Job gemacht. Ich mag seine Einstellung", sagte Conrad Rautenbach, der den Finnen als eine Bereicherung für Citroen ansieht. Angst kennt Räikkönen nicht. "Daran denkt man gar nicht. Wenn man sein ganzes Leben Rennen gefahren hat, dann versucht man nur, so schnell wie möglich zu fahren und wünscht eher, dass man noch mehr PS und Speed hätte", meinte der Finne. "Kimi ist ein äußerst talentierter Fahrer. Kein Formel-1-Pilot ist auf so einem hohen Level Rallye gefahren. Aber Rallye ist ein harter Sport, wo vor allem die Erfahrung zählt", erklärte Hirvonen-Manager Timo Joukhi.

Aber wenig Erfahrung hat Räikkönen noch nie als Ausrede gelten lassen. Nach nur 23 absolvierten Autorennen stieg der Finne 2000 in einen Formel-1-Boliden von Sauber und überzeugte. "Er war von Beginn an sehr schnell. Es war egal wie wenig Erfahrung er hatte, er fuhr dieses Auto mit einem Speed und einer Präzision als ob er damit geboren worden wäre", erinnert sich Jost Capito. Man bescheinigte dem damals 21-Jährigen aus Espoo einen absoluten Erfolgswillen, dazu eine absolute Konzentrationsfähigkeit, wie man sie nur bei den ganz großen Champions findet.

Räikkönen tauscht den Fiat gegen einen Citroen., Foto: Sutton
Räikkönen tauscht den Fiat gegen einen Citroen., Foto: Sutton

"Kimi ist ein sehr, sehr guter Fahrer und sobald er die Grundlagen erlernt hat, etwa wie man den Aufschrieb macht, wird er viele Leute überraschen. Wir haben gesehen, wie schnell er in einem Super 2000 Auto war. Mit einem vernünftigen WRC-Auto könnte er bei einigen Rallyes zwischen Platz 3 und 5 landen", sagte Petter Solberg, WRC-Champion von 2003. "Wenn man fahren kann, kann man eben fahren. Man muss angreifen und alles geben. Man muss konzentriert sein und braucht Eier. Es geht darum, zu wissen, wie man angreift und Kimi hat bewiesen, dass er das kann."

Contra: Keine Chance gegen die Rallye-Cracks

von Stephan Heublein

Kimi Räikkönen ist in Topform einer der besten Rennfahrer der Formel-1-Welt - das steht fest. Aber ist er auch einer der besten Rallye-Fahrer der Welt? Rennprofis, Weltstars und Vollgastiere wie Räikkönen sind wahrscheinlich in jedem Gefährt schnell, das man ihnen vor die Füße stellt - selbst in Booten und mit dem erhöhten Schwierigkeitsgrad Gorillakostüm. Aber reicht der natürliche Speed aus, um auf dem ungewohnten Terrain, das andere seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten beherrschen, ganz nach vorne zu kommen, Siege einzufahren und eines Tages den Weltmeisterthron zu besteigen?

In der Formel 1 ist die Antwort klar: Nein. Gut einsteigen, sich schnell einfinden und in die Nähe der Topstars zu kommen, ist für Ausnahmeathleten in anderen Rennserien selten ein Problem. Michael Schumacher beeindruckte bei seinen Motorradausflügen mit überraschend starken und konstanten Zeiten, Valentino Rossi bewies sein Talent schon im Formel-1- und Rallyeauto und auch Räikkönen selbst hat seinen Speed mit Dach über dem Kopf und Schotter und Matsch unter den Rädern bereits unter Beweis gestellt. Aber wie sieht es mit den berühmten letzten Zehnteln aus?

Auch in der Rallyewelt gilt: nah rankommen ist eines, aber den letzten Tick zu finden, um die Besten zu schlagen und selbst zum Gejagten zu werden, ist etwas ganz anderes. "Wir WRC-Piloten haben viel mehr Erfahrung", mahnt Ford-Pilot Mikko Hirvonen. "Kimi kennt keine Strecke. Es ist schwer vorstellbar, dass er erfolgreich sein könnte - zumindest in seiner ersten Saison."

Räikkönens Speed im Monoposto ist unbestritten., Foto: Sutton
Räikkönens Speed im Monoposto ist unbestritten., Foto: Sutton

Das könnte an Räikkönens Motivation nagen. Rallye fahren machte ihm Spaß, wenn er zwischendurch ohne Druck, Vorgaben und Ansprüche Gas geben konnte, dann steckt man auch mal einen Überschlag locker weg. Aber macht es ihm immer noch so viel Spaß, wenn er nicht nur ein paar Mal im Jahr zum Zeitvertreib ins Rallyecockpit klettert, sondern regelmäßig an allen Wochenenden driften muss? Wenn alle Welt auf ihn achtet, von ihm gute Ergebnisse und vielleicht sogar unrealistische Siege erwartet?

Die Medien mochte er schon in der Formel 1 nicht. In der WRC ist das Interesse nicht ganz so groß, aber durch ihn dürfte sich das zumindest zeitweise ändern. Dann könnte die Motivation leiden, erst Recht wenn es zwischendrin Rückschläge und schwächere Ergebnisse geben sollte - und die wird es in seiner ersten Saison geben. Sebastien Loeb & Co sind mindestens genauso harte Gegner wie Michael Schumacher, Lewis Hamilton und Fernando Alonso.