Bob Bell hat seinen Traumjob, allerdings hätte er den gerne unter anderen Umständen angetreten. Aber jetzt ist er nun einmal Renault-Teamchef und will als solcher pragmatisch agieren und realistische Ziele anstreben. Als das Team ihn darum bat, die nach Crashgate frei gewordene Stelle zu übernehmen, tat er das gerne und seine Motivation in der neuen Aufgabe ist die gleiche wie immer. "Ich will, dass das Team erfolgreich weitermacht. Ich bin stolz, dass ich gebeten wurde, die Stellung zu übernehmen und ich freue mich auf die Herausforderung", sagte Bell am Freitag in Singapur. Und die wird keine kleine, immerhin muss sich Renault aus den Wirrungen von Crashgate befreien. Von den Mitarbeitern wurde er in seiner neuen Position schon einmal freundlich aufgenommen, ein Außenstehender hätte es wohl schwerer gehabt.

Bell versucht die Situation aber ohnehin mit Humor zu sehen. "Ich denke, es passiert heutzutage so oft, dass man das Gesetzbuch statt ein Ingenieursbuch zur Hand nimmt, wenn man morgens zur Arbeit geht. Es ist ein trauriges Spiegelbild der Formel 1, aber eine Tatsache des Lebens." Eine andere Tatsache ist, dass man in diesen Zeiten leicht seinen Job verlieren kann. Und da das Formel-1-Team bei Renault nicht nur von der Wirtschaftskrise sondern einem ausgewachsenen Skandal gebeutelt wurde, gab es viel Unsicherheit im Team. Bell merkte genau, dass die Mitarbeiter im Werk traurig waren, weil es diese Situation gab und sie fürchteten sich auch vor deren Konsequenzen.

Die Zeit heilt alle Wunden

Doch es geht weiter, auch wenn der Rennstall zunächst wohl einige Zeit nicht im besten Licht dastehen wird. "Aber die Zeit geht weiter und die Formel 1 ist da keine Ausnahme. Das Team wird das durchstehen und durch seine Taten auf der Strecke und im Werk zeigen, dass es die hohe Reputation verdient, die es immer hatte", meinte Bell. Das Geschehene sei für alle im Team eine große Enttäuschung gewesen und er selbst wolle nie wieder so etwas Schlimmes erleben, betonte er. Dass sich zwei wichtige Sponsoren aufgrund der Affäre zurückgezogen hatten, hatte Bell und das Team nicht überraschend getroffen. Klar sei man enttäuscht gewesen, aber mit Ende des Jahres wären ING und Mutua Madrilena ohnehin gegangen. Allen, die gleich wieder einen Ausstieg von Renault erwarteten, konnte Bell nur eines sagen: "Seht euch die Fakten an. Es war eine dramatische und schwierige Zeit und Renault ist immer noch da. Sie fahren, machen gute Arbeit und erhalten volle Unterstützung vom Mutterkonzern."

Auf seinen Abschied ist man vorbereitet, Foto: Sutton
Auf seinen Abschied ist man vorbereitet, Foto: Sutton

Renault stehe weiterhin voll hinter der Formel 1, vorausgesetzt die Ergebnisse auf der Strecke passen und das Rennteam sprenge nicht die Bank, erklärte Bell. "Aus meiner Warte werden wir lange dabei sein. Der Erfolg der Herstellerteams hängt aber leider auch immer vom Erfolg der Mutterkonzerne ab", sagte er. Bei Renault F1 wird jetzt jedenfalls einmal weitergemacht wie vorher, zudem wird weiter mit Williams und Red Bull wegen der Motoren für 2010 verhandelt. Die Teamleitung ist mit Bell und Jean-Francois Caubert aufgeteilt und die Aufgaben von Pat Symonds übernimmt auf der Strecke Alan Permane und im Werk James Allison, der bereits vorher stellvertretender Technikchef war. Vor allem für Permane war die Beförderung keine große Überraschung, da Symonds ab dem kommenden Jahr ohnehin weniger an der Strecke hätte sein und seine Aufgaben schrittweise an ihn hätte abgeben sollen.

Vertrauen aufbauen

Wie es auf Fahrerseite weitergeht, konnte und wollte Bell noch nicht sagen. Er gab aber zu, dass man für den Fall plane, sollte Fernando Alonso im kommenden Jahr nicht mehr beim Team sein. "Wir haben Optionen, sollte er weggehen", sagte er. Und das sollte dann schon ein guter Fahrer sein, sein Sponsorenpaket sei da weniger wichtig. Die Aufgabe der Fahrer bei jedem Team sah Bell in Zukunft aber ohnehin durch Crashgate verändert. "Der Spionageskandal 2007 hatte große Auswirkungen auf die Arbeit der Ingenieure, die sind nun viel vorsichtiger. Das hier wird sich wohl ähnlich auf die Arbeit der Fahrer auswirken", prognostizierte er. Aber er sah nicht nur die Formel 1 im Zugzwang. Einige Sportarten hätten zuletzt Prügel einstecken müssen. "Renault ist ein prominenter Name im Motorsport. Sie haben eine lange Geschichte und spielen eine wichtige Rolle, um das Vertrauen in die Formel 1 wieder herzustellen. Die Öffentlichkeit will das sicher auch in anderen Sportarten sehen."

Für Aufsehen hat Renault in Singapur jedenfalls schon wieder gesorgt, als Romain Grosjean im ersten Training an gleicher Stelle einen ähnlichen Unfall hatte wie Nelson Piquet bei seinem absichtlichen Abflug im Vorjahr. Als er danach gefragt wurde, wer den Grosjean Crash befohlen hatte, konnte auch Bell lachen. "Das war spektakulär und unglücklich. Ich habe mir einfach nur gedacht, oh Gott, nicht da."