1. - S wie Startaufstellung
Ungarn war keine Eintagsfliege: Nach dem Sieg von Budapest setzte sich Lewis Hamilton auch in Valencia an die Spitze, zumindest im Qualifying. Gesellschaft leistet ihm sein Teamkollege Heikki Kovalainen. Die beiden McLaren-Piloten gehen von den Plätzen 1 und 2 ins Rennen. "Das Auto fühlt sich nicht an als wäre es dasselbe wie bei den Testfahrten Anfang des Jahres", schwärmt Hamilton. "Es ist schwer zu erklären, irgendwie verrückt."
Tatsächlich: Kovalainen fährt ein leicht anderes Auto als Hamilton. "Ich hatte heute Morgen im freien Training keine Zeit, die neuen Teile zu testen und wollte kein Risiko eingehen", verriet der Finne, der im Gegensatz zu Hamilton nicht den McLaren mit dem kürzeren Radstand pilotiert. "Die Balance des Autos war am Freitag perfekt und auch die Simulationen im Windkanal haben gezeigt, dass der Unterschied der Teile nicht allzu groß ist. Deshalb waren wir mit zwei verschiedenen Autos unterwegs."
Geschadet hat es nicht, Kovalainen verlor die Chance auf die Pole erst in der letzten Kurve. "Es ist sehr beeindruckend, was sie hier veranstaltet haben", lobte selbst Konkurrent Nico Rosberg. "Sie haben seit dem Nürburgring eine Sekunde gutgemacht. Hut ab, das ist echt irre, was sie geleistet haben. Das war super."
Hinter den beiden McLaren startet Rubens Barrichello von Platz 4. Neben ihm steht Sebastian Vettel in der zweiten Reihe, noch vor seinem Titelrivalen Jenson Button auf Platz 5. "Ich möchte viel weiter vorne ins Ziel kommen, als ich losfahre", gibt Button seine Devise aus. "Wir müssen vor Red Bull landen, das ist unser Ziel."
2. - S wie Start
Seit diesem Jahr kursiert am Start die KERS-Angst. Dieses Mal müssen weniger Fahrer zittern, denn mit Hamilton und Kovalainen stehen zwei der vier KERS-Autos ganz vorne - zum ersten Mal. "Man darf aber nicht vergessen, dass jetzt zwei KERS-Autos geschlossen in der ersten Startreihe stehen. Sie können am Start also auf und davon fahren", glaubt Niki Lauda. Barrichello möchte trotzdem angreifen, obwohl seine Ausgangslage ohne KERS nicht gut ist. "Ich starte nicht auf der guten, sauberen Seite. Ich hoffe auf einen guten Start."
Den möchte auch Kimi Räikkönen von Platz 6 erwischen. "Noch steht Vettel auf 4, aber warten wir ab, was in Kurve 1 passiert und wie Kimi Räikkönen alle aufmischt", prophezeit Christian Danner. "Er kann mit KERS zwei Autos überholen, wenn er nicht hängen bleibt." Das würde dem Finnen gefallen. "Wir müssen einige Positionen gut machen, denn wenn wir hinter einem langsameren Auto feststecken, könnte das unser Rennen zerschlagen." Optimal ist die Situation aber nicht. "Wir sind auf der dreckigen Seite, das ist unser Problem", analysiert Michael Schumacher.
Gefahr droht vor allem von Nico Rosberg, jedenfalls hätte das der Deutsche gerne so. "Ich stehe auf der sauberen Seite", sagt er. "Räikkönen schlagen wir mindestens, Button vielleicht auch", glaubt Rosberg. "Button hat hier Schwierigkeiten, ich kann ihn schlagen. Aber Kimi schlagen wir auf jeden Fall."
3. - S wie Strecke
Der Straßenkurs durch den Yachthafen von Valencia gilt nicht als echter Stadtkurs wie Monaco oder Singapur, dafür sind die Auslaufzonen zu geräumig. Gesäumt von massiven Betonmauern schlängelt sich der Kurs in 25 Kurven durch das ehemalige America's Cup-Gelände - in einem Mix aus schnellen und langsamen Passagen. Trotz der Breite sind Überholmöglichkeiten Mangelware. Gute Höchstgeschwindigkeit und stabiles Bremsverhalten zählen zu den wichtigsten Tugenden der Autos. Zudem ist wegen der häufigen Beschleunigungsvorgänge aus den langsamen und mittelschnellen Kurven heraus guter mechanischer Grip gefragt.
"Überholen ist auf Straßenkursen immer schwierig, Valencia macht da keine Ausnahme", erklärt Fernando Alonso. "Die besten Chancen bieten sich wahrscheinlich im Bereich von Turn 12 am Ende der langen Gegengeraden, denn dort ist die größte Bremszone der gesamten Strecke. Außerdem befindet sich dort eine relativ großzügig bemessene asphaltierte Auslaufzone, falls es doch nicht 100 Prozent passt."
4. - S wie Setup
Das Streckenlayout verlangt nach einem Setup mit mittleren Abtriebniveaus - ähnlich wie bei den Grands Prix in Shanghai und Bahrain. Es gibt praktisch keine schnellen Kurven, dafür aber die lange Gegengerade, auf der hohe Topspeeds gefragt sind. Die Strecke stellt hohe Ansprüche an das Bremssystem - etwa auf dem Niveau von Bahrain. Mehrfach wird aus Geschwindigkeiten von über 300 km/h heruntergebremst, so etwa vor den Kurven 12 und 17, die jeweils in enge Zweite-Gang-Kurven münden. Diese immensen Verzögerungen werden dem Bremssystem große Energiemengen aufbürden. Davon profitiert KERS, das schnell aufgeladen wird. Wegen der verstärkten Kühlanforderungen setzen die Teams relativ große Bremsbelüftungen wie in Bahrain ein.
Wegen der vielen schnellen Richtungswechsel brauchen die Piloten ein gut ausbalanciertes Auto, das schnell und präzise auf Lenkbefehle anspricht. Das alleine spräche für eine steif abgestimmte vordere Aufhängung, doch wie immer muss die Vorderachse auch weich genug sein, um guten mechanischen Grip in den langsamen Kehren zu gewährleisten. Wichtig ist zudem eine hohe Bremsstabilität, besonders am Ende der langen Geraden. Es gilt, trotz der starken Verzögerung, kein Rad zu blockieren - denn Raum für Fehler ist im katalanischen Betonkanal kaum.
Der Mix aus schnellen Geraden, langsamen Schikanen und Haarnadelkurven bedeutet für die V8-Triebwerke einen ständigen Wechsel von Gasgeben und Bremsen. Die Drosselklappen sind rund 60 Prozent einer Runde voll geöffnet, ein Wert, der leicht unter dem Saisondurchschnitt liegt und die Motoren nicht ernsthaft fordern dürfte. Der Schlüssel zu guten Rundenzeiten liegt jedoch nicht in hoher Spitzenleistung, sondern in kraftvollem Drehmoment zum Beschleunigen aus den langsamen Passagen. Damit die Piloten möglichst früh aufs Gas steigen können, ist zudem eine perfekte Balance des Autos erforderlich, damit beim Gasgeben am Kurvenausgang kein zeitraubendes Untersteuern eintritt.
5. - S wie Strategie
Die Fakten: Auf dem 5,4 Kilometer langen Kurs warten 57 Runden auf die Piloten. Bei einem Boxenstopp verliert ein Fahrer rund 15,5 Sekunden, womit Valencia die Strecke mit dem geringsten Zeitverlust aller Kurse im Rennkalender ist. Für eine Runde benötigt ein F1-Bolide rund 2,45 Kilogramm, was leicht über dem Saisondurchschnitt liegt. Obwohl das Risiko von Safety Car Phasen auf Straßenkursen enorm hoch ist, gab es bei der ersten Veranstaltung 2008 keinen Einsatz des Führungsfahrzeugs.
Qualifying-Positionen und Gewichte (kg)
1. Hamilton 653.0 (15. Runde)
2. Kovalainen 655.0 (16. Runde)
3. Barrichello 662.5 (19. Runde)
4. Vettel 654.0 (16. Runde)
5. Button 661.5 (19. Runde)
6. Raikkonen 661.5 (19. Runde)
7. Rosberg 665.0 (20. Runde)
8. Alonso 656.5 (17. Runde)
9. Webber 664.5 (20. Runde)
10. Kubica 657.5 (17. Runde)
11. Heidfeld 677.0 (24. Runde)
12. Sutil 672.5 (23. Runde)
13. Glock 694.7 (31. Runde)
14. Grosjean 677.7 (25. Runde)
15. Buemi 688.5 (29. Runde)
16. Fisichella 692.5 (30. Runde)
17. Nakajima 702.0 (34. Runde)
18. Trulli 707.3 (36. Runde)
19. Alguersuari 678.5 (25. Runde)
20. Badoer 690.5 (30. Runde)
Die Angaben der ersten Boxenstopps basieren auf einer Hochrechnung von Motorsport-Magazin.com und sind ohne Gewähr.
6. - S wie Sonntagswetter
Es ist Brawn-Wetter angesagt: Bis zu 33 Grad Lufttemperatur und kein bisschen Regen sagen die Wetterfrösche für den Rennstart voraus. Darüber freuen sich vor allem Rubens Barrichello und Jenson Button, die in Valencia bislang keine Probleme hatten, ihre Reifen auf Temperatur zu bringen. Als gelöst bezeichnen sie ihre Probleme deshalb aber noch nicht. "Für Spa müssen wir wieder hart arbeiten, um die Reifen aufzuwärmen", glaubt Button. "Es ist schwierig zu sagen, ob die Änderungen uns an diesem Wochenende schneller gemacht haben."
7. - S wie Spannung
Der Europa GP in Valencia hat es in sich, auch ohne Michael Schumacher. "Kämpfen, kämpfen, kämpfen", gibt Timo Glock als Marschroute für das Rennen vor. Er möchte von Startplatz 13 in die Punkte fahren. Das gleiche Ziel haben seine Landsleute Nick Heidfeld von 11 und Adrian Sutil von 12. "Diesmal sind Punkte drin", glaubt Sutil. "Ich gebe nicht auf, irgendwann muss es klappen." Die Verbesserungen an seinem Force India machen ihm Mut und reißen ihn sogar zu solchen Aussagen hin: "Mit diesem Auto, das wir jetzt haben, wären wir in Melbourne vielleicht sogar ganz vorne gestanden, aber das könnten viele sagen." Jetzt muss er es beweisen.
An der Spitze spielt sich ein anderes Duell ab - oder doch nicht? Christian Danner glaubt: "Es wird ein klarer Doppelsieg für McLaren." Valencia sei eine KERS- und damit eine McLaren-Strecke. "Ich werde versuchen zu gewinnen und nur dies zählt etwas für mich", kündigt Rubens Barrichello an. Auch Hamilton hat den Brasilianer auf der Rechnung: "Ich denke Rubens wird stark sein. Er kommt drei, vier Runden später als wir rein, das ist ein Vorteil für ihn. Aber er hat kein KERS, deshalb wird es für ihn schwierig uns zu überholen. Ich denke, es wird ein gutes Rennen. Es wird auf die Strategie ankommen und wie man mit den Reifen umgeht."
Wie Danner erwartet auch Niki Lauda einen McLaren-Erfolg. "Dahinter bin ich auf den Kampf um die Plätze sehr gespannt." Danner sieht Vettel im Vorteil. "Er hat das Optimal herausgeholt - steht zwischen den Brawn und nur das sind seine Gegner. Hamilton kann ihm egal sein." Das sieht auch Lauda so. "Vettel steht als Vierter genau richtig für den WM-Kampf. Die zwei vor ihm können ihm egal sein. Es kommt nur darauf an, dass er so viel wie möglich Punkte auf Button gutmacht. Dafür steht er auf einer guten Position." Aber Button greift an: "Es wird ein hartes Rennen für Red Bull. Unser Auto funktioniert hier gut, aber ihre Long Run Pace war bislang nicht sehr gut."
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