Wenn es ein Sieg werden würde, war von vorneherein klar, dass es ein denkwürdiger wäre. Im ersten Rennen des neuen Rennstalls (jedenfalls offiziell laut Nennliste, ansonsten ist Brawn GP natürlich das ehemalige Honda Team, was wiederum das ehemalige British American Racing Team war) gab es den ersten Sieg - ein Ziel, das BAR einst schon für die Debütsaison 1999 angepeilt hatte. Schlappe zehn Jahre später haben sie es geschafft.

Aber nicht nur das ist denkwürdig. Vor einem Monat bangte das Team noch um eine Übernahme, ums Überleben. Jetzt ist es überlegener GP-Sieger. Aber so lange die Technik (nach nur sieben Testtagen) durchhielt, war eigentlich schon vor Rennstart des Australien GP 2009 klar: Jenson Button oder Rubens Barrichello würden das Rennen für sich entscheiden. Die Frage war nur: Würde es der denkwürdige 200. Sieg eines britischen F1-Piloten oder der denkwürdige 100. Sieg eines brasilianischen F1-Piloten?

Buttons Park-Spazierfahrt

Die Antwort: Jenson Button holte seinen zweiten GP-Sieg nach Ungarn 2006 und den ersten Sieg eines "neuen" Teams seit Jody Scheckter im Wolf in Argentinien 1977. Ganz so überlegen wie von einigen Fahrern befürchtet waren die Rückstande am Ende des Rennens aber nicht: Nach einem späten zweiten Boxenstopp, um die weiche Reifen abzuholen, lag Button nur rund zwei Sekunden vor Sebastian Vettel und ein paar mehr auf Robert Kubica.

Drei Runden vor Schluss setzte Kubica mit den besseren, harten Reifen zum Überholmanöver gegen Vettel auf den schlechteren, weicheren Reifen an, Vettel zog innen mit und kollidierte mit dem Polen. "Ich bin ein Idiot, es tut mir sehr, sehr leid", entschuldigte sich Vettel direkt im Anschluss per Funk bei seinem Team.

Nach der Kollision konnte Vettel seinen dreirädrigen Red Bull noch anderthalb Runden um den Kurs schleppen, dann stellte er ihn am Streckenrand ab. Kurz nach der Kollision flogen sowohl Vettel als auch Kubica mit einem Dreher ab, wobei der Pole seinen BMW Sauber in die Mauer setzte und die zweite Safety-Car-Phase des Rennens auslöste, die bis Rennende anhielt. So überquerten die ersten Drei Button, Barrichello und Trulli die Ziellinie ohne einen Zweikampf.

"Bis das Safety Car kam, lief es sehr gut, danach hatte ich Vibrationen", sagte der Sieger. "Schade, dass Rubens Pech hatte, aber ich freue mich über den sieg. Es kann sich niemand vorstellen, wie eng und schwierig es war. Es war keine leichte Aufgabe." Auch Barrichello hatte ein aufregendes Rennen. "Ich hätte nach dem Start nie gedacht, dass ich aufs Podium kommen könnte."

Durcheinander am Start

Die neue Saison began mit einem großen Knall, allerdings nicht wie von vielen Fahrern vermutet, weil die neuen Frontflügel so breit und anfällig sind, sondern weil Rubens Barrichello auf Startplatz 2 beinahe stehen blieb, erst sehr spät wegkam und weit zurückfiel. "Ich habe das Antistall-Programm aktiviert", erklärte Barrichello hinterher.

Im Mittelfeldgerangel quetschte sich Barrichello dann in die Kurve und löste eine Kettenreaktion mit Heikki Kovalainen, Mark Webber und Nick Heidfeld aus, die ineinander geschoben wurden, so dass sich Heidfeld ins Gras drehte. Von hinten rauschte auch noch Adrian Sutil in die Kollision und verlor seinen Frontflügel. Bis auf Barrichello mussten alle Beteiligten nach der ersten Runde die Box aufsuchen, um Flügel und Reifen wechseln zu lassen. Kovalainen musste ganz aufgeben. Nur der Brasilianer fuhr mit einem angeschlagenen Frontflügel weiter.

Rambo-Manöver und SC-Phase

Rubens Barrichello sollte auch in den nächsten Runden für Action sorgen. Während Nico Rosberg sauber an Kimi Räikkönen vorbeiging, versuchte sich danach der Brasilianer an einem Überholmanöver - das ihm gelang, allerdings nur mit einem Kontakt mit dem rechten Hinterrad des Finnen. Dabei flogen weitere Teile von Barrichellos Frontflügel ab. Einen neuen erhielt er erst einige Runden später bei seinem ersten Boxenstopp.

Diesen absolvierte er, wie viele andere Fahrer auch, während einer Safety-Car-Phase. Was war passiert? Kazuki Nakajima hatte seinen Williams auf dem Randstein verloren und war in die Mauer abgebogen. Die anschießende SC-Phase dauerte über mehrere Runden, bis alle Überrundeten richtig einsortiert waren - dank der neuen SC-Regel blieb die Boxengasse allerdings geöffnet, so dass keine Autos ohne Sprit liegen blieben oder eine Strafe riskieren mussten.

Aber auch unter dem neuen Reglement gibt es Probleme bei Boxenstopps: Bei Nico Rosberg klemmte es vorne links, bei Giancarlo Fisichella klemmte es bei der Findung der richtigen Boxencrew - der Italiener fuhr fast an seiner Truppe vorbei und musste erst in Position geschoben werden. Als das Rennen in Runde 24 endlich wieder freigegeben wurde, war es für Nelsinho Piquet schon beendet: Er verlor beim Anbremsen der ersten Kurve neben Nico Rosberg das Auto und flog ins Kiesbett. Der Brasilianer beklagte sich im Funk, dass seine Bremsen "verrückt" gespielt hätten.

Desaster bei Ferrari

Für eines der Topteams des letzten Jahres, Ferrari, war der Australien GP ein Desaster. Schon kurz nach dem Start wurden beide Autos mit den weichen Reifen von der Konkurrenz überholt und fielen zurück. Noch schlimmer erwischte es die Roten in der Schlussphase: Felipe Massa rollte mit einem technischen Defekt an die Box zurück, Kimi Räikkönen stellte seinen F60 ebenfalls nach fünf Boxenstopps an der Box ab.

Besser erwischte es McLaren Mercedes. Die Silbernen mussten zwar früh auf Heikki Kovalainen verzichten, der schon am Start unverschuldet abgeschossen wurde, dafür kam Lewis Hamilton nach den Irrungen der Schlussrunden von Platz 18 bis auf Platz 4 nach vorne. "Lewis auf Platz vier und bestes Auto mit KERS - das ist mehr als beim Start von Platz 18 erwartet", freute sich Norbert Haug. "Glückwunsch an Brawn GP, Jenson Button und Rubens Barrichello zum Doppelsieg - dreimal Mercedes Power in den Top 4 - das freut uns sehr - unser Kundenteam hat einen Super Job gemacht."

Hinter ihm belegten Timo Glock und Fernando Alonso die Ränge 6 und 7. Glock setzte sich in einem rundenlangen Duell gegen den spanischen Ex-Weltmeister durch. Die Top-8 komplettierten Nico Rosberg und Sebastien Buemi. Für den Deutschen wäre mehr drin gewesen, für den Schweizer ist es der erste Punkt im ersten F1-Rennen.